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Rede zum Amtsantritt von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel am 27.01.2017

27.01.2017 - Rede

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Auswärtigen Amt,
lieber Frank-Walter,
liebe Frau Wallat,
Vielen Dank für den freundlichen Empfang für mich meine Familie hier im AA!

Für sicher sehr viele unter Ihnen ist der Abschied von Frank-Walter Steinmeier aus dem Amt des deutschen Außenministers heute sicher einerseits mit sehr großem Bedauern, andererseits vielleicht auch mit etwas Stolz verbunden.

Bedauern, weil er ein wirklich glänzender Außenminister war, der dem Auswärtigen Amt wieder die Stellung innerhalb der Bundesregierung gegeben hat, die diesem Amt von der Bedeutung her zusteht. Und das nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern auch öffentlich und international.

Im Amtseid heißt es, der Minister soll sich „dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“.

Ich glaube, nur wenige Außenminister der Bundesrepublik haben in so überzeugender Weise zum Nutzen und zum internationalen Ansehen unseres Landes beigetragen wie Frank-Walter Steinmeier.

Vor allem durch die hartnäckige, die unbeirrbare und schier unermüdliche Arbeit zur Eindämmung von Konflikten und zur Ermöglichung des Friedens.

Ich erinnere mich an manche Medienberichterstattung, die gesagt hat: Was tun die schon? Die reden nur. Und die vergessen haben, was die Erkenntnis des Buchs „Die Schlafwandler“ war, nämlich, dass es gefährlich ist, wenn man zu wenig redet.

Wenn sich das Amt heute von Frank-Walter Steinmeier verabschiedet, dann findet sich die große Wertschätzung vor einer großen politischen und menschlichen Leistung darin wieder.

Aber nicht nur das dürfte das Bedauern über sein Ausscheiden begründen, sondern insbesondere auch seine unnachahmliche Art im Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Den Menschen zugewandt, kollegial und nicht von oben herab, immer mit auseichend viel Humor ausgestattet. Vor allem eine Eigenschaft ist es, die ich über viele Jahre bei ihm kennenlernen konnte: wann immer man zu ihm kommt, hat man den Eindruck, er habe den ganzen Tag auf einen gewartet und nichts sei ihm gerade wichtiger, als ein gutes und zugewandtes Gespräch zu führen. Und das selbst zu Zeiten, in denen völlig klar war, dass er unter Hochspannung und enormem Zeitdruck stand.

Es sind wohl diese Eigenschaften neben seiner Fähigkeit zu politischer Präzisionsarbeit, die ihm die Zuneigung in allen seinen bisherigen Ämtern eingebracht hat – sicher auch hier im Auswärtigen Amt.

Aber wie gesagt, vielleicht macht es Sie auch ein bisschen Stolz, dass „Ihr Chef“ jetzt aller Voraussicht nach der nächste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland wird. Denn ohne diese exzellente Arbeit in zwei Bundeskabinetten, auch im Bundeskanzleramt, die ja gerade auch durch Sie, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich war, wäre er jetzt nicht an der Schwelle zum Schloss Bellevue.

In Anlehnung an eine Schlagzeile der Bildzeitung können Sie jetzt zwar nicht sagen, „Wir sind Papst“, aber immerhin „Wir sind Bundespräsident“. Ich finde darauf dürfen Sie auch ein bisschen stolz sein.

Und Außenpolitik wird sicher auch dort eine seiner Leidenschaften bleiben.

Die Zeit ist schwer „aus den Fugen“, wie Frank-Walter Steinmeier es nannte. Frank-Walter Steinmeier kennt also die Klassiker. Bei Shakespeares Hamlet geht das Zitat weiter mit dem Stoßseufzer „Fluch der Pein – Muss ich sie herzustellen geboren sein!“

Als bescheidene Persönlichkeit hat er das nicht mitzitiert. Aber es war schon so, dass die Aufgabe des deutschen Außenministers in den letzten Jahren darin bestand, sich den Gefahren vieler Konflikte entgegenzustemmen.

Deutschlands Stellenwert als Stabilitätsanker und verlässlicher Partner in dieser Zeit trägt die Handschrift von Frank-Walter Steinmeier. Dass der Name ganz natürlich als der ideale Bundespräsident überzeugt, hat genau damit viel zu tun. Dafür möchte auch ich an dieser Stelle meinen Respekt bekunden – und einem langjährigen Weggenossen aufrichtig danken!

