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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 27.01.2023

27.01.2023 - Artikel

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

FRAGE: Eine Frage zum Thema Ukraine. Frau Hoffmann, es gab in dieser Woche beim Europarat einen Satz der Außenministerin, der die Runde macht. Sie hat auf die Frage eines britischen Abgeordneten übersetzt auf Englisch gesagt: „Ja, wir müssen mehr tun, auch in Bezug auf Panzer. Aber das Wichtigste und Entscheidende ist, dass wir das zusammen tun und nicht Schuldzuweisungen in Europa machen. Denn wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ ‑ Unterschreibt der Kanzler diesen Satz?

HOFFMANN (BReg): Das Außenministerium hat sich sehr klar dazu geäußert und hat gesagt, dass die NATO und Deutschland nicht Kriegspartei sind. Das hat der Kanzler immer wieder betont. Die NATO und Deutschland sind in diesem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht Kriegspartei. Wir unterstützen die Ukraine, aber wir sind nicht Kriegspartei.

ZUSATZFRAGE: Frau Hoffmann, Herr Wagner, wenn wir keine Konflikt- oder Kriegspartei sind, warum sagt sie dann diesen Satz „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland“? Das ist doch explizit. Ist das eine Falschaussage?

WAGNER (AA): Vielen Dank für die Frage. ‑‑Sie spielen auf Äußerungen der Außenministerin an, die sie beim Treffen mit Angehörigen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am letzten Dienstag gemacht hat. Das war eine längere Diskussion auf Englisch, bei der es vor allen Dingen darum ging, deutlich zu machen, dass wir in der Europäischen Union und zusammen mit unseren G7- und NATO-Partnern geeint gegen den brutalen Angriffskrieg stehen, den Russland in der Ukraine führt.

Die Regierungssprecherin hat ja eben schon ausgeführt, dass die Außenministerin und auch andere Mitglieder der Bundesregierung immer wieder sehr deutlich gemacht haben, dass wir im völkerrechtlichen Sinne nicht Konfliktpartei sind und auch unsere Unterstützung für die Ukraine nicht zu einer solchen Konfliktpartei machen. In diesem Kontext muss die Außenministerin verstanden werden.

FRAGE: Herr Wagner, würden Sie sich dazu durchringen, zu sagen, dass sich die Bundesaußenministerin unglücklich ausgedrückt hat? Das war ja nicht ihre Muttersprache. Vielleicht hat sie das im Eifer des Gefechts nicht so gemeint, wie das aufgefasst wurde.

WAGNER: Wenn Sie mich danach fragen, ob es die Intention der Außenministerin war, den Fokus der Debatte darauf zu legen, wie er jetzt in Teilen in den sozialen Medien geführt wird, dann ist das sicher nicht der Fall. Ich kann nur noch einmal unterstreichen, dass es eine Debatte war, bei der es darum ging, noch einmal zu unterstreichen, wie wir gemeinsam als Europäische Union, als NATO und G7-Partner geeint gegen diesen russischen Angriffskrieg in der Ukraine stehen. So ist das einzuordnen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe noch eine technische Frage, die sich auf Waffenlieferungen bezieht. Ich weiß nicht, ob das BMWK dafür zuständig ist. Gibt es, was die Exporte von Waffen an die Ukraine angeht, explizit eine Klausel, dass diese nicht auf russischem Territorium benutzt werden dürfen, oder wie funktioniert das? Das ist ja, glaube ich, eine rote Linie für die Bundesregierung.

HAUFE (BMWK): Wie das juristisch formuliert ist, müsste ich nachreichen. Die Frage kann ich nicht sofort beantworten. Vielleicht weiß das der Kollege aus dem Verteidigungsministerium.

COLLATZ (BMVg): Ich kann für den Fall von Länderabgaben, wenn es sich also um Material handelt, das direkt aus den Beständen der Bundeswehr an eine weitere Nation weitergegeben wurde und die wiederum beabsichtigt, dieses an die Ukraine abzugeben, nur darauf hinweisen, dass die Endverbleibsklausel nichts über den Ort des Einsatzes sagt, sondern über das Eigentumsverhältnis. Dabei möchte ich es auch bewenden lassen.

