Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Rede von Außenminister Johann Wadephul zur Eröffnung der Konferenz der Leiterinnen und Leiter deutscher Auslandsvertretungen
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Moin, herzlich willkommen zu dieser BoKo,
in dieser herausfordernden Welt sind es Ihre Beobachtungen, die meine tägliche Arbeit ermöglichen.
Sie sind die Augen und Ohren Deutschlands in der Welt. Sie sehen genau hin. Sie hören genau zu.
Sie, um es mal mit dem Historiker Karl Schlögel zu sagen: Sie verstehen die Räume unserer Welt, in denen Geschichte geschrieben wird.
Karl Schlögel wird in diesem Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Wenige andere deutsche Intellektuelle haben so unbeirrt vor dem russischen Großmachtstreben unter Wladimir Putin gewarnt wie er.
Karl Schlögel verlässt sich nicht nur auf Berichte und Bücher. Er fährt selbst in die Region. Um sich ein Bild zu machen, zu beobachten, die Stimmung vor Ort, das, was tatsächlich passiert. Erst dann sind wir handlungsfähig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich glaube, genau das ist das Herzstück unserer Arbeit, das Handwerk der Diplomatie: Sich selbst ein Bild zu machen. Nicht in der Abstraktion, sondern in der geduldigen Arbeit vor Ort. Im persönlichen Gespräch. Zwischen den Zeilen lesen. Atmosphären einschätzen, verschiedene Perspektiven einnehmen.
Diplomatie lebt vom Da-Sein und vom Dabei-Sein. Gerade in der Lage, in der wir uns befinden: Jahrzehntealte Gewissheiten haben sich aufgelöst. Unser transatlantisches Verhältnis befindet sich im Wandel.
Wir erleben einen Krieg in Europa. Russland attackiert unsere Sicherheitsordnung. Und: Russland wird sein aggressives Verhalten fortsetzen und noch stärker gegen uns richten – wenn wir es nicht davon abhalten.
Ich möchte klar sein: In der Ukraine entscheidet sich die Zukunft Europas. Dort wird sich zeigen, ob auf dem europäischen Kontinent Grenzen mit Gewalt verschoben werden können. Ich bin froh, dass Präsident Trump den Versuch unternimmt, das Sterben in der Ukraine zu beenden.
Und zugleich müssen wir drei Wochen nach dem Alaska-Gipfel feststellen, dass Russland jede Ausflucht nutzt, um seinen Krieg weiterzuführen und einem Dreiergipfel aus dem Weg zu gehen.
In dieser Lage will ich auch sagen: Auch wenn heute die Waffen noch nicht schweigen, und wir nicht wissen, wann sie schweigen – natürlich wird Deutschland seinen Teil zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine beitragen. Es liegt an uns. Wir müssen viel stärker in die Verantwortung für unsere Sicherheit gehen.
Erste Erfolge können wir bereits verzeichnen.
Vor der historischen Entscheidung des NATO-Gipfels in Den Haag ist Deutschland vorangegangen und hat eine Führungsrolle übernommen. Ich habe von Anfang an deutlich gemacht: Das 5-Prozent-Ziel, oder genauer: vor allem das 3,5-Prozent-Ziel, ist ein absolut notwendiger Schritt – und ein diplomatischer Erfolg zugunsten der Stärke und Einheit des Bündnisses. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir in Deutschland unserer Verantwortung gerecht werden.
Internationale Zusagen bleiben aber hohl, wenn sie nicht durch nationale Entscheidungen unterfüttert werden. Durch die Änderungen des Grundgesetzes im Frühjahr konnten wir, als Koalition gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen in diesem Land, die Grundlage schaffen, um unser sicherheitspolitisches Fundament zu festigen. Auch das war kein Selbstläufer.
Und nun erleben dieses Jahr eine Sondersituation: zwei Haushalte, die wir im Bundestag quasi gleichzeitig verabschieden müssen. Aber egal, ob es nun um den Haushalt 25, 26 oder – darüber wird ja schon jetzt gesprochen – 2027 geht:
Sie können sich drauf verlassen, dass ich deutlich machen werde, dass selbst Verantwortung übernehmen Geld kostet. Nicht nur in der Verteidigung – sondern auch in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Denn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nicht der einzige Krisenherd, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Wir erleben vielmehr eine Gleichzeitigkeit von Großkonflikten. Ich denke an den Nahen Osten, an Israel, an die schreckliche Lage in Gaza. Noch immer sind etwa 50 Geiseln in den Fängen der Hamas. Und die Lage der hungernden Menschen in Gaza wird von Tag zu Tag unerträglicher.
