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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel zur Eröffnung des deutsch-russischen Jahres der kommunalen und regionalen Partnerschaften 2017/ 2018

28.06.2017 - Rede

Sehr geehrter Herr Außenminister, lieber Sergej,
sehr geehrter Herr Gouverneur,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

erst einmal herzlichen Dank für die freundliche Begrüßung hier bei Ihnen in Krasnodar!

Es ist ja wirklich ein großartiger Anlass, hier bei Ihnen in Krasnodar zur Eröffnung der 14. Städtepartnerkonferenz zu sein! 14. heißt: Es ist nicht das erste Mal, sondern es gibt schon eine gute Tradition, dass sich die Städte, die miteinander eine besondere Partnerschaft pflegen, treffen. Ich glaube, und darauf hat Sergej Lawrow gerade hingewiesen, dass wir gerade in solch schwierigen Zeiten solchen Austausch brauchen.

Dass wir heute hier gemeinsam in Krasnodar diese Konferenz eröffnen und das deutsch-russische Jahr der kommunalen und regionalen Partnerschaften einläuten, ist für mich aus zwei Gründen ein gutes Zeichen dafür, wie - trotz aller Schwierigkeiten, die es zwischen unseren Ländern und Europa und Russland gerade gibt - breit und belastbar die Beziehungen zwischen den Menschen, den Russen und Deutschen heute sind.

Das erste hat damit zu tun, dass wenn man als Deutscher hierher nach Krasnodar kommt, dann beeindruckt einen natürlich die wirtschaftliche Dynamik der Stadt und der Region. Man hört natürlich von den berühmten Söhnen und Töchtern dieser Stadt, wie zum Beispiel dem Opernstar Anna Netrebko, die auch in Deutschland bejubelt wird.

Aber wenn man in diese Stadt Krasnodar, in diese Region kommt, dann kann man gar nicht anders als auch daran erinnert zu werden, dass auch hier auch ganz dunkle und schlimme Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte geschrieben worden sind. Nämlich dass die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs die Stadt nicht nur schwer beschädigt hat. Sondern dass Deutsche auch grausame Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen haben.

Ich erwähne dass, weil ich manchmal denke, dass bei allen politischen Differenzen, die wir haben, ist es immer noch fast schon ein Wunder, dass trotz dem was Deutsche in Ihrem Land getan haben, auch in Ihrer Stadt, die Russen immer wieder auf uns Deutsche zugegangen sind und freundschaftlich unsere Land zu uns ausgestreckt haben. Im Übrigen ist das nichts anderes als ein riesiger Vertrauensbeweis, denn man kann auch ganz anders reagieren, nach all dem, was Menschen in Russland erlebt haben. Deshalb glaube ich, dass wir die Besonderheit dieser Beziehungen, die gerade trotz dieser schlimmen Geschichte zwischen unseren Völkern möglich gewesen ist, dass wir die auch in besonderem Maße schätzen sollen. Sie ist in Wahrheit wirklich ein Schatz, den wir in den Händen halten, der uns übrigens von denjenigen übergeben wurde, die den Krieg noch selbst erlebt haben. Sie sind nämlich die ersten gewesen, die auf Deutschland zugegangen sind. Wir sind in meiner Generation schon eher die Erben dieses Schatzes. Umso mehr ist es unsere Verantwortung, diesen Schatz zu pflegen und nicht zu verspielen.

Wir Deutsche stellen uns dieser Geschichte. Wir vergessen sie nicht. Im Gegenteil. Wir schreiben, im Wissen um die schmerzhafte Vergangenheit, neue, positivere Kapitel der deutsch-russischen Beziehungen. Dafür ist meine Generation dem russischen Volk sehr dankbar.

Meine Damen und Herren,

ich möchte einen zweiten Grund nennen, warum mir das heutige Treffen hier in Krasnodar wichtig ist. Denn die so große Zahl der hier anwesenden Vertreterinnen und Vertreter von städtischen, kommunalen und privaten deutsch-russischen Initiativen macht auch eines deutlich: Unsere beiden Länder, unsere Gesellschaften verbinden enge und feste Bande.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland werden also nicht nur durch Moskau und Berlin und durch die beiden Staaten geprägt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Beziehungen zwischen unseren beiden Regierungen sind wichtig für Deutschland und auch für Russland. Und sie sind mir ganz persönlich wichtig, und Sergej Lawrow auch. Aber sie sind nicht immer einfach.

Wir haben Konflikte in vielen Fragen. Beispielsweise wenn es um die Konflikte in der Ukraine und in Syrien geht. Aber trotzdem passiert hier etwas, was man ganz gut „Völkerverständigung von unten“ nennen kann.

Sergej Lawrow hat eben zu Recht darauf hingewiesen, dass trotz mancher Differenzen in der Politik und so groß sie auch sein mögen, wir gerade darauf, also den Kontakt der Zivilgesellschaften nicht verzichten dürfen. Weil je schwieriger es ist, auf der politischen Ebene voran zu kommen, desto wichtiger sind kommunale Beziehungen, Beziehungen zwischen Menschen auf beiden Seiten.

Diese „Völkerverständigung von unten“ wird sinnbildlich mit dem Treffen der Städte und Regionen hier in Krasnodar deutlich.

Meine Damen und Herren,

nur durch Dialog kann auch Vertrauen wieder wachsen. Eines solchen Dialogs bedarf es auf vielen Ebenen: natürlich auf der Ebene der Staaten, der Regionen, der Kommunen, privater Organisationen und auch von Einzelpersonen. Diese Konferenz ermöglicht den Dialog insbesondere auf der regionalen und kommunalen Ebene. Ich weiß nicht, wie das in Russland ist, aber in Deutschland sind die Kommunalpolitiker eigentlich der festen Überzeugung, dass wenn die große Politik nur auf die Oberbürgermeister und Landräte hören würde, dann wäre alles einfacher.

Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir uns nur durch Offenheit gegenseitig voranbringen können. Und offene Gesellschaften eröffnen den Raum für Kreativität, für Austausch, für neue Idee, auch solcher, die auf den ersten Blick fremd erscheinen oder erst im Austausch mit Menschen aus anderen Ländern entstehen.

Ganz konkret möchte ich aus jüngster Zeit zwei Beispiele nennen, die deutlich machen, wie viel Gutes in den deutsch-russischen Beziehungen entstehen und gelingen kann, wenn beide Seiten es denn wirklich nur wollen.

Welche Kraft das Engagement von Städtepartnerschaften und darin aktiver Einzelpersonen entfalten kann, zeigt mein erstes Beispiel:

Im letzten Jahr wurde auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka in Wolgograd, auf dem sowjetische und deutsche Soldaten des 2. Weltkriegs nebeneinander begraben liegen, mit einem ökumenischen Gottesdienst eine Friedenskappelle eingeweiht. Diese erinnert an die Opfer und ist gleichzeitig ein weithin sichtbares Zeichen der Versöhnung.

Diese Kapelle ist das Ergebnis eines langjährigen Engagements der Gemeinde Denkendorf in Bayern und des heute auch anwesenden Herrn Holtz, dem es gelang, dieses Projekt allein aus privaten Spendenmitteln zu finanzieren. Die Außenminister Russlands und Deutschlands sind zu Schirmherren dieses Projekts geworden.

Persönliches Engagement wie dieses, die damit einhergehende Energie und die Fähigkeit, trotz mancher Rückschläge am Ball zu bleiben, verdient größte Anerkennung, Respekt und unser aller Dankbarkeit!

Dieses persönliche Engagement aus der Mitte unserer Gesellschaften heraus entlässt uns Regierungen aber nicht aus der Pflicht. Und daher ist das zweite Beispiel für das, was wir erreichen können, das nun endende deutsch-russische Jugendaustauschjahr. Wir haben in diesem Jahr die Teilnehmerzahlen, und auch die Neugier füreinander endlich wieder steigern können.

Und wir setzen weiterhin konsequent auf die Jugend: Schon nächste Woche treffen sich in Moskau 30 junge und motivierte Menschen aus Russland und Deutschland, um sich über den Stand unserer bilateralen Beziehungen auszutauschen und eigene Ideen zur Zukunft unserer Beziehungen zu entwickeln.

Jungen Menschen die Chance auf Austausch zu geben ist nach meiner festen Überzeugung die beste Zukunftsinvestition für Frieden und Verständigung!

Ich kann das für mich aus eigener Erfahrung sagen: Ich bin das erste Mal nach Moskau in einem ganz schwierigen Jahr gereist, und zwar in einem Jugendaustausch. Damals, 1980, wurden die Olympischen Spiele in Moskau boykottiert durch den Westen nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan. Kalter Krieg, wie man ihn sich kälter nicht vorstellen kann. Wir sind die gewesen, die trotzdem gesagt haben, gerade jetzt fahren wir mit einem Jugendaustausch nach Moskau und übrigens auch nach Leningrad, wie es damals noch hieß, also das heutige St. Petersburg. Natürlich hat das unser Bild von Russland geprägt und prägt es auch heute.

Das heißt junge Menschen in Kontakt zu zueinander zu bringen ist etwas, was sich Jahrzehnte später noch auszahlen kann.

Meine Damen und Herren,

nach dem erfolgreichen Jugendaustauschjahr 2016 und 2017 wird das kommende Jahr unter dem Motto der kommunalen und regionalen Partnerschaften stehen.

Wir hegen den gemeinsamen Wunsch, dass über die zahlreichen kommunalen und regionalen Partnerschaften die Zahl und Intensität der direkten Kontakte zwischen Russen und Deutschen gesteigert und dadurch der Dialog und das Verständnis zwischen unseren Gesellschaften gestärkt wird.

Um im Geiste der Friedenskapelle von Rossaschka zu sagen: Wir brauchen Ihre Initiative, Ihre Kreativität und Ihre Ideen!

Und ich glaube, da gibt es keine Grenzen. Mögen die im Rahmen dieser Städtepartnerkonferenz entstehenden Kontakte und Verbindungen dafür eine gute Grundlage bilden.

Und vielleicht gibt es ja auch neue private Initiativen. Als ich vor ein paar Wochen in St. Peterburg war, habe ich auch die Gedenkstätte für die Opfer der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht besucht. In Russland weiß jeder, wie viele Opfer diese Belagerung gefordert hat. Ich habe mir gedacht, dass es bemerkenswert ist, dass der deutsche Außenminister dort begrüßt wird mit dem Spielen der deutschen und russischen Nationalhymne. Auch das zeigt, wie groß das Vertrauen der Russen in die Deutschen ist.

Ich habe mir überlegt, Sergej, wenn wir jetzt darüber reden, wie wir unsere Beziehungen verbessern können, warum gelingt es uns eigentlich nicht ein deutsch-russisches Institut für Frieden- und Völkerverständigung in St. Petersburg zu eröffnen, vielleicht wieder über die Zusammenarbeit von Privatinitiativen und unseren Ländern. Damit wir an dem Ort, an dem schlimme Geschichte stattgefunden hat, zeigen können, dass wir uns Frieden und Völkerverständigung gerade zwischen unseren Völkern auch heute besonders verpflichtet fühlen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz und allen in kommunalen und regionalen Partnerschaften engagierten Russen und Deutschen viel Freude und Begeisterung im Wirken für unsere guten Beziehungen zwischen Deutschland und Russland!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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