ZUSATZ: Ich will nur verstehen, inwiefern die Bundesregierung sicherstellen wird, dass beispielsweise die Kampfpanzer nicht über die Grenze nach Russland fahren.

WAGNER: Vielleicht kann ich dazu etwas sagen. Die Ukraine hat immer wieder betont, dass die Waffen, die sie braucht, zur Selbstverteidigung und zur Ausübung des Selbstverteidigungsrechts gedacht sind. Ich glaube, das muss man dabei berücksichtigen.

FRAGE: Frau Hoffmann, wann sieht die Bundesregierung den Krieg in der Ukraine als beendet an? Dieser Satz „Die Ukraine darf nicht verlieren, Russland darf nicht gewinnen“ ist ja sehr vage.

HOFFMANN: Die Bundesregierung geht davon aus, dass es das Recht der Ukraine ist, zu bestimmen, wann sie den Krieg für beendet hält, wann und unter welchen Bedingungen sie in Verhandlungen eintreten will und wann sie der Meinung ist, dass der Krieg beendet ist. Das ist nicht unsere Entscheidung, die wir treffen sollten, sondern das ist die Entscheidung der Ukraine, mit der wir natürlich im engen Austausch sind. Das ist aber eine ukrainische Entscheidung.

ZUSATZFRAGE: Gibt es innerhalb der Bundesregierung oder mit den Partnern Gespräche über Lieferungen von Kampfjets? Noch scheint das eine absolut rote Linie zu sein. Aber früher waren andere Sachen rote Linien, und vielleicht möchte man sich schon einmal vortasten.

HOFFMANN: Der Bundeskanzler hat sich zuletzt am Mittwoch in seiner Regierungsbefragung im Bundestag dazu sehr deutlich geäußert und hat darauf verwiesen, dass er sehr früh klargestellt hat, dass es nicht um Kampfjets geht. Bei dieser Haltung bleibt es auch.

FRAGE: Herr Wagner, das Auswärtige Amt legt traditionell ja sehr großen Wert auf präzise und genaue Sprache. Das englische Original dieses Satzes lautete: “We are fighting a war against Russia and not against each other”. “We are fighting a war” - wir führen einen Krieg. Wie kann man einen Krieg führen und gleichzeitig erklären, man sei nicht Kriegspartei? Können Sie mir das sprachlich, inhaltlich erklären?

WAGNER: Ich habe ja schon gesagt, dass diese Äußerung im Kontext einer längeren Unterhaltung zu dem Thema gefallen ist, wie wir die Ukraine unterstützen. Die Außenministerin wurde bei dieser Veranstaltung nicht explizit gefragt, ob wir im Krieg gegen die Ukraine sind. Insofern muss das, was sie da gesagt hat, so verstanden werden, wie ich es eben schon eingeordnet hatte. Es war eine längere Ausführung dazu, wie wir gemeinsam als EU, G7 und NATO in Bezug auf unsere Unterstützung der Ukraine stehen.

ZUSATZFRAGE: Ich habe mir die anderthalbstündige Aufzeichnung sowohl ihrer Rede als auch der Debatte sehr wohl angehört. Bedauert die Außenministerin, dass sie sich in einer Art und Weise geäußert hat, die als herausgeschnittener einzelner Satz geeignet ist, dieses Narrativ zu erzeugen, das jetzt zum Beispiel von der russischen Seite als Kriegserklärung benutzt wird? Es wird ja nicht besser durch das, was Sie gerade gesagt haben. Sie ist nicht gefragt worden, ob Deutschland im Krieg mit der Ukraine sei, sondern sie hat es von sich aus ungefragt gesagt. Das macht die Sache ja nicht besser.

WAGNER: Wer hier eskaliert, ist Russland – nicht nur durch seine Taten, gestern wieder mit großen Raketenangriffen, sondern über das letzte Jahr hinaus auch immer wieder rhetorisch. Ich kann dem, was ich jetzt gesagt habe, nichts hinzufügen.