Lieber Frank, ich bin Dir dankbar für die zurückliegende Zeit.

Ich weiß nicht, ob Du Dich daran erinnerst. Wir kennen uns schon aus niedersächsischen Zeiten. Dort warst Du Medienreferent in der Staatskanzlei bei Gerhard Schröder, der übrigens immer behauptet hat, er hätte Dich und Brigitte Zypries deshalb eingestellt, weil Ihr die einzigen gewesen seid, die ihm beim Einstellungsgespräch widersprochen hätten.

Ich erinnere mich noch, wie wir zusammen mit Brigitte Zypries unter meinem Apfelbaum in Goslar den Landeshaushalt des Landes Niedersachsen entworfen haben. Du und ich in kurzen Hosen – es spricht für Brigitte Zypries, dass sie das ertragen hat.

Vielen Dank für alles, was wir seitdem in den letzten 20 Jahren so auf die Beine stellen konnten. Ich habe viel von Dir lernen dürfen. Aber vor allem: eine glückliche Hand, Kraft und Gesundheit für das vor Dir liegende große Amt. Alles Gute!

***

Meine Damen und Herren,

mir ist sehr bewusst, dass Sie vermutlich alles erwartet haben, nur nicht einen Amtswechsel zu einem Außenminister Sigmar Gabriel.

Aber ich sage Ihnen: nach meiner persönlichen Erfahrung kann man sich an diesen Gedanken in relativ kurzer Zeit gewöhnen.

Und seien Sie versichert: ich bin nur halb so schlimm wie es in den Zeitungen steht. Und bis auf eine Drohung mit einer Einreisesperre durch die Revolutionsgarden in Teheran, weil ich zuvor das Existenzrecht Israels angemahnt habe, gab es nach meinen Auslandsreisen in all die schwierigen Länder Arabiens, Asiens oder nach Russland einerseits und Polen andererseits noch nirgendwo einen Abbruch der bilateralen Beziehungen zu Deutschland.

Ganz so schlimm, wie es einige Medien geschrieben haben, wird es also sicher nicht kommen. Nun werden ein paar Leute denken: na halb so schlimm ist auch schlimm genug. Aber das zu verhindern, sind ja Sie da!

Ich glaube, wir werden das gut hinkriegen. Auch, lieber Frank, weil ich gelernt habe, dass die eigentliche Botschaft Deiner Rede war: „Mach keinen Scheiß! Verdirb mein Erbe nicht!“. Ganz bestimmt ist eher mein Ziel mit Ihnen hier im Amt all das weiter zu bearbeiten, was uns entgegenkommt.

Nein, im Ernst: ich habe in meiner Zeit als Wirtschaftsminister bereits sehr von der Hilfe und Begleitung des Auswärtigen Amtes profitieren dürfen. Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands zu vertreten und zugleich den Menschenrechtsfragen nicht aus dem Weg zu gehen, ist nicht immer leicht, aber nötig gewesen. Dabei die richtigen Wege aber auch den richtigen Ton gefunden zu haben, war auch immer der Hilfe des Auswärtigen Amts zu verdanken.

Und auch in anderen schwierigen Fragen haben unsere Häuser gut zusammen gearbeitet. Und angesichts des neuen Protektionismus nicht nur in den USA, war es sicher besonders wichtig, dass Europa genau entgegen gesetzte Zeichen setzt und mit dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen moderne Standards im Welthandel erreicht hat. Auch das ist ein Ergebnis guter Zusammenarbeit.

Ich habe mich in den Wochen nach der Wahl Donald Trumps gefragt, was hätte die Welt wohl über Deutschland und Europa gesagt, wenn wir dieses Freihandelsabkommen mit Kanada nicht geschafft hätten. Und wie unglaubwürdig wären heute unsere Rufe nach einem Stopp des Protektionismus. Wenn wir nicht einmal als Europäer ein Abkommen mit Kanada hinbekommen – einem Land, das europäischer ist, als mancher europäischer Mitgliedstaat.

Ich weiß also um die großartige Qualität dieses Hauses, und ich weiß, dass man sich darauf verlassen kann. Und ich bitte Sie herzlich, mir diese Fachlichkeit und Ihr Engagement zur Verfügung zu stellen, um unser Land in sicher nicht einfachen Zeiten durch eine unruhige See zu steuern.

