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Rede von Außenminister Johann Wadephul bei der Kroatischen Botschafterkonferenz in Zagreb

25.08.2025 - Rede

Übersetzung aus dem Englischen

Ich, wir alle, freuen uns sehr über den herzlichen Empfang zu diesem besonderen Anlass hier in Zagreb. Denn Ihr hättet auch sagen können: „Wieder ein paar Deutsche, die im August nach Kroatien reisen…“ Du, lieber Gordan, hast es gerade erwähnt: Millionen Deutsche verbringen ihren Urlaub jedes Jahr hier in Kroatien. Wir lieben dieses Land, wir lieben die Atmosphäre hier. Aber leider sprechen nur wenige deutsche Urlauber Kroatisch. Aber Du, lieber Gordan, sprichst Deutsch. Denn Du warst kroatischer Botschafter in Deutschland. Und es ist bemerkenswert, wie Du – aus Kroatien in ein graues Berlin kommend – der typischen „Berliner Freundlichkeit“ getrotzt und Dich auf das kulinarische Abenteuer von Currywurst und Sauerkraut eingelassen hast.

Ich möchte Dir an dieser Stelle von Herzen für Dein persönliches Engagement und Deinen Einsatz für unsere bilateralen Beziehungen danken – nicht nur die Beziehungen zwischen uns beiden, sondern die zwischen unseren beiden Ländern. Lieber Gordan, vielen Dank dafür!

Und natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich besonders, dass ich heute die Möglichkeit habe, vor Ihnen – den diplomatischen Führungspersönlichkeiten Kroatiens – zu sprechen. Und das noch bevor ich in zwei Wochen auf meiner eigenen Botschafterkonferenz in Berlin sprechen werde.

Denn unsere beiden Länder verbinden starke bilaterale Beziehungen. Diese basieren nicht nur auf regem Tourismus und einem kroatischen Außenminister, der deutsch spricht, sondern insbesondere auch auf einer lebendigen kroatischen Diaspora in Deutschland und einer florierenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit. In den letzten zehn Jahren ist der Handel Deutschlands mit Kroatien stärker gewachsen als mit jedem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Kroatien ist der Europäischen Union und der Eurozone beigetreten. Und steht jetzt kurz vor der OECD-Mitgliedschaft. Als EU-Partner und als NATO-Verbündete werden wir versuchen, Sie so gut wie möglich zu unterstützen, damit Sie dieses Ziel so schnell wie möglich erreichen können.

Und ich möchte Ihnen unseren neuen deutschen Botschafter hier in Zagreb vorstellen, Herrn Dr. Pascal Hector. Er hat bereits viel Erfahrung im Amt eines Botschafters der Bundesrepublik Deutschland und ich freue mich sehr, dass er nun diesen Posten hier übernimmt. Mit ihm kommt ein äußerst fähiges und hochgeschätztes Mitglied meines Teams zu Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen zurzeit zahlreichen Herausforderungen gleichzeitig gegenüber. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat uns vor Augen geführt, dass imperiale Kriegsführung in Europa keineswegs der Vergangenheit angehört. Wir haben gelernt, dass unser gemeinsamer europäischer Einsatz unverzichtbar ist, um die Ukraine in ihrer rechtmäßigen Selbstverteidigung zu unterstützen und den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten. Denn dieser Krieg richtet sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die Grundsätze der Souveränität und des Völkerrechts selbst, gegen fundamentale Werte der Europäische Union.

Und auch wenn ich überzeugt bin, dass unsere transatlantische Partnerschaft ein äußerst wichtiges und vertrauensvolles Bündnis bleiben wird – wie das Treffen letzte Woche in Washington erneut gezeigt hat, – so müssen wir doch zugeben, dass diese Partnerschaft, derzeit nicht frei von Spannungen ist. Wir wissen jetzt, dass es die aktuelle geopolitische und geoökonomisch Lage erfordert, dass wir unsere wirtschaftlichen Abhängigkeiten besser auszutarieren, auch unter Freunden. Das bedeutet, dass die EU als Ganze wie auch ihre einzelnen Mitglieder weitaus mehr tun müssen, um den Wohlstand der Union zu stärken. Und auch für unsere eigene Sicherheit und Verteidigung müssen wir größere Verantwortung übernehmen. Aus diesem Grund haben wir uns auf dem letzten NATO-Gipfel dazu verpflichtet, unsere Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP pro Jahr zu erhöhen.

Und nicht nur das. Auch die fortwährende Eskalation im Nahen Osten – Du hast es erwähnt – stellt uns auf die Probe, als Europa mit einer Stimme zu sprechen. Für mein Land bedeutet das, dass wir einerseits zu unserem unerschütterlichen Bekenntnis zu Israels Sicherheit und seinem Recht zur Selbstverteidigung stehen, gleichzeitig aber auch unsere tiefe Sorge angesichts der katastrophalen humanitären Lage der Bevölkerung in Gaza und der Gefahr für das Leben der Geiseln zum Ausdruck bringen. Unsere europäische Glaubwürdigkeit als global agierender Akteur hängt davon ab, wie konsequent wir das Völkerrecht verteidigen, uns dem Terrorismus entgegenstellen und das Leben von Zivilistinnen und Zivilisten schützen. Unserer Ansicht nach trägt die Entscheidung des israelischen Kabinetts, Gaza-Stadt einzunehmen und die Bodenoffensive auszuweiten, keineswegs dazu bei, auch nur eines dieser Ziele zu fördern.