Noch einmal: Wenn Sie mich danach fragen, ob es die Intention der Außenministerin war, den Fokus in der Debatte so zu legen, wie er jetzt in Teilen bei Social Media mit eben diesem „snippel“ geführt wird, kann ich sagen: Eines der Ziele, die die russische Regierung verfolgt, ist das Ziel, uns in der EU und unter den NATO-Partnern zu spalten. Sicherlich war ihr Fokus, noch einmal zu unterstreichen, dass wir dem entschlossen in unserer Unterstützung für die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung gegen den russischen Angriffskrieg entgegenstehen müssen.

FRAGE: Frau Hoffmann, Herr Haufe, es gibt Gespräche zwischen der ukrainischen Regierung und Estland über die Lieferung von Streumunition, die in estnischen Beständen ist und ursprünglich von der deutschen Firma Rheinmetall kommt. Liegt dem BMWK schon ein Antrag der estnischen Regierung vor, um diesen Reexport von Cluster-Munitions zu genehmigen?

Frau Hoffmann, Deutschland ist der Konvention zum Verbot dieser Waffen beigetreten ist. Wäre es rechtlich überhaupt möglich, das zu genehmigen? Estland scheint ja dieser Konvention nicht beigetreten zu sein. ‑ Danke.

HAUFE: Sie zitieren Medienberichte, die wir natürlich auch gehört und zur Kenntnis genommen haben. Ich würde das als eine angeblich beabsichtigte Lieferung bezeichnen. Dazu liegen uns auch keine Informationen vor.

Ich kann Ihnen also nur sagen, wie so etwas grundsätzlich gehandhabt werden würde. Wenn so ein Antrag käme, gäben wir über solche Rüstungsexportverfahren keine direkte Auskunft. Das betrifft auch Reexporte von Rüstungsgütern, insbesondere auch, weil unsere Partner bei solchen Anfragen eben eine gewisse vertrauliche Behandlung erwarten.

Grundsätzlich zur Streumunition folgender Hinweis, und der ist eigentlich sehr entscheidend: Der Umgang mit Streumunition ist an das Übereinkommen über Streumunition, das sogenannte Oslo-Übereinkommen, nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz gebunden, und der Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, der Erwerb, die Lagerung und die Weitergabe von Streumunition sind demnach verboten.

HOFFMANN: Ich denke, das beantwortet im Grunde auch schon die zweite Frage. Soweit ich weiß, hat sich auch eine Sprecherin des BMWK schon dazu geäußert.

FRAGE: Herr Wagner, ich probiere es noch einmal. Wenn „Deutschland ist keine Kriegsparteien“ Tatsache ist, dann ist der Satz, dass wir einen Krieg gegen Russland kämpfen, nicht falsch, sagen Sie hier. Das ist Ihr Ernst?

WAGNER: Die Außenministerin und viele andere Mitglieder der Bundesregierung haben immer wieder sehr ausdrücklich klargemacht, dass, wenn wir die Ukraine in ihrem Selbstverteidigungsrecht unterstützen, wir nicht nach dem humanitären Völkerrecht zu einer Kriegspartei werden. Das steht und gilt.

ZUSATZ: Das ist klar, und das ist auch Tatsache. Aber Tatsache ist auch, dass sie als oberste Diplomatin dieses Landes diesen Satz gesagt hat, einen Satz, der für die Russen jetzt als Propagandagrundlage taugt. Da wäre es doch von Vorteil, wenn man diesen Satz hier klarstellen und gegebenenfalls sagen würde, dass das unglücklich formuliert oder falsch formuliert war, anstatt, wie Sie es jetzt tun, so zu tun, als ob beides irgendwie stimmte, weil Sie sich nicht davon distanzieren.