Dass wir jetzt ein Bundestagswahljahr haben, sollte uns dabei so wenig wie möglich interessieren. Denn die Zeiten sind so rau, dass die Auswärtige Politik ganz gewiss nicht auf den Wahlabend des 24. September orientiert sein darf, sondern auf die mittel- und langfristigen Interessen unseres Landes zu achten hat.

Ich bin also auf Ihre Expertise und Ihren Rat ganz besonders angewiesen. Darauf setze ich und dafür bin ich dankbar. Und ich bin überzeugt, dass Sie ihn mir geben werden.

Wie Sie wissen, werde ich die Aufgabe als Stellvertreter der Bundeskanzlerin – was man Vizekanzler nennt – weiterführen. Dazu gehören Aufgaben der politischen Koordinierung im Spiegel mit dem Kanzleramt, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium jetzt hierher kommen. Für die anstehenden Haushaltsverhandlungen muss das für das Auswärtige Amt nicht schlecht sein. Für diese Aufgabe wechselt Herr Staatssekretär Dr. Sontowski mit seinem Team hierher ins Haus. Seinen Ruf im Bundesfinanzministerium hat er sich redlich erarbeitet. Dabei soll es bleiben.

***

Meine Damen und Herren,

von unserer Außenpolitik wird trotz des Wahljahres viel erwartet. Denn eine Welt, die in so umfassender Weise in Bewegung ist, fordert uns heraus.

Ich glaube, wir sind gerade Zeitzeugen einer Neuvermessung der Welt. Was mir aus eigener Erfahrung lebhaft vor Augen steht, ist der Aufstieg der neuen Wirtschaftsmächte in Asien, die uns nicht um Erlaubnis fragen, welcher Anteil am Welthandel ihnen zusteht.

Und wenn wir im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft im April erstmals die Digitalminister zu Gast haben, dann im Bewusstsein, dass die Ära digitaler Technologie unser industrielles Wohlstandsmodell verändert und neue Fragen nach gemeinsamen Regeln für fairen Wettbewerb und Cyber-Sicherheit aufwerfen.

Ich sage das deshalb, weil neben den klassischen Veränderungen, die uns beunruhigen, auch ganz andere Veränderungen stattfinden. Wir in Europa werden zahlenmäßig kleiner - Afrika, Asien, Lateinamerika wachsen. Ökonomisch verschieben sich die Gewichte, technologische Gewichte verändern sich und natürlich merken wir, dass wir leider auch in der Frage der liberalen und sozialen Demokratie in der Welt eine Neuvermessung erleben, denn die autoritären Antworten sind auf dem Vormarsch, die liberalen und sozialen Demokratien zumindest in der Defensive. „Innen“ und „Außen“ sind in unserer vernetzten Welt nicht mehr zu trennen. Und diese vernetzte Welt steckt voller Chancen, aber eben auch voller Konflikte, Reibungen und Risiken.

Flucht und Migration, Terrorismus, Kriege und Konflikte, aber auch Klimawandel, Umweltkatastrophen, Cyberattacken - internationale Herausforderungen nehmen zu.

Gleichzeitig wächst auch die Abwehr dieser von den bedrängten Mittelschichten als Zumutung erlebten Trends: Abschottung, Rufe nach Alleingängen, Rückzug ins Nationale. Die Menschen haben Kontrollverlustängste über ihr Leben und sie werden angesprochen von Bewegungen, die Ihnen mit dem Rückgriff auf nationalistische Antworten den Eindruck vermitteln wollen, das gäbe Ihnen neue Kontrolle über ihr Leben. Ein großer Irrtum, wie wir wissen, und deswegen kommt es darauf an, dass wir das Innen und Außen miteinander verbinden.

Die Grundpfeiler deutscher Außenpolitik jedenfalls sind heute wichtiger denn je: Europa, - und so schwer es manchem fallen mag- Transatlantische Partnerschaft, Multilateralismus.

Außenpolitik ist heute internationale Politik im Horizont einer gerechteren und stabileren Globalisierung, die weniger Verlierer und mehr Gewinner braucht. Nur wenn wir nachhaltig globale Gerechtigkeit stärken werden wir auch mehr Sicherheit bekommen. Und ich werde nie vergessen, dass ich wenige Tage nach den verheerenden Anschlägen vom 11.9. an einem ökumenischen Gottesdienst teilgenommen habe, wo ein katholischer Bischof, Josef Homeyer, sagte: Wer das wieder eindämmen will, der muss sich bewusst darüber sein, dass die Globalisierung Gerechtigkeit für alle bedeuten muss und nicht nur Reichtum für wenige.

