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„Die Russen brauchen uns, und wir haben unsere Bedingungen dafür klar definiert.“

08.09.2018 - Interview

Außenminister Heiko Maas im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen über seinen Besuch in Ankara, den Krieg in Syrien, die Zukunft der EU und das Vakuum, dass die USA hinterlassen.

Herr Minister, wer macht Ihnen momentan am meisten Sorgen? Donald Trump, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan oder Teresa May?

Im Moment machen uns viele Sorgen. Am meisten beschäftigt mich in diesen Tagen die Zukunft der Menschen in Syrien, und da ist Russland ein gewichtiger Faktor, aber auch die Türkei kann eine Rolle spielen. Die Politik des amerikanischen Präsidenten bleibt leider eine Dauerbeschäftigung, wie man an den täglichen Querelen im Weißen Haus sieht. Schließlich ist auch der Brexit ein großes Thema, bei dem nun die Entscheidung fällt, ob der Austritt der Briten mit oder ohne ein Abkommen stattfindet.

Sie waren gerade in Ankara: Wie ernsthaft bewerten Sie den Versuch der Türkei, sich Europa wieder anzunähern?

Die Türkei hat ein Interesse daran, dass sich das Verhältnis zur EU normalisiert. Mein Besuch in der Türkei war ein Anfang. Wir müssen mit der Türkei wieder zu einem konstruktiven Austausch kommen, in dem auch kritische Fragen offen angesprochen werden. Es ist in der Türkei bekannt, dass einige Entwicklungen, etwa die Menschenrechtslage und die Haftfälle von Deutschen in der Türkei, uns Sorgen bereiten. All das habe ich intensiv mit Präsident Erdogan und dem türkischen Außenminister besprochen.

Gibt es in Brüssel die Bereitschaft, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei neuen Schwung zu geben?

Allen Mitgliedsstaaten ist klar, dass Ankara für die EU ein wichtiger strategischer Partner ist. Es wird aber auf die Entwicklung in der Türkei ankommen, wie sich Verhältnis zukünftig gestaltet. Im Moment stehen mit der Türkei andere Themen im Vordergrund, etwa Syrien.

Wie würden Sie unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten beschreiben?

Das Verhältnis ist aufgrund von Entscheidungen im Weißen Haus – die Verhängung und Ankündigung von Strafzöllen, der Ausstieg aus dem Nuklearabkommen mit Iran – großen Veränderungen unterzogen. Weil die Vereinigten Staaten, die für uns jahrzehntelang ein verlässlicher Partner waren, jetzt unter Präsident Trump vieles auf den Prüfstand stellen, müssen wir uns auf diese Situation einstellen. Mir geht es darum, die enge Partnerschaft mit den USA zu erhalten. Dafür müssen wir sie aber neu justieren.

Hat die strukturelle Entfremdung zwischen Amerika und Deutschland beziehungsweise Europa nicht schon vor längerer Zeit begonnen? Was ist das Neue?

Der Unterschied besteht vor allem darin, dass wir uns in der Vergangenheit bei Entscheidungen des Weißen Hauses oder des Kongresses eng abgestimmt haben. Das Ergebnis entsprach nicht immer komplett unseren Wünschen, aber es gab einen intensiven Dialog. Heute informiert Präsident Trump über viele Entscheidungen, die im Weißen Haus getroffen werden, nicht selten über Twitter. Wir haben nur eingeschränkte Möglichkeiten, unsere Sichtweise einzubringen, sondern werden mit den Folgen konfrontiert.

Sie haben gesagt, nun müsse ein Gegengewicht zu Amerika gebildet werden. Was bedeutet das im Fall Iran?

