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Rede von Außenminister Wadephul in der Debatte des Bundestages zum Haushalt 2026

24.09.2025 - Rede

Es passiert einem Außenminister wie mir gelegentlich, dass er gerade erst wieder in Berlin gelandet ist. Ich komme gerade von der UN-Generalversammlung und werde heute auch wieder dorthin zurückkehren, weil sich dort 193 Staaten treffen, um die ganz großen Konflikte dieser Welt in dieser Woche zu beraten. Es geht um Frieden und Sicherheit, um die Bewältigung der globalen Krisen und natürlich um Verantwortung.

Es ist eine gewisse Paradoxie, dass viele Staaten und Länder einerseits die Werte und das, was in der Charta der Vereinten Nationen steht, nicht beachten, zum Teil sogar mit Füßen treten und andere - auch aus der sogenannten westlichen Welt - sich aus ihrer Verantwortung auf internationaler Ebene bedauerlicherweise zurückziehen, aber andererseits am Ende doch alle Wert darauf legen, jetzt in New York dabei zu sein, dort zu sprechen, das Wort zu erheben, in Diskussionen hineinzugehen. Deswegen ist das der richtige Ort auch für die deutsche Bundesregierung, um dort präsent zu sein. Die Kollegin Alabali Radovan und ich waren in den letzten Tagen da; und wir werden die Bundesregierung dort auch weiter vertreten.

Wir haben über die Lage in Gaza gesprochen, über die Geiseln, die jetzt seit 719 Tagen unter menschenunwürdigen Zuständen dort ausharren, über die Hunderttausenden von Menschen in Gaza, die hungern. Ich habe es „die Hölle auf Erden“ genannt. Es ist wirklich ein unerträglicher Zustand dort. Wir haben über die Zweistaatenlösung gesprochen, die aus Sicht der Bundesregierung der einzige Weg ist, auf dem man zu einem friedlichen Zusammenleben von Israelis und Palästinensern in Frieden, Freiheit und Würde gelangen kann.

Daran arbeiten wir; darüber diskutieren wir in dieser Woche sehr intensiv. Ich bin froh, dass wir sehr viele Foren haben, wo sehr konkret gesprochen wird mit der israelischen Seite: Deutschland ist natürlich immer an der Seite Israels, freundschaftlich und mit einer großen Verpflichtung gegenüber Israel. Aber auch mit den Palästinensern, mit der arabischen Welt sind wir im Gespräch, um dafür zu sorgen, dass dieser Konflikt endlich beendet wird, dass wir zur Freilassung der Geiseln kommen und dass auch das Leiden der Menschen in Gaza endlich aufhört. Die Weltgemeinschaft darf dem nicht einfach weiter zusehen.

Wir haben auch sehr intensive Gespräche geführt mit dem Iran, der bedauerlicherweise seit vielen Jahren seine Verpflichtungen aus der Wiener Nuklearvereinbarung missachtet. Wir haben die notwendigen Konsequenzen im E3-Rahmen - das heißt: Großbritannien, die Republik Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland - gezogen und haben den sogenannten Snap-back-Mechanismus ausgelöst, sodass gegen Ende dieser Woche die internationalen Sanktionen wieder eingesetzt werden können.

Für uns ist klar: Iran darf nicht in den Besitz einer Atomwaffe kommen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

Das schulden wir Israel, das schulden wir uns selber, und das schulden wir übrigens auch der gesamten Golfregion. Denn es ist vollkommen klar: Wenn der Iran atomar bewaffnet ist, dann haben wir eine fatale Rüstungsspirale, dann wird es eine atomare Bewaffnungsspirale in der Golfregion geben. Und wir wollen doch daran arbeiten - so sehe ich auch die Verpflichtung Deutschlands -, für weniger Atomwaffen zu sorgen und nicht für mehr.

Deswegen muss der Iran wissen: Wir haben eine klare Position, und wir werden jetzt zu einem Sanktionsregime kommen. Das heißt nicht, dass man danach nicht wieder verhandeln kann. Es ist nicht das Ende der Diplomatie. Und - das sage ich auch ganz prinzipiell - es darf nie ein Ende der Verhandlungen geben, sondern wir müssen immer offen sein für neue Verhandlungen. Deutschland wird auch dazu bereit sein.

