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Rede von Außenminister Wadephul bei der Aktuellen Stunde im Bundestag: „Fortschritte bei der Beendigung des Gaza-Krieges nach zwei Jahren Hamas-Terror und vielfachem Leid in der Region“

08.10.2025 - Rede

Seit zwei Jahren sind fast 50 Geiseln in der Hand der Terroristen der Hamas.

Seit unvorstellbaren 733 Tagen.

Am Montagabend habe ich in Tel Aviv Familienangehörige der Geiseln getroffen.

Manche von ihnen haben selbst mit ansehen müssen, wie die Terroristen ihre Angehörigen aus Wohnungen und Schutzräumen gerissen, auf die Ladefläche von Lastern oder auf Motorräder gezerrt haben.

Die Menschen, die ich am Montag traf, haben in den vergangenen zwei Jahren wie die Löwen für ihre Liebsten gekämpft.

Sie haben gebangt, gehofft. Sie sind manchmal verzweifelt.

Einige haben ihre Liebsten nach mühevollen Verhandlungen wieder in die Arme schließen können.

Es waren viel zu wenige.

Andere haben nur die traurige Gewissheit erhalten, dass sie nicht mehr auf ein Wiedersehen hoffen können.

Sondern nur noch auf die Rückgabe der Körper, und auf ein würdiges Begräbnis.

Meine Damen und Herren,

Israel ist kein großes Land.

Fast jede Familie kennt eine Geiselfamilie. Hat einen Sohn oder eine Tochter im Militär.

Der 7. Oktober 2023 war vielleicht der schwärzeste Tag des jüdischen Volkes seit der Shoah.

Ein Tag, der die Gewissheit, in Israel in Sicherheit leben zu können, die elementare Zusage des „Nie Wieder!“ so grundlegend erschüttert hat wie sonst kein Ereignis in der 77-jährigen Geschichte des Staates Israel.

Die terroristische Hamas hat am 7. Oktober 2023 das Trauma der Shoah reaktiviert.

Sie hat Israel in den längsten Krieg seiner Geschichte geführt.

Einen Krieg, der nun zwei Jahre andauert.

Und der verheerendes Leid auch über die Menschen im Gaza-Streifen gebracht hat.

Es ist mir wichtig, dass wir uns hier und heute an die Dimension dieses 7. Oktober für Jüdinnen und Juden weltweit erinnern.

Dass wir daran erinnern, wie fundamental ihr Sicherheitsbedürfnis erschüttert wurde.

Und dass wir uns vor den Opfern verneigen.

Das ist mir nicht nur deshalb wichtig, weil wir in unserem Land und in anderen Ländern der Welt eine beschämende, eine inakzeptable Welle des Antisemitismus haben erleben müssen, in diesen zwei Jahren seit dem 7. Oktober 2023.

Sondern auch, weil wir in den letzten Monaten gesehen haben, wie Empathie und Solidarität mit Jüdinnen und Juden nach dem 7. Oktober – in unserem Land, aber auch an vielen anderen Orten der Welt – teilweise verdrängt wurde von Unverständnis über Entscheidungen der israelischen Regierung.

Von Unverständnis für die Ausmaße der israelischen Kriegführung.

Von Entsetzen über die zehntausenden palästinensischen Opfer, die katastrophalen humanitären Zustände im Gaza-Streifen.

Wir haben erlebt, dass in den zwei Jahren seit diesem für Jüdinnen und Juden weltweit so einschneidenden Tag, nachdem es nur ein „davor“ und ein „danach“ gibt, traurigerweise teilweise eine Entfremdung stattgefunden hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Kritik, Unverständnis, vielleicht sogar Entsetzen über Regierungspolitik, das will ich hier klar sagen, sind legitim.

Aber: Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung darf nicht automatisch Kritik am Staat Israel sein.

Und erst recht nicht Kritik an allen Jüdinnen und Juden!

Gerade in Deutschland sind und bleiben wir in der Verantwortung, in der historischen Verantwortung, dazwischen zu trennen.

