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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth auf dem Empfang anlässlich des 25. Jahrestages der Unabhängigkeit der Republik Slowenien

22.06.2016 - Rede

--- es gilt das gesprochene Wort ---

Sehr geehrte Damen und Herren,

Happy Birthday, Slowenien! 25 Jahre Unabhängigkeit der Republik Slowenien sind ein freudiger Anlass. Und auch der 12. Jahrestag des Beitritts Sloweniens zur Europäischen Union (am 1. Mai) liegt ja gerade erst ein paar Wochen zurück. Es gibt also heute gleich doppelt Grund zu feiern! Deshalb freue ich mich, heute Abend hier zu sein und im Namen der gesamten Bundesregierung gratulieren zu können.

Beides, die Unabhängigkeit Sloweniens und die EU-Mitgliedschaft Sloweniens, sind europäische Erfolgsgeschichten, wie wir sie dieser Tage nicht allzu oft feiern dürfen. Und vielleicht ist genau das auch kein Zufall: Weil im Falle Sloweniens eben die Geburt eines Nationalstaates und die Einbindung in die Europäische Union von Beginn an Hand in Hand gingen. Bereits am Tag der Unabhängigkeit war klar: Sloweniens Weg führt nach Europa.

Die Selbstverständlichkeit, mit der Slowenien diesen Weg gegangen ist und mit der das Land auch heute noch seine Rolle in Europa wahrnimmt, ist gerade in diesen Tagen und Wochen bemerkenswert. In vielen Mitgliedstaaten haben wir es derzeit mit einer Abwendung von Europa und einem Rückzug ins nationale Schneckenhaus zu tun. Das slowenische Modell zeigt uns dagegen: Den viel zitierten Widerspruch zwischen einem souveränen Nationalstaat und einer EU-Mitgliedschaft gibt es nicht.

Und deshalb führt die Debatte über die Rückabwicklung von Kompetenzen und die Abgabe von Souveränität aus meiner Sicht auch in eine Sackgasse. Natürlich soll und darf die EU nicht alles bis ins kleinste Detail regeln. Der Begriff der „nationalen Souveränität“ ist in einer immer stärker globalisierten Welt jedoch nur noch eine Illusion. Denn: Man kann doch nur das verlieren, was man tatsächlich noch besitzt. Wir können nicht an Kompetenzen festhalten, die wir faktisch längst verloren haben, die also bestenfalls nur noch auf dem Papier bestehen.
Das scheinen einige noch nicht begriffen zu haben, die lauthals nach „weniger Europa“, gar der Abwicklung des europäischen Einigungswerkes rufen.

Wenn es darum geht, das Klima zu schützen, die Finanzmärkte zu regulieren, internationale Handelsströme zu steuern, oder effektiv, aber vor allem solidarisch und menschenwürdig, internationalen Flüchtlingsströmen zu begegnen – dann gelingt dies nur durch gemeinsames europäisches Handeln! Denn gerade bei diesen großen Fragen stoßen die Nationalstaaten alter Prägung – im wahrsten Sinne des Wortes – an ihre Grenzen. Im globalen Maßstab sind wir alleine ein ziemlicher Zwerg – egal ob das vermeintlich so große Deutschland oder das kleine Slowenien! Nur ein geeintes Europa bietet uns die Chance, die Globalisierung in unserem Sinne zu gestalten und verlorene Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmacht zurückzugewinnen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

In den vergangenen Jahren hat sich Slowenien viel Anerkennung und Wertschätzung im Kreise der 28 Mitgliedstaaten der EU erarbeitet. Und das völlig zu Recht! Slowenien zählt zwar zu den kleinsten Mitgliedstaaten der EU. Aber manchmal sind die Kleinen eben auch ganz groß!

Die EU darf niemals nur eine Angelegenheit der großen Mitgliedstaaten sein. In Europa kommt es weniger auf die Größe oder die Bevölkerungszahl eines Landes an. Was zählt, sind vielmehr die Kreativität, die Kraft der guten Argumente und die Ideen, mit denen sich ein Land in die europäischen Diskussionen einbringt.

Europapolitik funktioniert nur im Team. Alle Mitgliedstaaten – gleich ob groß oder klein, ob Ost oder West, ob Nord oder Süd, ob Gründungsmitglied oder frisch beigetreten – sind aufgerufen, den Motor Europas gemeinsam am Laufen zu halten und neuen Schub zu geben. Und da ist auf Slowenien Verlass.

Maß halten, das realpolitisch Notwendige tun und Bewährungsproben konstruktiv begegnen – diese offensichtliche Maxime der slowenischen Politik hat sich auch während der Migrations- und Flüchtlingskrise im Herbst 2015 bewährt. Damals war Slowenien besonders stark von den Bewegungen auf der Westbalkanroute betroffen und hat diese Aufgabe professionell und annähernd reibungslos bewältigt.

Doch ich weiß, nicht alle Menschen in Slowenien sind immer nur glücklich mit der EU-Mitgliedschaft ihres Landes. Diejenigen, die sich ein Paradies auf Erden erträumten, wurden ebenso enttäuscht wie diejenigen, die fürchteten, die slowenische Nation würde in einer Union mit 28 Mitgliedstaaten untergehen. Beide Seiten haben sich glücklicherweise geirrt.