Ich habe im UN-Sicherheitsrat diese Woche zur Situation in Estland gesprochen, wo zwölf Minuten lang russische Kampfjets - nicht Drohnen, sondern dieses Mal Kampfjets - geflogen sind. Das ist eine nicht akzeptable Verletzung des Luftraums Estlands und damit des NATO-Gebietes. Wir müssen darauf eine klare Antwort geben. Das haben wir politisch getan; das haben wir auch im NATO-Rat getan. Das ist nicht das erste Mal, sondern das ist, wie besprochen, auch in Polen und in Rumänien geschehen.

Russland muss ganz klar wissen: Wir werden jeden Zentimeter des NATO-Territoriums gemeinsam und solidarisch verteidigen. Wir stehen an der Seite der Esten; wir stehen an der Seite der Balten; wir stehen an der Seite Polens, Rumäniens und aller unserer osteuropäischen Nachbarländer, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In New York sprechen wir nicht nur über Krisen, die tagtäglich die Schlagzeilen bestimmen, sondern wir sprechen auch über die Krisen, die nicht so stark in unserem Bewusstsein sind, wie sie vielleicht sein sollten. Ich meine damit zum Beispiel den Sudan, der zu anderer Gelegenheit hier auch schon erörtert worden ist - ein Land, das derzeit die größte humanitäre Krise unserer Zeit durchlebt. 30 Millionen Menschen sind dort auf humanitäre Hilfe angewiesen, 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht.

Deswegen haben wir das UNMISS-Mandat verlängert: damit die Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen vom Nachbarland Südsudan aus den Sudan unterstützt. Ich habe dafür geworben, dass wir uns engagieren. Ich bin davon überzeugt: Krisen und Konflikte, die wir ignorieren, von denen wir uns einbilden, sie beträfen uns nicht, kommen früher oder später zu uns. Deswegen müssen wir uns dort vor Ort engagieren.

Deswegen werbe ich dafür, dass humanitäre Hilfe nicht als irgendeine Wohltat angesehen wird. Das ist nicht, wie manche meinen, ein Luxus, den wir uns an der einen oder anderen Stelle erlauben, sondern das ist Unterstützung in schlimmster Not, zu der wir aus humanitären Gründen - und ich sage für mich persönlich: auch aus christlichen Gründen - verpflichtet sind. Aber es ist auch in unserem ureigensten sicherheitspolitischen Interesse, dass wir uns dort engagieren.

Denn nur wenn wir uns dort engagieren, dann werden wir verhindern, dass neue Kriege und Konflikte entstehen, dass es zu einer Fluchtbewegung kommt.

Deswegen ist es in unserem ureigensten Interesse, dass wir uns im Sudan engagieren. Und deswegen werbe ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, da die parlamentarischen Beratungen jetzt beginnen, dafür, dass wir die humanitären Mittel aufstocken und dass Sie in den Diskussionen Kraft und finanziellen Handlungsspielraum finden für die Zukunft.

Ganz grundsätzlich: Ressourcen für Außenpolitik sind kein Luxus, sondern Investitionen in eine Welt, die stabiler, sicherer und friedlicher sein muss. Ich kann Ihnen aus erster Hand versichern: Wir als Deutsche sind da gefragt. In vielen Gesprächen in diesen Tagen in New York sagen mir die Außenminister anderer Staaten: Wie gut, dass Deutschland vorangeht! Wie gut, dass Deutschland seiner Führungsrolle in Europa gerecht wird! Wie gut, dass Deutschland Verantwortung wahrnimmt und sich nicht aus den Vereinten Nationen zurückzieht, wie das bedauerlicherweise an mancher Stelle, insbesondere an finanzieller, die Vereinigten Staaten von Amerika machen.

Wir nehmen Verantwortung wahr. Wir glauben an das System der Vereinten Nationen. Wir bewerben uns deshalb um einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2027/2028, weil wir überzeugt sind: Wir gehören an diesen Tisch. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand - nicht mit missionarischem Eifer, sondern aus der Überzeugung, dass es richtig ist für eine friedvolle Welt.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

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