Verantwortung für die Sicherheit von Jüdinnen und Juden in unserem Land, für die Existenz und Sicherheit des Staates Israel unabhängig von der jeweiligen israelischen Regierungspolitik zu fühlen und wahrzunehmen.

Immer wieder deutlich zu machen: wir stehen fest und unerschütterlich an der Seite Israels und seiner Menschen.

Der 7. Oktober 2023 war ein Akt unfassbarer Barbarei, der uns alle betroffen machen muss.

Diese Barbarei darf niemals siegen!

Und dabei übersehen wir nicht das Leid der Menschen in Gaza.

Ihr Recht auf Leben, auf Selbstbestimmung, Schutz und Würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf meiner Reise in dieser Woche, in meinen zahlreichen Gesprächen in Kuwait, Katar, in Israel und Ägypten habe ich eines ganz deutlich gespürt: wir befinden uns, nach diesen zwei Jahren, nun an einem entscheidenden Moment.

Die Stimmung ist grundlegend verändert.

Es gibt Hoffnung. Erstmals wieder Hoffnung.

Bei den Geiselfamilien. Aber auch in der israelischen Gesellschaft.

In Gaza. In den arabischen Staaten. In der Region.

Hoffnung darauf, dass die Geiseln heimkehren.

Dass das Sterben im Gaza-Streifen endet.

Auf einen Waffenstillstand. Auf ein massives Anwachsen der humanitären Hilfe.

Auf eine Zukunft.

Der durch Trump und die Araber unterstützte 20-Punkte-Plan ist eine kluge Kombination von Elementen, die zur Beendigung des Krieges, für den „Day After“, seit Längerem auch mit deutscher Beteiligung diskutiert wurden.

Wir sind dem amerikanischen Präsidenten dankbar, dass er sich mit seinem ganzen politischen Gewicht nun für diese Vision einsetzt.

Aber genauso zentral ist, dass die arabischen Staaten, dass Katar, Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Beiträge geleistet und sich hinter den Plan gestellt haben.

Dass sie sich Gedanken machen, dass Technokraten bereitstehen, die unterhalb des von Präsident Trump geleiteten „Peace Boards“ Aufgaben übernehmen könnten.

Nun ist es an der Hamas. Sie muss jetzt endlich zustimmen.

Mit dem 20-Punkte-Plan könnte das Leiden in Gaza beendet werden.

Aber genauso erlaubt der Plan die Perspektive eigenständiger palästinensischer Staatlichkeit – und einer Verantwortungsübernahme im Gaza-Streifen durch die Palästinensische Behörde.

Die Perspektive auf die Zweistaaten-Lösung, für die wir uns weiter einsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Deutschland leistet seit Jahren Aufbauarbeit für die Palästinensische Behörde.

Wir sind einer der größten Geber humanitärer Hilfe im Gaza-Streifen.

Wir genießen Vertrauen in den arabischen Staaten, wir haben ein besonders enges Verhältnis zu Israel.

Damit haben wir in der Region auch etwas anzubieten.

Deshalb ist für mich völlig klar: sollte es zu einer vorübergehenden internationalen Verwaltung des Gaza-Streifens kommen, werden wir unseren Beitrag leisten.

Sei es zu Aspekten der Stabilisierung, zum Wiederaufbau, zu Fragen der Verwaltung oder – natürlich – weiter auch bei der humanitären Hilfe.

Mit meinem ägyptischen Amtskollegen habe ich deswegen auch gestern vereinbart, dass wir gemeinsam als Ägypten und Deutschland eine Wiederaufbaukonferenz für Gaza ausrichten.

Meine Damen und Herren,

nach zwei Jahren des unvorstellbaren Leids in der Region kommt es jetzt auf diesen Moment an.

Wir werden uns nicht wegducken.

Weil wir der Existenz und der Sicherheit Israels in beispielloser Weise verpflichtet sind.

Weil das Völkerrecht, die Menschenrechte, Teil unserer außenpolitischen DNA sind.

Weil wir, zwei Jahre nach dem 7. Oktober 2023, den Weg ebnen wollen für eine Zukunft, in der Israelis und Palästinenser Seite an Seite, in Frieden, Sicherheit und Würde leben können.

Ich danke Ihnen.

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