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Außenminister Heiko Maas im Interview mit dem baltischen Online-Portal DELFI

20.11.2019 - Interview

Aus Anlass des heutigen Treffens der NATO-Außenminister in Brüssel sprach Heiko Maas mit dem auf estisch, lettisch und litauisch erscheinenden Onlineportal DELFI.

Wie würden Sie die gegenwärtige Rolle der NATO im internationalen System beschreiben? Wie stark ist sie?

Die NATO ist die erfolgreichste Verteidigungsallianz der Geschichte. Sie garantiert seit 70 Jahren die euroatlantische Sicherheit und wird das auch weiterhin leisten. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland hat die NATO sich rasch auf ein verändertes internationales Sicherheitsumfeld eingestellt: Mit mehr Präsenz im Osten, einer schnelleren Einsatzbereitschaft, einer neuen Kommandostruktur und neuen Ansätzen im Cyberbereich. Es ist richtig, dass wir in den letzten Monaten Belastungsproben erlebt haben und die Herausforderungen in der Sicherheitspolitik heute andere sind als noch vor zehn Jahren. Aber wir sind alle gemeinsam gefordert, für den Zusammenhalt der NATO zu sorgen und das Bündnis strategisch weiterzuentwickeln.

Wird Deutschland Ihrer Meinung nach von der NATO gedrängt, die 2%‑Zusage einzulösen? Wann könnte Deutschland die 2%-Marke erreichen?

Deutschland steht zu seinen Verpflichtungen in der NATO. Wir haben uns klar dazu bekannt, den Trend sinkender Verteidigungsausgaben umzukehren und mehr zu investieren und wir halten Wort. Seit 2014 haben wir unsere Verteidigungsausgaben nach NATO‑Kriterien um 45 Prozent erhöht – kein Alliierter auf dem europäischen Kontinent gibt mehr aus. Wir stehen zu unseren Zusagen, und das beweisen wir im Bündnis jeden Tag: Wir sind der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan, wir entsenden seit 2017 ein deutsches Bataillon nach Litauen, unsere Eurofighter fliegen regelmäßig als Teil des “Air Policing” in Estland, wir haben 2019 erneut die Führung der Speerspitze VJTF übernommen und wir bauen in Ulm ein neues NATO-Hauptquartier auf. Das sind alles ganz konkrete Beiträge zur Stärkung der NATO. Auf Deutschland ist Verlass.

Sie haben bereits Ihre Besorgnis über die Äußerungen von Emmanuel Macron (betreffend den „Hirntod“ der NATO) zum Ausdruck gebracht. Welche Signale sendet Macron damit an die anderen NATO-Staaten? Was wird Deutschland signalisiert?

Seit 70 Jahren garantiert die NATO Frieden und Sicherheit in Europa. Uns ist klar: Unsere amerikanischen Freunde leisten dazu einen erheblichen Beitrag. Und gleichzeitig muss Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen. Deshalb war es richtig, dass wir die europäische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik gezielt verstärken. Nicht um die NATO zu ersetzen, sondern um den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken und damit die NATO insgesamt. Unsere Nachbarn in Polen und im Baltikum können sich darauf verlassen, dass wir ihre Sicherheitsbedürfnisse so ernst nehmen wie unsere eigenen.

Welche Wirkung (wenn überhaupt) hat der Einmarsch der Türkei in Nordost-Syrien auf die aktuelle Stimmung in der NATO und ihren Zustand?

Natürlich ist die Situation in Nordsyrien ein Thema, das uns umtreibt und mit dem wir uns intensiv auseinandersetzen. Deswegen ist es gut, dass wir jetzt mit den Außenministern der NATO zusammenkommen. Es ist immer besser miteinander zu sprechen als übereinander. Denn trotz der Differenzen, die wir derzeit mit Ankara haben, ist klar: Es ist in unserem Interesse, dass die Türkei als zentraler Partner, auch in der Nato, sich nicht von Europa entfernt.

Der Senat der Vereinigten Staaten steht möglicherweise kurz vor der Verhängung von Sanktionen, um das Projekt „Nord Stream 2“ zu verhindern. Die Baltischen Staaten, Polen und die Ukraine befürchten, es könnte nicht wirtschaftlich, sondern geopolitisch motiviert sein. Warum wurden/werden diese Sorgen nicht ernst genommen? Glauben Sie, dass Deutschland noch von „Nord Stream 2“ Abstand nehmen könnte? In den Baltischen Staaten ist dies eine Frage der sicherheits- und geopolitischen Stabilität, deshalb interessiert uns Ihre Meinung hierzu.

Wir stehen über geostrategische Fragen und Fragen der Sicherheitspolitik im ständigen Austausch mit unseren baltischen Freunden, genauso wie mit unseren Partnern in Polen und der Ukraine. Wir haben keinerlei Zweifel daran gelassen, dass die Sicherheit dieser Länder für uns nicht verhandelbar ist. Was Nord Stream 2 betrifft, so nehmen wir die Bedenken, die wir von unseren Partnern hören, sehr ernst. Genau deswegen setzt sich die Bundesregierung ja auch mit Nachdruck dafür ein, dass der Gastransit durch die Ukraine zusätzlich zu Nord Stream 2 bestehen bleibt.

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