Globale Gerechtigkeit und Internationale Sicherheit sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Dass beide Seiten gleichermaßen an Bedeutung gewinnen, wird mich in meiner Arbeit auch in diesem Amt weiterhin leiten.

Dafür haben wir etwas anzubieten: Europa. Auch wenn es heute selbst in schwierigem Zustand ist, bleibt Europa das größte Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts. Wir sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig, dass wir was Menschen unter gewaltigen Entbehrungen aufgebaut haben, auch für sie instand halten. Ich habe mich angesichts mancher Jammerei über die Schwierigkeiten in Europa immer gefragt, wie mag das nur gewesen sein, für den französischen Staatspräsidenten, für die Belgier, die Niederländer, die Luxemburger, die Italiener, Deutschland wenige Jahre nach dem verheerenden Völkermord an den Tisch eines gemeinsamen Europas einzuladen. Wieviel Mut müssen diese Frauen und Männer gehabt haben, denn besonders populär dürfte das in ihren Bevölkerungen nicht gewesen sein. Ich finde diesen Mut brauchen wir wieder und es gibt Grund ihn zu haben. Denn es gibt keine Region der Welt, in der man trotz aller Schwierigkeiten, die wir auch haben, demokratischer und sicherer leben kann, als auf dem europäischen Kontinent.

In diesem Jahr geht es in Europa ums Ganze. Mit der Präsidentschaftswahl in Frankreich steht die Zukunft des gesamten europäischen Einigungswerks auf dem Spiel. Wir können hier nicht neutral sein, denn es geht uns alle an! Wir werden um dieses Europa kämpfen müssen. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass mich meine erste Reise als Außenminister morgen nach Paris führt.

Und gewiss wird Europa einen gewichtigen Teil meiner Arbeit in den kommenden Monaten ausmachen.

Und auch die enge transatlantische Partnerschaft ist Leitlinie deutscher Außenpolitik. Und was immer aus den USA für Töne zu uns herüber schallen: Für uns muss es eine Orientierung bleiben!

Deswegen freue ich mich, möglichst bald mit Rex Tillerson zusammenzutreffen. Ich bin gespannt auf seine Sicht der Herausforderungen, vor denen wir auf beiden Seiten des Atlantiks stehen.

Unsere Hand sollte ausgestreckt bleiben – für respektvolle Zusammenarbeit, die auf dem fußt, was transatlantische Beziehungen in letzten Jahrzehnten geprägt hat: Offenheit, Ehrlichkeit, und das Einstehen für die Ideen unserer Verfassungen: Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit. Und immer auch gegenseitige Verantwortung.

Aber wir werden auch selbstbewusst die Räume nutzen müssen, die möglicherweise durch eine Abkehr der Vereinigten Staaten von der internationalen Kooperation und im internationalen Handel neu entstehen. Die Partnerschaft mit China auf eine neue und faire Grundlage zu stellen, den Asean-Staaten nach der Kündigung des Handelsabkommens TPP Europa und Deutschland als Alternative anzubieten und auch die deutsch-indischen Regierungskonsultationen und das G 20 Treffen zu nutzen, um unser Land und auch Europa als weiterhin faire aber auch als selbstbewusste Partner anzubieten. Das öffnet uns solche Räume, die wir entschlossen und entschieden betreten und nutzen sollten.

***

Meine Damen und Herren,

lassen Sie uns in konstruktivem Geist in dieses neue Kapitel aufbrechen!

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen in Ihrer täglichen Arbeit, wie effektiv und vielfältig die Instrumente sind, mit denen Deutschland sich außenpolitisch engagiert und mit denen wir etwas bewegen können.

- Deutschland ist heute einer der größten humanitären Geber weltweit.

- Deutschland ist ein Vorreiter in der Stabilisierung und Konfliktnachsorge.

- Dort, wo politische Sprachlosigkeit herrscht, baut Deutschland Brücken durch eine aktive Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

- Deutschland ist deshalb angesehener und konstruktiver Mittler im Konfliktmanagement.

In all diesen Feldern wissen wir: Nichts können wir im Alleingang lösen. Umgekehrt jedoch, können wir gemeinsam eben doch immer wieder ein gutes Stück vorankommen.

Das zeigt nicht zuletzt die Arbeit meines Amtsvorgängers. Lassen Sie uns daran anknüpfen.

Herzlichen Dank für das freundliche Willkommen.

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