WAGNER: Die russische Propaganda nimmt immer wieder Äußerungen, Sätze, Haltungen und Positionen der Bundesregierung und unserer Partner und dreht sie so, dass es ihrem Ziel dient. Darauf jetzt hier einzugehen, ist meines Erachtens nicht sachgemäß.

FRAGE: Herr Haufe, liegen dem Ministerium denn mittlerweile weitere Anträge von Partnerländern zur Weitergabe der Leopard-Panzer vor?

HAUFE: Ich habe darüber keine Angaben. Darüber informieren wir ja auch jetzt nicht an dieser Stelle. Grundsätzlich ist es so, dass wir ja im Ressortkreis über die Lieferung von Waffen entscheiden. Ich habe hier jetzt keinen Hinweis auf einen neuen Antrag.

ZUSATZFRAGE: Aber ist es schon so, dass die von den Partnern dann quasi einzeln beantragt werden müssen, oder gibt es da jetzt so etwas wie einen Blankoscheck?

HAUFE: Nein. Das wird beantragt. Dafür gibt es ja ein festes Verfahren.

Vorgehen der indischen Regierung gegen eine Fernseh­dokumentation über Premierminister Modi

FRAGE: Herr Wagner, die indische Regierung versucht gerade mit aller Wucht einen Dokumentarfilm der BBC über Narendra Modi zu verbieten. Sie hat Social-Media-Plattformen gezwungen, den Film herunterzunehmen, und hat Vorführungen an Universitäten durch die Polizei verhindert. Es gab gestern Festnahmen in Neu-Delhi. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

WAGNER (AA): Indien hatte ja gestern den Tag der Republik, an dem die indische Verfassung gefeiert wird, und in dieser Verfassung sind ja grundlegende Menschen- und Freiheitsrechte verbrieft. Die teilen wir im Übrigen mit unserem Partner Indien. Zu diesen gemeinsamen Werten zählt eben auch die Presse- und Meinungsfreiheit, für die sich die Bundesregierung ja überall auf der Welt einsetzt und die wir natürlich auch immer wieder mit Indien in Gesprächen thematisieren.

ZUSATZFRAGE: Hier in Deutschland beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau im letzten Jahr hat Indien ein Statement zu “resilient democracies” unterschrieben und gesagt “protecting the freedom of expression and opinion online and offline and insuring a free and independent media landscape”, also sich dazu verpflichtet. Sehen Sie hierin also einen Bruch mit dieser Verpflichtung?

WAGNER: Ich habe ja eben schon gesagt, dass wir mit Indien die grundlegenden Werte teilen ‑ dazu gehört eben auch die Presse- und Meinungsfreiheit ‑ und dass das etwas ist, für das wir uns weltweit einsetzen, eben auch in Gesprächen mit unseren Partnern in Indien.

FRAGE: Waren der Bundesregierung oder dem Auswärtigen Amt die Rolle von Herrn Modi beim Gujarat-Pogrom bekannt? Ist Ihnen das bekannt?

WAGNER: Ich glaube, es heißt „Gudscharad“, aber uns ist sozusagen diese Diskussion, die ja in Indien auch geführt wird und die meines Wissens auch schon Gegenstand von juristischen Verfahren war, natürlich bekannt, klar.

ZUSATZFRAGE: Auch, dass er da für Gewalt mitverantwortlich ist? Das wird ja von einigen auch als Genozid bezeichnet.

WAGNER: Das ist ja gerade die Frage, die da debattiert wird und die, wie ich auch schon sagte, auch schon Teil juristischer Vorgänge in Indien war.

FRAGE: Herr Wagner, können Sie sagen, ob die deutsche Vertretung in Indien oder die EU als Ganzes dort im Zusammenhang mit diesem Film irgendwie mit der Regierung in Kontakt getreten sind, um die Meinungs- und Pressefreiheit zu thematisieren?

WAGNER: Spezifika habe ich jetzt nicht vorliegen, aber ich habe ja eben schon gesagt, dass wir dieses Thema, das uns ja als Bundesregierung sehr wichtig ist, immer wieder in Gespräch mit unseren Partnern und eben auch mit Indien thematisieren.

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