Ich denke an die katastrophale Lage im Sudan. An die größte humanitäre Krise, die wir derzeit auf der Welt sehen.
Ich denke an die Amtskolleginnen und -kollegen, denen ich Ende des Monats in New York begegnen werde, die fürchten, dass ihre Staaten vollständig dem Klimawandel zum Opfer fallen könnten.
Ich denke aber auch an die großen Trends unserer Zeit.
Die Nachkriegsordnung löst sich auf. Und zugleich spielt sich ein zunehmender Weltmächtekonflikt zwischen unserem Verbündeten USA und der Volksrepublik China ab, und dies nicht etwa nur im pazifischen Raum, sondern so gut wie auf allen Kontinenten, mit Auswirkungen auch bei uns in Europa.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Um in dieser Situation handlungsfähig zu bleiben und unsere Ziele umsetzen zu können, müssen wir fokussieren, konzentrieren und priorisieren.
Und deswegen stehen für mich am Beginn unseres Handelns die deutschen und europäischen Kerninteressen.
Der Dreiklang, der meine außenpolitische Agenda trägt: Sicherheit, Freiheit, Wohlstand.
Diese Kerninteressen stehen unter Druck. Für sie einzutreten, ist gerade darum die zentrale Aufgabe unserer Außenpolitik.
Sicherheit ist heute eine handfeste Frage. Sicherheit entsteht in der heutigen Bedrohungslage aus Abschreckung und Verteidigung, aus Bündnisübungen und Sicherheitsgarantien. Aus Verteidigungsausgaben in Heller und Pfennig und aus gezielten Rüstungskooperationen und -exporten.
Diese Bundesregierung setzt Sicherheitspolitik pragmatisch und mit voller Kraft um:
Sei es der Aufbau der Brigade in Litauen, konkrete Rüstungsprojekte mit Partnern weltweit, der Aufbau eigener Fähigkeiten im Bereich weitreichender Präzisionswaffen – und nicht zuletzt die beginnende Rückkehr zur Wehrpflicht.
Sicherheit bedeutet auch, dass wir unser Gewicht für die Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der regelbasierten globalen Ordnung aufwenden müssen. Allen voran der Vereinten Nationen.
Wir befinden uns in der heißen Phase unserer Kandidatur für den Sicherheitsrat. Deutschland kandidiert erneut für einen nichtständigen Sitz. Manche – gerade außerhalb des Auswärtigen Dienstes – mögen sich fragen: Warum machen wir das überhaupt? Der Sicherheitsrat ist blockiert, dort wird gestritten, nicht entschieden, heißt es. Das Völkerrecht sei schwer angeschlagen, der Multilateralismus am Taumeln.
Ich sage: genau deshalb müssen wir hinein!
Der Sicherheitsrat ist das höchste wirklich globale Gremium für die Sicherheit der Welt, auf das sich die Welt nach einer langen Gewaltgeschichte hat einigen können – und für den noch immer grundsätzlich Konsens und Unterstützung aller besteht.
Deutschland gehört als einer der zentralen Europäischen Gewichte an diesen Tisch.
Weil wir etwas beizutragen haben. Weil wir in dieser Welt Außenpolitik gestalten wollen. Weil wir uns für die Sicherheit aller einsetzen wollen. Und weil dies unserem Interesse entspricht!
Weil es, gerade wenn das Völkerrecht angeschlagen und der Multilateralismus am Taumeln ist, unsere Verantwortung ist, uns dem kraftvoll entgegenzustellen.
Und weil, gerade in einem immer raueren geopolitischen Klima, die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat Zugänge zu Entscheidungen, Formaten und Informationen öffnet. Zugänge, die auch Jahre nach unserer Mitgliedschaft geöffnet bleiben.
Neun Monate vor der Wahl haben wir in zwei Wochen eine konkrete Wegmarke: die Generalversammlung in New York. Ich werde dorthin reisen – und um jede Stimme werben, ja ich werde um jede Stimme kämpfen.
Aber die Kandidatur ist keine Soloshow des Ministers. Sie ist eine Teamaufgabe für uns alle. Jede einzelne Botschaft, jedes Generalkonsulat muss sich fragen: Was kann ich tun, damit die Stimme meines Gastlands für uns ausfällt?
Dazu zählen wir auf jeden von Ihnen. Auf Ihre Kontakte. Auf Ihre Überzeugungsarbeit. Auf Ihr Gespür. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das so sagen darf: Ich nehme Sie dafür in die Pflicht!
Eine der Bedingungen für Sicherheit ist Freiheit.
Freiheit – das bedeutet für uns, dass wir uns nicht zu abhängig machen dürfen.