Dass wir als Europäer geschlossen bleiben und versuchen, das Atomabkommen auch ohne die Vereinigten Staaten am Leben zu halten. Das ist nicht einfach, weil sanktionsbedrohte Unternehmen das Volumen ihres Irangeschäfts mit dem ihres Amerikageschäfts vergleichen werden und dann für sich betriebswirtschaftliche Entscheidungen treffen. Dennoch gibt es Unternehmen, die ihre Tätigkeit in Iran beibehalten. Deren Investitionen versuchen wir abzusichern. Wir wollen dran arbeiten, Wege für den internationalen Zahlungsverkehr offenzuhalten. Wir schließen uns der Entscheidung der Vereinigten Staaten nicht an, weil das Abkommen für mehr Sicherheit sorgt, auch wenn es nicht perfekt sein mag.

Japan hat angekündigt, es wolle den Kauf iranischen Öls künftig aussetzen. Scheitern Ihre Versuche, den wirtschaftlichen Austausch mit Iran aufrechtzuerhalten nicht schon, bevor sie richtig begonnen haben?

Die Einnahmen aus dem Öl sind das Rückgrat der iranischen Wirtschaft. Der Schutz dieser Einnahmen vor Sanktionen ist für den Iran einer der Gründe, um in dem Abkommen zu bleiben. Das Abkommen verhindert, dass Iran wieder in die Urananreicherung zu militärischen Zwecken einsteigt. Wir müssen alles tun, um das zu vermeiden. Andere Staaten in der Region könnten darin ein großes Konfliktpotential sehen. Ein eskalierender Konflikt mit Iran hätte für uns gravierende Folgen.

Der amerikanische Präsident ist nicht Ursache, sondern eher Symptom der Abwendung Amerikas von der Welt. Kann man angesichts der aufgebrochenen Unterschiede überhaupt noch vom „Westen“ als einer politischen Einheit sprechen?

Ja, davon bin ich fest überzeugt. Der Westen hat ein Wertefundament. Demokratie, Freiheit, Menschenrechte sind die Werte der Vereinigten Staaten, ob der Präsident gerade Donald Trump heißt oder nicht. Es bleibt Aufgabe des Westens, für die Durchsetzung dieser Werte einzutreten; daran hat sich nichts geändert. Im Moment wird im Weißen Haus zuweilen eine schwierige Politik gemacht, aber das macht die Grundlagen nicht obsolet, auf denen der Westen ruht. Im Gegenteil.

Aber dafür müsste man eine gemeinsame Sichtweise beibehalten. Trump sieht Europa aber nicht länger als Partner, sondern als Konkurrenten, gar Gegner.

Ja, er hat Russland, China und die Europäische Union als Gegner bezeichnet. Doch wir dürfen nicht den Fehler machen, die Vereinigten Staaten mit Trump gleichzusetzen. Einige Veränderungen in der amerikanischen Politik sind struktureller Natur. Es reicht nicht, zu glauben, man könne Trump einfach aussitzen und hoffen, danach werde es dann so, wie es zuvor gewesen ist. Deswegen mache ich mir ja Gedanken über eine balancierte Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten und wir stellen uns in Europa die Frage, wo wir das Vakuum füllen, was die Amerikaner hinterlassen haben.

Wo gibt es ein solches Vakuum?

Zum Beispiel beim Handel. Dass der Präsident der Vereinigten Staaten nicht mehr auf freien Handel setzt, sondern auf Protektionismus, ist offensichtlich. Damit müssen wir europäisch geschlossen umgehen, und das ist bisher ja auch gelungen.

Was ist mit der Sicherheitspolitik?

Die Politik des “America first” läuft darauf hinaus, dass die Vereinigten Staaten als internationaler Ordnungsfaktor nicht mehr die Rolle spielen werden wie früher. Auch darauf müssen wir als Europäer eine Antwort haben. Es gibt in der EU den Willen zu engerer Kooperation in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik; es gibt den Vorschlag einer Interventionsinitiative, dem sich mittlerweile viele angeschlossen haben. Wir müssen unsere Verteidigungsanstrengungen in Europa besser koordinieren. Insgesamt liegt für Europa darin eine Chance, denn wir haben die Fähigkeit, militärische Mittel mit zivilen Fähigkeiten zur Konfliktlösung zu verbinden.