Viele Menschen machen sich derzeit große Sorgen um Europa. Und das nicht zu Unrecht: Flüchtlingsfrage, Wirtschafts- und Finanzkrise, soziale Verwerfungen, ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU – diese Reihe der aktuellen Bewährungsproben ließe sich weiter fortsetzen.

Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Krise hat für Europa immer auch Fortschritt bedeutet, denn Krise bedeutet Druck. Und ohne Druck geht es manchmal eben nicht. Wir sollten und wir müssen die europäischen Bewährungsproben als Chance begreifen. Gemeinsam mit unseren Partnern müssen wir weiterhin konkrete Lösungen erarbeiten, so wie uns das in der Finanzkrise oder wie zuletzt in der europäischen Flüchtlingspolitik bereits gelungen ist.

Aber wir müssen auch realistisch bleiben: Der ganz große Wurf wird uns nicht immer gelingen. Wir sind inzwischen zu viele und zu heterogen, um rasch zu den ganz großen Lösungen zu kommen.

Aber Schritt für Schritt und vor allem gemeinsam und solidarisch werden wir die Probleme immer noch besser meistern als im Alleingang.

Und noch etwas müssen wir akzeptieren: Einfache Lösungen und Königswege für komplizierte Probleme gibt es nicht. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, der Klimawandel oder die Folgen des Krieges in Syrien – all das sind komplexe Fragen, auf die wir über Nacht keine einfache Antworten finden werden.

Wir müssen ehrlich sein. Je größer das Problem, desto komplizierter ist oftmals auch die Lösung. Oft gibt es nicht einmal die große Lösung für ein großes Problem, sondern nur kleinere Fortschritte und Teillösungen. Manchmal ist das unbefriedigend. Aber die Rufe der Populisten nach vermeintlich einfachen Antworten sind unehrlich und gehen an der Wirklichkeit vorbei. Und doch treffen sie vielerorts in Europa auf fruchtbaren Boden.

Diese Gefahr dürfen wir nicht unterschätzen. Wir können ihr nur begegnen, indem wir offen sagen, was geht und was eben nicht. Für uns ist das eine Frage der Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.

Wir Europäerinnen und Europäer müssen uns trotz aller Schwierigkeiten wieder auf den eigentlichen Wert Europas besinnen. Europa ist unsere Lebensversicherung in diesen stürmischen Zeiten. Die EU ist unser Garant für Sicherheit, Wohlstand und Frieden.

Frieden auf dem europäischen Kontinent ist keine Selbstverständlichkeit – wer wüsste das nicht besser als die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger des ehemaligen Jugoslawien waren. Dank der EU werden Konflikte heute an Schreibtischen und in Konferenzräumen austragen und nicht mehr auf Schlachtfeldern. Dieses europäische Erfolgsprojekt dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Wir alle in Europa sind Nachbarn in dem einen europäischen Haus. Wir alle müssen mehr Verantwortung für dieses gemeinsame Haus – und nicht immer nur für die eigene Wohnung – übernehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Noch eines sollten wir nicht vergessen: Die EU ist nicht nur ein Binnenmarkt, sie ist vor allem eine Wertegemeinschaft. Unsere gemeinsamen Werte schweißen uns noch viel enger zusammen als alle wirtschaftlichen Verflechtungen. Sie gehören zum wertvollsten, was wir als Staatengemeinschaften besitzen. Doch diese europäischen Werte müssen im täglichen politischen Miteinander gepflegt und verteidigt werden. Wir wollen und wir müssen auch aufeinander sorgfältig Acht geben.

Deutschland und Slowenien sind Mitglieder in der großen EU-Familie. In Europa läuft es da nicht anders als in jeder anderen Großfamilie:

Da gibt es den reichen Onkel, die nervige Schwägerin und den Cousin, der meistens schlechte Laune hat. Und es gibt die Schwester, mit der man sich bisweilen auch ohne Worte versteht.

Deutsche und Slowenen verstehen sich in vielen Bereichen außergewöhnlich gut. Beispielsweise gehören Slowenen in Deutschland zu den am besten integrierten Bürgern mit Migrationshintergrund überhaupt. Und Urlaub in Slowenien zu machen, ist in Deutschland schon lange kein Geheimtipp mehr.

Unsere Regierungen arbeiten hervorragend zusammen. Auch in weiteren Bereichen läuft es prima: vom Austausch über berufliche Bildung, Universitätskooperationen, gemeinsamen Kulturprojekten bis hin zu deutsch-slowenischen Joint Ventures und Direktinvestitionen... Und nicht zuletzt hat Slowenien mit Marta Kos Marko eine ganz wundervolle Botschafterin in Berlin, die ich auch persönlich sehr schätze.

Danke an all diejenigen, die sich persönlich engagieren, die Zeit, Kraft, Kreativität und Geld investieren - in eine gute Zukunft Slowiens, in die deutsch-slowenische Freundschaft im vereinten Europa. Und nochmals herzlichen Glückwunsch!

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