Wenn wir Seltene Erden fast ausschließlich aus China beziehen, dann haben wir ein Problem. Wenn wir eine kritische Abhängigkeit von einem Staat haben, dessen Wirtschaftsmodell auf unfairen Handelsbedingungen und dem strategischen Streben nach technologischer Dominanz aufbaut, dann ist nicht nur unser Wohlstand bedroht, sondern auch unsere Freiheit.
Wenn wir uns aber nur mit Gleichgesinnten umgeben, ist unsere Welt zwar freundlich und konfliktfrei – aber auch ziemlich klein und ärmer.
Klar ist: EU und NATO sind und bleiben das Fundament unserer Außenpolitik. Und wir werden weiterhin alles tun, um beide Organisationen zu stärken und uns eng mit unseren europäischen und alliierten Partnern abzustimmen.
Dabei stehen für mich Frankreich, Großbritannien, Polen und auch Italien sowie weitere unserer europäischen Partner und selbstverständlich die USA ganz vorne.
Aber das reicht angesichts der weltweiten Herausforderungen nicht mehr aus. Um unsere Freiheit zu bewahren, suchen wir Partnerschaften mit Schlüsselstaaten weltweit. Deswegen bauen wir Brücken zu Staaten und Gesellschaften, die nicht in jedem Punkt unsere Werte teilen. Die ganz anders denken als wir.
Aber in denen wir Partner finden, die bereit sind, mit uns zu arbeiten. Für belastbare und flexible Beziehungen insbesondere zu Schlüsselstaaten mit geopolitischer oder geoökonomischer Gestaltungsmacht.
Und dabei muss uns auch klar sein, dass diese Schlüsselstaaten weder auf uns warten noch irgendwelche Berührungsängste mit denjenigen Staaten haben, die unseren Interessen schaden.
Brücken bauen, Partnerschaften pflegen, ausbauen oder neu knüpfen – das ist Ihre Kernaufgabe, das ist Ihre Kernkompetenz. Da werden Sie zukünftig noch mehr gefordert werden.
Freiheit, das hat Sebastian Haffner, einer der scharfsinnigsten Beobachter deutscher Geschichte, einmal festgestellt: „Freiheit ist nie bequem – aber ohne sie ist alles nichts.“ In dieser Feststellung verdichtet sich, so lese ich das, das Fundament, auf dem unsere Demokratie, unser Gemeinwesen ruht. Und auch unser Diplomatischer Dienst.
Für unser Ziel, unsere Freiheit zu wahren und Menschenrechte in der Welt zu stärken, ist es auch gut, dass es mit Thomas Rachel jetzt erstmals einen Beauftragten für die Religions- und Weltanschauungsfreiheit hier im Amt gibt. Das ist eine Chance für das Auswärtige Amt – weil wir als diplomatischer Dienst natürlich dort mit den Menschen ins Gespräch kommen, wo es um tiefste Glaubenssätze geht. Ich lade Sie deshalb dazu ein, mit ihm und allen Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.
Überhaupt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kontakt mit den Abgepordneten des Deutschen Bundestages ist für mich absolut zentral. Nutzen Sie deswegen unbedingt diese Botschafterkonferenz zum Austausch mit den vielen Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, die diese Tage mit uns verbringen. Ich habe mit Freude festgestellt, dass fast alle Fraktionsvorsitzenden an unseren Diskussionsrunden teilnehmen. Das ist eine herausragende Möglichkeit zum Austausch.
Ich will zurückkehren zum Dreiklang:
Auch Wohlstand ist eine Bedingung für unsere Sicherheit.
Und, das möchte ich deutlich sagen, dazu gehört für mich auch die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen, also nachhaltiger Wohlstand. Diese Bundesregierung hat sich der Gesundung der deutschen Wirtschaft und der Wahrung unseres Wohlstandes als zentralem Ziel verschrieben. Und deswegen darf Wirtschaft kein Spartenthema für den Auswärtigen Dienst sein. Es muss einer unserer Schwerpunkte sein.
Es muss Kernaufgabe unserer Diplomatie sein, der deutschen Wirtschaft im Ausland den Weg zu ebnen. Als Auswärtiges Amt unseren Beitrag für mehr deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit zu leisten.
Wenn ich nach Japan, Indonesien oder Indien reise, dann tue ich das nicht nur, weil die Europäische Union gerade ein Freihandelsabkommen verhandelt, was ich sehr unterstütze und begrüße. Sondern weil klar ist: Unsere Unternehmen brauchen neue Märkte – und Fachkräfte!