Ist das nicht ein Vehikel, um Ihrer eigenen Partei beizubringen, dass die Verteidigungsausgaben tatsächlich auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen müssen, also in die Richtung von 60 Milliarden Euro, wie es die Bundeskanzlerin auf dem jüngsten Nato-Gipfel zugesagt hat, wie es sich aber noch nicht in der Finanzplanung des sozialdemokratischen Finanzministers Scholz widerspiegelt?

Es geht darum, wie wir uns auf eine veränderte Weltlage einstellen. Die Frage, wie wir für unsere eigene Sicherheit sorgen, stellt sich gesamtgesellschaftlich. Darüber brauchen wir eine Debatte. Bei der Bundeswehr geht es in erster Linie nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung, die instand gesetzt werden muss. Und natürlich ist unser ziviles Engagement mindestens genauso wichtig.

Zentraler Bestandteil der Sicherheitspolitik ist die nukleare Sicherheitsgarantie Amerikas für die europäischen Verbündeten. Ist es nach den Äußerungen des amerikanischen Präsidenten über die Nato nicht zwingend, über eine eigene europäische nukleare Abschreckungskomponente nachzudenken?

Nein. Aber klar ist: Nukleare Abschreckung bleibt für die NATO notwendig, solange es Nuklearwaffen gibt und die Lage so ist wie sie ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir das Thema Abrüstung wieder auf die internationale Tagesordnung bringen. Russland steht im Verdacht, gegen den INF-Vertrag zu verstoßen, der die Zahl der Mittelstrecken-Raketen begrenzt. Es gibt dazu gegenseitige Vorwürfe von Russland und den USA. Da brauchen wir dringend wieder einen echten Dialog, um diese Abmachung zu erhalten. Wir verfolgen die weltweite Abrüstung als politisches Ziel und nicht neue nukleare Rüstung.

Auch in Syrien hat der Rückzug Amerikas ein Vakuum hinterlassen. Doch die Europäer haben es nicht zu füllen vermocht.

Dass in Syrien nicht gelungen ist, humanitäre Katastrophen zu verhindern, ist bitter. Wir arbeiten diplomatisch im Moment hart dafür, dass es in Idlib nicht zu einer neuen großen Katastrophe kommt.

Diese Lage in Syrien hat zur größten innenpolitische Krise in Deutschland beigetragen, der Flüchtlingskrise.

Richtig ist, dass die Staatengemeinschaft einen seit über sieben Jahren tobenden Krieg nicht zu einer politischen Lösung bringen konnte. Das hat vielschichtige Gründe bei vielen Akteuren. Wir engagieren uns maßgeblich bei der humanitären Hilfe für Syrien. Jetzt wird es darum gehen, die Aufspaltungen – einerseits Russen, Iraner, Türken, andererseits Amerika, Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie Saudi-Arabien und Jordanien – unter dem Dach der UN wieder zusammenzuführen. Dass das bisher nicht gelungen ist, ist eines der größten Versäumnisse internationaler Politik im letzten Jahrzehnt.

Wer trägt dafür die Hauptverantwortung?

Die Verantwortung für das Leid der Menschen tragen zunächst einmal diejenigen, die vor Ort diesen Krieg geführt haben. Wir stehen aktuell vor einer entscheidenden Weichenstellung in der Region Idlib, wo sich mittlerweile mehr als drei Millionen Menschen aufhalten. Momentan laufen alle Drähte heiß, um zu verhindern, dass es dort zu einem schrecklichen Blutbad kommt.

Haben Sie den Eindruck, dass Russland mäßigend auf das Assad-Regime einwirkt?

Die Äußerungen des russischen Außenministers Lawrow sind relativ eindeutig: Russland beteiligt sich an militärischen Schlägen. Dass es in Idlib noch nicht zu einer großen Offensive gekommen ist, hängt vor allem daran, dass es zwischen Russland und der Türkei noch nicht zu einer Verständigung gekommen ist.

Oft heißt es, ohne Russland seien zahlreiche Krisen nicht zu lösen. Tatsächlich hat Moskau Krisen erst herbeigeführt oder verschärft. Der Westen hat darauf noch keine Antwort gefunden.