Gemeinsames Vorbereitetsein ist das Gebot der Stunde. Und das gilt nicht nur für die akuten Krisen, sondern auch für Herausforderungen, die neue Technologien mit sich bringen: Cyberangriffe zielen auf das Nervensystem unserer digitalisierten Volkswirtschaften. Staatlich geförderte und teilweise durch KI gestützte Desinformationskampagnen zielen darauf, das Wesen unserer Demokratien auszuhöhlen. Es war kein Zufall, dass, kurz nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung, als Bundeskanzler Merz gemeinsam mit Präsident Macron und Premierminister Starmer auf dem Weg nach Kyjiw war, um unsere standhafte Unterstützung für die Ukraine zu bekräftigen, Russland diese Gelegenheit nutzen wollte und das Internet mit abwegigen Desinformationen über den Besuch flutete. Diesmal war das besonders einfach zu durchschauen, aber das heißt nicht, dass das immer so sein wird.

Und diese neuartigen Bedrohungen bleiben nicht auf den digitalen Raum beschränkt. Vielmehr können sie auch Lieferketten stören, das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben und gesellschaftliche Spaltungen herbeiführen. Versuchen, die Einigkeit aufzubrechen, die unsere Gesellschaften zusammenhält.

Das alles zeigt uns nicht nur, dass wir auch neuartigen Herausforderungen gewachsen sein müssen. Die geopolitische Weltlage insgesamt führt mich vielmehr zu folgenden beiden Schlussfolgerungen:

Erstens: Die Europäische Union muss mehr Verantwortung auf globaler Ebene übernehmen. Und zweitens: Um dies in Zeiten globaler Zersplitterung zu ermöglichen, müssen wir unsere Union sowohl reformieren als auch erweitern.

Ein Rückzug zu nationalem Egoismus ist schlicht keine Option. Im Gegenteil: Die EU kann nur stark sein, wenn wir als Union fest zusammenstehen – und wenn wir in unsere globalen Partnerschaften investieren. Das ist einer der Gründe, warum ich gerade nach Ost- und Südostasien gereist bin. Wir Europäerinnen und Europäer, die 27 Mitgliedstaaten, können nur erfolgreich sein, wenn wir geeint auftreten und geeint handeln. Das hat sich bereits mehrfach gezeigt, nicht zuletzt während der Corona-Pandemie, als wir zusammenstanden und die schlimmsten wirtschaftlichen Folgen durch den Europäischen Aufbauplan abfederten. Sondern auch bei unserer unerschütterlichen Unterstützung für die Ukraine. Seien es die militärische, politische oder finanzielle Unterstützung oder die 18 aufeinanderfolgenden Sanktionsrunden gegenüber Russland. All das zeigt, dass Europa, dass die EU mit einer Stimme sprechen kann, wenn es wirklich darauf ankommt.

Doch unsere Einigkeit ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss geschützt werden. Sie muss gestärkt und zukunftsfähig gemacht werden. Ich bin überzeugt: Wenn es um die Zukunft Europas geht, stehen Kroatien und Deutschland Seite an Seite – nicht nur als Partner, sondern auch als Visionäre. Als jüngstes EU-Mitglied, das der Union 2013 beigetreten ist, weiß Kroatien, dass wir umso stärker werden, je größer unsere Gemeinschaft wird. Gleichzeitig haben die Krisen unserer Zeit uns gelehrt, dass Russland die unmittelbaren Nachbarländer der EU als Spielfeld für Einmischung und Destabilisierung sieht.

Mit anderen Worten: Die Erweiterung der Europäischen Union ist eine geopolitische Notwendigkeit.

Es geht um die Vergrößerung unserer Union. Unsere Union der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands. Es geht darum, die Westbalkanstaaten, die Ukraine und Moldau fest in die EU-Familie einzubinden, denn dort gehören sie hin. Deshalb unterstützen wir – Deutschland und Kroatien – die sechs Westbalkanstaaten auf diesem Weg gemeinsam im Berliner Prozess. Und deshalb richtet Kroatien das diesjährige Green Agenda Ministerial in Dubrovnik aus.

Das ist auch der Grund, weshalb wir Reformen brauchen, weshalb künftige Mitgliedstaaten sich an die Regeln der Union anpassen müssen. Aber auch der Grund dafür, dass wir, die gegenwärtigen EU 27, uns fragen müssen, ob die Regeln, die wir uns gegeben haben, noch zweckdienlich sind. Denn wir müssen sicherstellen, dass unsere Union in der Lage ist und bleibt, rasch und entschieden zu handeln, sich weiterzuentwickeln und unsere Werte und Interessen zu verteidigen.

