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Rede von Außenminister Heiko Maas beim virtuellen Startup Media Tel Aviv Summit

09.09.2020 - Rede

Letzte Woche habe ich ein Foto gesehen, dass mir keine Ruhe lässt. Es zeigt einen Mann bei einer Demonstration in Berlin, der einen gelben Stern trägt. Einen gelben Stern, wie ihn die Juden zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland tragen mussten. Statt des Worts „Jude“ war auf dem Stern der Schriftzug „ungeimpft“ zu lesen. Das hat mich erschüttert. Diese zynische Aneignung der Schoah ist enorm gefährlich. Damit werden die Grenzen tolerierbarer Meinungsäußerungen bei Weitem überschritten. Und man spielt dadurch denjenigen in die Hände, die sich die Ängste im Zusammenhang mit der Pandemie zunutze machen.

Etwas zu verfälschen kann auch bedeuten, es zu leugnen. Wir müssen wachsam hinsichtlich derartiger Phänomene sein. Sowohl aus ordnungspolitischer Perspektive als auch aus Sicht der Medien. Denn Medien schildern oder kommentieren nicht nur die Realität – sie gestalten sie auch.

Deshalb liegt es in unserer Verantwortung als Politiker, angemessene Maßnahmen und Initiativen zu ergreifen, um die neuen Formen des Antisemitismus zu bekämpfen.

In der International Holocaust Remembrance Alliance haben wir daher eine globale Task Force gegen die Holocaustleugnung und -verfälschung ins Leben gerufen.

Wir haben das deutsche Strafrecht im Hinblick auf Fälle von Holocaustleugnung verschärft. Dadurch können beispielsweise Personen, die in Deutschland leben und derartige Botschaften von Servern aus dem Ausland verbreiten, zur Rechenschaft gezogen werden.

2017 ist in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus in Online-Medien in Kraft getreten. Anfangs gab es durchaus kritische Debatten zu diesem sogenannten Facebook-Gesetz. Doch die Jahre seit der Inkraftsetzung 2017 haben gezeigt, dass wir Recht hatten. Jetzt werden die Vorschriften noch einmal verschärft.

Ich möchte auch auf einige Maßnahmen der Europäischen Union gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Hetze in Online-Medien hinweisen:

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wollen wir auf ein Europa hinarbeiten, das durch Sicherheit und gemeinsame Werte in der digitalen Welt gekennzeichnet ist. Wir sind fest entschlossen, das Digitale zu demokratisieren und die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaften gegenüber Fehlinformationen im Internet zu stärken. Der Schutz unserer europäischen Grundrechte und unserer zentralen Werte ist nicht nur ein Thema für den Offline-Bereich.

Wir drängen darauf, eine verlässliche und widerstandsfähige europäische Dateninfrastruktur zu schaffen. Wir werden für ein europäisches Rahmenwerk eintreten, mit dem grundlegende Anforderungen im Hinblick auf die Moderation von Inhalten, den Zugang zu Daten und Transparenz durchgesetzt werden. Hierbei ist der Aktionsplan für Demokratie der Europäischen Kommission von großer Bedeutung.

Während unserer EU-Ratspräsidentschaft werden wir eine Bewertung von Strukturen und Instrumenten zur Bekämpfung von Antisemitismus durchführen. Wir wollen die Grundlagen für eine gemeinsame europäische Strategie schaffen.

Meine Damen und Herren,

gerade in Krisenzeiten wie dieser ist unsere vielfältige Medienlandschaft von noch größerer Bedeutung. Sie halten Gesellschaft und Politik einen Spiegel vor. Und Sie tragen mit dafür Verantwortung, die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind– insbesondere durch rechtsextremen Antisemitismus – ganz klar zu benennen.

Meine Damen und Herren,

neben ordnungspolitischen Maßnahmen und der Verantwortung der Medien sind es auch die Begegnungen im echten Leben, die wir hierfür brauchen.

Aus diesem Grund unterstützen mein Amtskollege Gabriel Ashkenazi und ich den deutsch-israelischen Jugendaustausch. Brücken zu bauen zwischen jungen Menschen verhindert die Ausbreitung von Hass und Rassismus. Dies ist die Grundlage für gegenseitiges Verständnis in pluralistischen Gesellschaften wie den unseren.

Und es ist die Grundlage für gemeinsame Ideen und eine gemeinsame Zukunft. Ich begrüße die Initiative des heutigen Treffens: Wir brauchen eine Start-up-Mentalität für unsere Beziehungen – und wir brauchen Menschen, die sich vernetzen und zusammenarbeiten, um unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten!

[Die Rede wurde in englischer Sprache gehalten]

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