In Syrien wäre der Krieg vermutlich schon lange zu Ende, wenn die Russen und andere darauf hingearbeitet hätten.

Das wäre auch im Osten der Ukraine so.

Genau. In beiden Fällen ist die Konsequenz, dass es keine Lösung geben wird, wenn Russland sich nicht beteiligt. Deswegen ist Deutschland ja beim Ukraine- als auch Syrien-Konflikt an vorderer Stelle engagiert. Wir versuchen in beiden Fällen, durch Diplomatie etwas zu erreichen.

Das Interesse, das die Russen an einem deutschen Engagement in Syrien haben, richtet sich auf finanzielle Beiträge beim Wiederaufbau. Was sind denn die Mindestforderungen an eine syrische Nachkriegsordnung, bevor über Geld geredet wird?

Es muss einen glaubhaften politischen Prozess geben, an dem sich alle Syrer beteiligen können. Der humanitäre Zugang muss überall in Syrien gewährleistet werden. Wir wollen eine politische Lösung, bei der viele Menschen, die aus Syrien geflohen sind, eine Perspektive sehen, um in ihr Heimatland zurückzukehren.

Was ist der Preis, den Russland fordert, um konstruktiv an Konfliktlösungen in Syrien oder der Ukraine mitzuwirken?

Russland hat ein großes Interesse daran, dass der Westen am Wiederaufbau Syriens mitwirkt. Weder Russland noch Iran, noch die Türkei werden dieses Land allein wieder aufbauen wollen. Das wird eine internationale Kraftanstrengung werden, zu der Deutschland beizutragen bereit ist. Russland hat kein Interesse an einem ewigen Krieg in Syrien. Eine Stabilisierung kann es aber nur mit dem Wiederaufbau, mit der Rückkehr von Millionen Flüchtlingen und mit einem stabilen politischen System in Syrien geben, mit dem sich auch die Syrer wieder anfreunden können, die das Land als Flüchtlinge verlassen haben. Die Russen brauchen uns, und wir haben unsere Bedingungen dafür klar definiert.

Es gibt Konflikte, die geografisch noch näher an Russland sind, jene „eingefrorenen Konflikte“, die Moskau jederzeit wieder auftauen kann, wenn es dort durch Unruhe seinen Einfluss sichern möchte. Warum sollte das in Syrien anders sein?

Weil Russland kein Interesse daran haben kann, dass es überall Instabilität gibt.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, Russland definiere sich im Gegensatz zum Westen. Sehen Sie denn nach dem jüngsten Putin-Besuch Anzeichen für einen „Reset“ in den deutsch-russischen Beziehungen?

Im Moment versuchen wir und unsere Partner alles, um auf Russland einzuwirken, weitere Militärschläge in Idlib zu unterlassen. Dafür brauchen wir den Dialog mit Russland. Wir haben neue Vereinbarungen getroffen, etwa einen bilateralen Dialog über Sicherheitsfragen. Es wird ein deutsch-russisches Kooperationsjahr für Hochschulen und Wissenschaft geben. Man muss beides tun: Man muss mit Russland im Gespräch sein, aber man muss auch klare Ansagen machen. Das ist gerade jetzt im Syrien-Konflikt der Fall, weil wir eine große Offensive auf Idlib in keinster Weise für vertretbar halten.

Wie stark wird der Austritt Großbritanniens aus der EU das außenpolitische Gewicht Europas schwächen?

Ich glaube nicht, dass er es wesentlich schwächen wird. Wir sind jetzt dabei, mit Großbritannien für die Zeit nach dem Austritt gemeinsame außenpolitische Leitlinien zu erarbeiten. Wir werden auch künftig die Außenpolitik mit Großbritannien eng abstimmen.

Neulich war EU-Chefunterhändler Barnier in Berlin. Was überwiegt: Optimismus oder Pessimismus?

Wir haben kein Interesse daran, dass es zu einem harten Brexit kommt. Aber auszuschließen ist das leider nicht. Wir wollen auch nicht, dass es zu einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland kommt.