Deshalb setzt sich Deutschland für eine Erweiterung ein, die Hand in Hand mit unionsinternen Reformen in verschiedenen Politikbereichen geht. Manche Mitgliedstaaten haben sich besorgt darüber geäußert, dass dieser Prozess zu rasch erfolgen könnte. Deutschland nimmt diese Besorgnis ernst. Gleichzeitig befindet sich Welt um uns herum im Wandel und die EU muss als globaler Akteur noch wettbewerbs- und widerstandsfähiger werden.

Mit Blick auf eine Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit sind auch wir der Auffassung: Wenn dieses Instrument erfolgreich sein, müssen wir auch Sicherheitsklauseln einbauen. Denn wir brauchen Reformen, die unsere Union stärken, nicht solche, die sie spalten. Im Lichte unserer jüngsten Erfahrungen sind wir uns doch sicher einig, dass es von erheblichem Nachteil ist, wenn 26 Mitgliedstaaten ständig Wege finden müssen, um den Widerstand eines Einzelstaates zu umgehen.

Und auch die Länder, die sich gerade im Beitrittsprozess befinden, müssen sich an die Regeln der Union anpassen. Dabei können sie auf unsere Unterstützung zählen. Denn Justizsysteme zu reformieren, Korruption zu bekämpfen, Rechtsvorschriften anzugleichen und öffentliches Vertrauen aufzubauen — all das sind große Herausforderungen auf dem Weg in die EU. Kroatien ist bereits seit 12 Jahren EU-Mitglied, kann sich jedoch als jüngstes Mitglied sicher sehr gut daran erinnern, welche Herausforderungen und Vorteile dieser Beitritt mit sich bringt. Diese Erfahrung ist nicht nur wertvoll, sie ist von strategischem Nutzen. Kroatien kann mit den Westbalkanländern als ein Land sprechen, das nicht nur abstrakte Forderungen stellt, sondern praktische Erfahrung mitbringt. Sie können motivieren, Sie können beraten und Sie können inspirieren. Kroatien ist somit nicht nur eine Brücke zwischen den Mitgliedstaaten und den Beitrittskandidaten. Ihr Land ist auch ein Mentor, ein Vorbild und ja, auch ein Multiplikator der europäischen Idee in der Region. Deutschland zählt auf Sie in dieser Rolle, und wir wollen Sie gern darin unterstützen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Welt wartet nicht auf uns. Sie befindet sich in raschem Wandel. Wir haben es mit sich verlagernden Bündnissen, neuen Technologien und hybriden Bedrohungen zu tun. All das hat Einfluss darauf, wie wir leben, wie wir regieren, und auch darauf, wie wir Diplomatie betreiben. Und deshalb müssen wir nicht nur die Funktionsweise unserer Europäischen Union überprüfen, sondern auch dafür Sorge tragen, dass unsere Auswärtigen Dienste mit diesem raschen Wandel Schritt halten können. Unser Berufsbild verändert sich. Es wird von uns erwartet, dass wir gleichzeitig Krisenmanager, Verhandlungsführer, Strategen und mehr denn je auch Kommunikatoren sind. Auch dies erfordert interne Reformen, nicht nur von Verträgen, sondern von Denkweisen, Strukturen und Gewohnheiten.

Eine meiner vordringlichen Zielsetzungen als deutscher Außenminister ist die Förderung einer echten Priorisierung. Wir können nicht überall alles gleichzeitig tun. Weder in Berlin, noch in Zagreb oder Brüssel. Wir müssen uns fokussieren. Wir müssen strategisch denken. Wir müssen unsere Kraft für das einsetzen, was wirklich wichtig ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Zeit automatisierter Desinformationskampagnen falsche Informationen mit strategischer Kommunikation bekämpfen müssen, und zwar im Inland und überall auf der Welt. Zum Schutz unserer Demokratien, zum Schutz der Wahrheit und der Fakten. Deshalb legt mein Ministerium auch einen Schwerpunkt auf die strategische Kommunikation. Zum Beispiel mit einer für die Westbalkanländer zuständigen Kollegin an unserer Botschaft in Belgrad.

Und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir unsere nationalen Auswärtigen Dienste und den Europäischen Auswärtigen Dienst zukunftssicher aufstellen und fit für diese Aufgabe machen. Als Team Europa.

Die Herausforderungen für uns Europäer sind gewaltig, aber wir haben leistungsfähige Instrumente an der Hand. Und eines der wirkmächtigsten ist die Freundschaft und Partnerschaft zwischen uns als EU-Mitgliedstaaten, zwischen Kroatien und Deutschland. Lassen Sie uns diese Freundschaft weiterhin aufrichtig, vertrauensvoll und in der klaren Überzeugung vertiefen, dass die beste Antwort auf eine geteilte Welt ein geeintes, ein reformiertes und ein erweitertes Europa ist.

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