Und natürlich ist der EU-Binnenmarkt nicht perfekt. Wir müssen ihn weiter vertiefen. Aber wir haben in ihm nicht nur einen der größten Binnenmärkte der Welt, sondern auch eine rechtsstaatliche Supermacht. Und das macht uns in diesen Zeiten auch zu einem der attraktivsten Märkte für unsere globalen Partner.
Das Ganze hat auch handfeste Aspekte: Ich nehme jetzt regelmäßig Wirtschaftsdelegationen mit auf Reisen. Und ich wünsche mir, dass das Thema „Außenwirtschaftsförderung aus einem Guss“ an allen 225 Auslandsvertretungen mit großem Einsatz vorangebracht wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sicherheit, Freiheit, Wohlstand. Das Was und das Warum unseres Auswärtigen Handelns sind klar – doch entscheidend ist auch das Wie. Wie übersetzen wir diese großen Ziele in tägliches Handeln? Zunächst einmal: indem wir als Bundesregierung zusammen arbeiten.
Heute Nachmittag wird der Bundeskanzler hier als Ehrengast sprechen. Im Übrigen das erste Mal bei einer Botschafterkonferenz seit einem Vierteljahrhundert. Und ich frage mich: Warum eigentlich ist das ein heute quasi ein Novum?
Denn Sie alle wissen am besten: niemand von Ihnen ist im Ausland, um dort das Auswärtige Amt zu repräsentieren. Oder den Außenminister. Sie sind dort, weil sie die Politik der gesamten Bundesregierung repräsentieren. Und diese wird, das wird niemanden überraschen, vom Bundeskanzler geführt.
Und was Sie an den Auslandsvertretungen Tag für Tag tun - als Team Deutschland zu agieren, zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen vom BMWE, dem BMI, aus dem BMZ, mit den Militärattachés, mit den Nachrichtendiensten, mit den AHKs, mit den Kulturmittlern – darin wollen wir hier in Berlin noch besser werden: Mit einer Stimme zu sprechen und gemeinsam zu handeln.
Ein wichtiges Instrument dafür ist der Nationale Sicherheitsrat. Er wird die Schnittstelle sein zwischen Ressorts, Ländern und Diensten. Dort bündeln wir Informationen. Dort koordinieren wir Entscheidungen. Dort entsteht das Fundament, auf dem unsere Politik nach Außen trägt.
Doch ohne das Auswärtige Amt, ohne ihre Expertise, wird dieses Gremium nicht funktionieren. Und deswegen bedeutet so ein Gremium auch keinen Bedeutungsverlust für das Auswärtige Amt, sondern im Gegenteil dass die ganze Expertise und Schlagkraft dieses Hauses richtig zur Geltung kommen können!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir befinden uns in herausfordernden Zeiten. Und deswegen müssen wir unsere Instrumente der Zeit anpassen.
Kommunikation war schon immer ein zentrales Instrument der Diplomatie. Aber die Art, wie Menschen heute kommunizieren, hat sich grundlegend geändert. Wir müssen das aufgreifen. Ich will Ihnen ein Beispiel geben:
Das in den Sozialen Medien meistgeklickte Thema nach dem Gipfel im Weißen Haus Mitte August war der Anzug von Präsident Selenskyj. Das mag uns banal und oberflächlich vorkommen. Aber es zeigt, wie sehr Symbole und Bilder weltweit politische Botschaften transportieren.
Moderner diplomatischer Dienst bedeutet also auch: Wir müssen verstehen, wie Kommunikation wirkt – und auch, wie sie heute nicht mehr wirkt.
Deshalb müssen wir selbst strategisch kommunizieren! Nicht im diplomatischen Elfenbeinturm – sondern da, wo die Leute uns zuhören. Ich ermutige Sie daher: Machen Sie Kommunikation zur Leitungsaufgabe. Wenn Menschen den Eindruck haben, dass sie eine Person kennen, sind sie offener, zuzuhören. Kommunizieren Sie aktiv und mutig! Spannen Sie unsere Netzwerke ein, ob Alumni oder Influencer. Nur so können wir neue Verbündete erreichen. Mit den „Lines to Take“ versuchen wir Ihnen Sprache an die Hand zu geben.
Moderner Auswärtiger Dienst heißt auch: Gleichstellung und Diversität. Das ist keine Frage von Ideologie oder von Labels. Sondern eine von Fairness und von Professionalität.
Deswegen besteht der Auswärtige Dienst heute fast zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern – wenn auch noch unterschiedlich verteilt auf die Laufbahnen und Beschäftigtengruppen. Und natürlich müssen Eignung, Leistung und Befähigung im Mittelpunkt jeder Nachwuchswerbung und Personalentwicklung stehen.