Nicht alle, die mit Europa hadern, wollen wie die Briten aus der EU austreten. Aber es gibt auch in anderen EU-Staaten Tendenzen, die Integration umzukehren. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Angesichts des außen und sicherheitspolitischen Vakuums, das die Vereinigten Staaten hinterlassen, kommen auf Europa mehr Herausforderungen zu. Wir müssen also alles daran setzen, die EU zusammenzuhalten. Das gilt auch für diejenigen EU-Mitglieder, mit denen es im Moment Auseinandersetzungen gibt, für Ungarn, Italien oder Polen. Wir werden die Herausforderungen nur schultern können, in der Handelspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Außen- und Sicherheitspolitik, wenn wir zusammenbleiben. Wir müssen auch mit den mittel- und osteuropäischen Staaten Lösungen finden, die nicht darauf hinauslaufen, dass die Union in ihrer Gänze bedroht wird.

In der Migrationspolitik hat sich die Idee, dass die EU am deutschen Wesen genesen soll, nicht als erfolgreich herausgestellt.

Eine solche Idee wäre das Gegenteil von dem, was wir brauchen.

Die Entscheidung der deutschen Kanzlerin vor drei Jahren, die Grenzen offen zu lassen und die zu uns gelangten Flüchtlinge auf die ganze EU zu verteilen, hat viel Widerstand in der EU erzeugt.

Es gibt Staaten in der europäischen Union, die bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Ich glaube, dass wir in absehbarer Zeit eine Lösung brauchen. Realistisch betrachtet werden nicht alle Mitgliedstaaten sich an einem Verteilungsmechanismus beteiligen. Diejenigen, die es nicht tun, die müssen an anderer Stelle Verantwortung übernehmen: etwa bei der Bekämpfung der Fluchtursachen, bei EU-Projekten in Afrika.

Nach der Wahl Macrons in Frankreich haben viele aufgeatmet und gesagt, jetzt ist die Welle des rechten Populismus und Nationalismus gebrochen. Das ist aber nicht so. Was soll die Politik tun gegen nationalistische, populistische Aufwallungen, die es überall in europäischen Ländern gibt?

Zunächst: Es ist nicht überall so.

Dass in den europäischen Gesellschaften fast überall eine ungeheure Unruhe herrscht, ist doch nicht zu bestreiten.

Ja, in der EU gibt es diese Entwicklung. Aber das, was von den Populisten vertreten wird, ist nicht geeignet, die großen Herausforderungen zu bewältigen. Dass wir durch eine Rückkehr zum Nationalismus die Probleme lösen ist eine Fehlannahme.

Aber warum dringen vernünftige Argumente vernünftiger Leute immer weniger durch? Deutschland geht es gut wie nie, und dennoch gibt es ein Maß an Wut, das mit den äußeren Verhältnissen nicht erklärt werden kann.

Meine Aufgabe besteht darin, einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Entwicklung nicht weiter voranschreitet. Ich glaube, die beste Möglichkeit ist, erfolgreich zu sein in dem, was wir tun. Politiker sollten nicht dazu neigen, den Menschen zu erklären, welche Probleme sie haben, sondern diese lösen.

Sie haben kürzlich vom diskursiven Wachkoma gesprochen, was genau haben Sie hier gemeint?

Wir haben uns in Deutschland in den letzten Jahren sehr stark mit rein materiellen Fragen auseinandergesetzt. Das ist wichtiger Bestandteil unseres Wohlergehens. Aber wir haben uns zu wenig um die Werte gekümmert, die das Leben hier lebenswert machen. Zu viele glauben, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat seien pure Selbstverständlichkeiten. Sind sie aber nicht. Die Werte, die unser Leben lebenswert machen und die Freiheiten, die wir genießen, bleiben nicht von allein, sondern wir müssen für sie gemeinsam eintreten.

Interview: Klaus-Dieter Frankenberger, Berthold Köhler und Johannes Leithäuser.

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