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„Propaganda gegen Deutschland“

17.11.2017 - Interview

Dietmar Woidke, Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, über die Zusammenarbeit mit dem Nachbarland. Erschienen in der Märkischen Oderzeitung.

Herr Woidke, die von undemokratischen Tendenzen geprägte Entwicklung in Polen besorgt viele Menschen. Man hat aber den Eindruck, dass Sie und die bisherige Bundesregierung die Kritik daran der EU-Kommission überlassen. Wie lange kann man dazu nichts sagen?

Vor dem Hintergrund der deutsch-polnischen Geschichte ist es für Deutsche nach wie vor schwierig, in Richtung Polen den Zeigefinger zu erheben. Ich glaube, wir sollten da auch weiterhin eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen.

Das heißt aber nicht, dass wir solche Probleme nicht in internen Gesprächen ansprechen. Es handelt sich in der Tat aber vor allem um Themen, die innerhalb der Europäischen Union diskutiert werden müssen, denn die Mitgliedschaft in der EU ist an Regeln gebunden. Sie gelten für uns genauso wie für die Republik Polen - die nächstes Jahr übrigens ihren 100. Geburtstag feiert.

Was halten Sie von den Reparationsforderungen aus Warschau für den Zweiten Weltkrieg?

Absolut nichts. Ich habe den Eindruck, dass hier ein längst abgeschlossenes Thema hervorgeholt wird, um Stimmung gegen Deutschland zu machen. Eine solche Stimmung würde jedoch unsere Zusammenarbeit insgesamt in Frage stellen. Die Tatsache, dass diese Forderung bisher nur über die Medien verbreitet und nicht offiziell an die Bundesregierung herangetragen wurde, lässt aber darauf schließen, dass das Ganze eher innenpolitische Propaganda ist. Hier scheint das Motto zu gelten: Attacke nach außen, um innenpolitisch zu punkten.

Manches geht aber auch voran. So wurde gerade der zweite Teil des deutsch-polnischen Geschichtsbuchs fertig. Ein didaktisch richtig gutes und modernes Werk für die Schulen.

Wie wirken sich solche Forderungen auf die bisher guten Beziehungen in den Grenzregionen aus?

Vollkommen klar ist: Es hilft uns nicht. Für die guten Beziehungen auf zivilgesellschaftlicher Ebene brauchen wir auch die Unterstützung aus Warschau. Und da mache ich mir momentan Sorgen, dass diese Unterstützung nicht mehr wie in früheren Jahren da ist.

Mit dem bisherigen polnischen Koordinator Jakub Skiba hatte ich aber eine sehr gute Zusammenarbeit.

Na ja, beim Rockfestival „Haltestelle Woodstock“ in Küstrin gab es auch die Ausladung an die deutschen Feuerwehren. War das nicht ein Zeichen dafür, dass die Zusammenarbeit schwieriger geworden ist?

Das war ein schlechtes Beispiel dafür, dass es in Warschau eine andere Meinung zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gibt als in der Grenzregion selbst. Dass wir unsere gemeinsamen Herausforderungen in dieser Region nur gemeinsam angehen können, ist ja auch die Auffassung der Marschälle in den Wojewodschaften auf der polnischen Seite der Grenze, zu denen ich einen guten Draht habe.

Ich hoffe, dass auch Warschau erkennt, dass wir diese Zusammenarbeit weiter pflegen müssen. Ich setze mich dafür ein, wie ich mich für Woodstock eingesetzt habe. Ich bin froh, dass das Festival rockig und friedlich stattfinden konnte.

Von der PiS-Partei wird derzeit die Legende gesponnen, dass die deutsch-polnische Verständigung seit 1990 kein Prozess unter Gleichen gewesen sei, sondern dass Polens Interessen nicht für voll genommen wurden. Was sagen Sie dazu?

Wir sollten uns von solchen Dingen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ich glaube, dass Deutschland seiner besonderen Verpflichtung gegenüber Polen häufig gerecht geworden ist, zum Beispiel als es seinem Nachbarland dabei geholfen hat, Mitglied der EU zu werden. Gerade auch für Brandenburg war das ein ganz wichtiger Punkt. Was seither an zivilgesellschaftlicher und wirtschaftlicher Kooperation gewachsen ist, sollte man nicht kleinreden.

Themenwechsel: Wieso fällt es eigentlich dem Polen-Koordinator so schwer, die eigene Bundesregierung von der Notwendigkeit einer zweigleisigen Schienenverbindung Berlin-Stettin zu überzeugen?

Meine Position ist ganz klar: Ein eingleisiger Ausbau dieser Strecke würde nur bedeuten, dass wir einige Jahre später über erneute Ausgaben für die Zweigleisigkeit diskutieren würden. Sie wird zwischen den beiden boomenden Regionen Stettin und Berlin-Brandenburg dringend benötigt. Wir müssen deshalb gleich die richtige Entscheidung treffen. Das soll auch auf dem dritten deutsch-polnischen Bahngipfel besprochen werden, den wir im Frühjahr in Potsdam veranstalten wollen. Das gleiche gilt für die Strecke nach Breslau. Auch da muss es vorwärts gehen.

Interessant war, dass Sie mit Ihrem bisherigen Gegenpart Jakub Skiba auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung so eine gute gemeinsame Sprache gefunden haben!

Ich war einige Jahre Innenminister und er bis vor kurzem Staatssekretär des polnischen Innenministeriums. Da gibt es natürlich Anknüpfungspunkte. Ich bin besonders froh, dass wir das Polizeiabkommen mit Warschau in Kraft gesetzt und dafür gesorgt haben, dass die Zusammenarbeit mittlerweile auch bei der Strafverfolgung unkomplizierter und besser geworden ist. Genauso wie ich froh bin, dass die Mittel für den deutsch-polnischen Jugendaustausch deutlich erhöht wurden.

Aktuell gibt es bei der polnischen Regierung keinen Deutschland-Koordinator. Auch Ihre Zukunft in dieser Funktion ist unklar, wenn die SPD nicht mehr der Bundesregierung angehört. Hätten Sie weiter Interesse an diesem Amt?

Ich hoffe zum einen, dass in Warschau bald ein Nachfolger ernannt wird. Und zum anderen: Diese Funktion ist zwar ein Ehrenamt, lässt sich aber sehr gut mit dem grundsätzlichen Brandenburger Interesse an einem guten Verhältnis zu Polen verbinden. Dieses Ziel steht ja sogar in unserer Landesverfassung. Die Entscheidung, ob ich dieses Amt weiter ausüben werde, treffe nicht ich, sondern die nächste Bundesregierung.

Interview: Dietrich Schröder

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