Wir wollen die besten Talente in den Auswärtigen Dienst locken und wir wollen allen in unseren Reihen gleiche Chancen, bestmögliche Entwicklungsmöglichkeiten und vernünftige Arbeitsbedingungen bieten.
Ein drittes Thema ist unsere Hauskultur. Das ist mir wirklich ein Anliegen.
Kürzlich war ich zum Mittagessen in der Kantine. Ich habe jetzt auch so eine Bezahlkarte – und ja, ich weiß, die Dinger sind absolute Mangelware. Wahrscheinlich hatte ich da einen kleinen Vorteil.
Nach dem Essen habe ich noch zufällig noch den Schleswig-Holstein-Stammtisch entdeckt, durfte und konnte dazusetzen und Moin sagen.
Hinterher haben mir viele gesagt, dass sie das ja noch nie erlebt haben, einen Minister in der Kantine. Aber für mich war das ein Stück Alltag, ein Stück Identität dieses Hauses. Zusammenhalt und Austausch über Laufbahnen und Hierarchieebenen hinweg. Sie als Leiterinnen und Leiter möchte ich ermuntern, das ebenso zu tun. Machen Sie mal einen „brown-bag lunch“ in Ihrer Vertretung!
In Kiel nennen wir das ja einfach Fischbrötchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach diesem Grundsatz zu führen, dazu will auch ich einen Beitrag leisten – nicht zuletzt hier bei der Boko. Ich habe mir ein kleines, aber feines eigenes Programm zusammengesucht, um zuzuhören und mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
Und schließlich: Priorisierung und Ergebnisorientierung. Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass Sie draußen in der Welt Ihre Zeit mit Formularen und dem Abfassen standardisierter Berichtslawinen vergeuden, während die eigentliche Arbeit sich womöglich in die Abendstunden oder ins Wochenende verschiebt.
Deshalb sind wir dabei, Bürokratie abzubauen, Abläufe zu vereinfachen und Prozesse zu digitalisieren.
Und ja, dazu gehört auch, dass wir im Leitungsbereich Stellen gekürzt haben. Das hat mich nicht überall beliebt gemacht. Aber ich sage es offen: Ich will die Balance in der Personalverteilung zwischen Zentrale und Ausland neu austarieren und insgesamt das Ausland stärken.
Das wirkt sich natürlich auf den Leitungsbereich wie auf die Zentrale aus.
Genauso wichtig: Wir müssen die Zeit schaffen für das, was wirklich wichtig ist – für politische Analyse, für persönliche Kontakte, für Gestaltung unserer Partnerschaften, für das Nachhalten von Themen – wenn die Delegation aus Deutschland wieder abgereist ist. Alles andere ist zweitrangig.
Das heißt aber auch ganz praktisch – und ich weiß, welches heiße Eisen ich jetzt anfasse –, dass wenn die Kontaktpflege vor Ort in den Auslandsvertretungen für uns an erster Stelle steht, Präsenz und persönliche Begegnungen dem Homeoffice vorzugehen haben.
Entbürokratisieren, Priorisieren und Depriorisieren – das verlangt auf allen Ebenen durchaus auch Mut und das ist auch mit Risiko verbunden. Und das ist eine Führungsaufgabe. Denn nur so können wir die lähmende Prozessorientierung und die Überbürokratisierung überwinden und ins Handeln kommen. Ich möchte Sie dazu ausdrücklich ermutigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich habe am Anfang gesagt: Das Wichtigste in unserem Beruf ist, genau hinzusehen.
Karl Schlögel hat uns gelehrt: Wer verstehen will, muss die Räume aufsuchen, in denen Geschichte geschrieben wird. Das ist Ihr Alltag. Sie sind vor Ort. Sie sammeln die Eindrücke, die kein Bericht, kein Dokument ersetzen kann. Sie geben uns das Fundament, auf dem wir Entscheidungen treffen können.
Ohne Sie, ohne Ihr Handwerk, ohne Ihre Geduld und Ihre Erfahrung, wäre die deutsche Außenpolitik blind und stumm. Deswegen freue ich mich besonders auf die kommenden Tage mit Ihnen allen. Und werde versuchen, soweit der Plenarplan und andere Verpflichtungen es erlauben, in die ein oder andere Praxiswerkstatt zu kommen und mich einzubringen.
Hören, was Sie in der Welt bewegt.
Von Ihnen erfahren, wie wir gemeinsam noch besser werden können. Das ist mein Motto für die nächste Tage.
Auf eine erfolgreiche BoKo 2025!