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Rede von Außenminister Johann Wadephul im Bundestag zur Verlängerung des UNIFIL-Mandates

22.05.2025 - Rede

Als Außenminister kann ich heute hier nicht sprechen, ohne auf die schrecklichen Nachrichten einzugehen, die uns aus Washington erreicht haben. Es hat einen heimtückischen Mord an zwei israelischen Diplomaten gegeben, an Yaron Lischinsky, der auch einen deutschen Pass hat, und an Sarah Milgrim. Ich denke, ich spreche für das ganze Haus, wenn ich sage, dass uns das erschüttert, dass wir in unseren Gedanken und Gebeten bei den Angehörigen der Ermordeten und den Mitgliedern des israelischen Auswärtigen Dienstes sind und dass wir erneut klarmachen: Antisemitische Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen. Hass und Terrorismus haben keinen Platz in unseren Gesellschaften.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz gleich, welchen Maßstab man anlegt, bewaffnete Konflikte dauern immer zu lange. Für die Menschen, die von Kriegen direkt betroffen sind, sind sie eine Lebenskatastrophe.

UNIFIL, die Mission, über die wir heute sprechen und die einen dieser langen Konflikte stabilisieren und entschärfen soll, existiert seit 1978. Trotzdem ist die Region nicht befriedet, trotzdem geht keine Stabilität von ihr aus. Im letzten Herbst ist auch der für UNIFIL spezifische Konflikt wieder aufgeflammt. Nach einem Jahr des Dauerbeschusses nordisraelischer Dörfer und Gemeinden durch die libanesische Hisbollah startete Israel eine Bodenoffensive im südlichen Libanon. Der Hisbollah war es gelungen, den ganzen Libanon in ihren Krieg mit Israel hineinzuziehen. Es gab Tausende Tote, fast eine Million Binnenvertriebene und breite Zerstörung. Auch die Blauhelmmission UNIFIL geriet ins Kreuzfeuer.

Angesichts dieser Lage hätten vor einem halben Jahr vermutlich wenige hier an eine Situation geglaubt, wie wir sie heute im Libanon vorfinden. Der mit amerikanischer und französischer Unterstützung ausverhandelte Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah vom 27. November 2024 hält weitgehend. Und nach Jahren der politischen Paralyse wurde im Libanon ein neuer Staatspräsident gewählt und eine Regierung ernannt. Die Menschen kehren in ihre Häuser zurück. Es gibt Hoffnung, dass der Libanon die jahrelange Wirtschaftskrise hinter sich lässt.

Vor einem Jahr habe ich hier an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine breite Zustimmung des Bundestages zur Mandatsverlängerung die damalige Bundesregierung nicht davon entbinden sollte, die Situation im Nahen Osten umfassend zu analysieren. Selbstverständlich vertrete ich diese Auffassung auch als Außenminister weiter. Denn Mandate zu verlängern, ist das eine, doch wir müssen dabei immer wieder überprüfen, ob die Missionen, in die wir unsere Soldatinnen und Soldaten entsenden, mit den entsprechenden Mitteln und Möglichkeiten ausgestattet sind, um ihre Aufgaben in den jeweiligen Situationen vor Ort auch wirklich zu erfüllen.

Das war auch Thema der vom Auswärtigen Amt und vom Bundesverteidigungsministerium in der vergangenen Woche ausgerichteten Peacekeeping-Konferenz, zu der über 130 Delegationen aus aller Welt kamen. Dort haben wir über die Möglichkeiten und Beschränkungen gesprochen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie wichtig das Engagement der Vereinten Nationen ist. Wenn es die Blauhelme nicht gäbe, dann müssten wir sie jetzt erfinden. Wenn es die Vereinten Nationen nicht gäbe, dann müssten wir sie jetzt gründen. Es gibt keine Alternative zu dieser größten Friedensbewegung der Welt.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Lage im Libanon hat sich seit der letzten Verlängerung dieses Mandates grundlegend geändert. Deswegen werden Sie berechtigterweise fragen: Warum bittet die Bundesregierung um Zustimmung zu dem weitgehend unveränderten Mandat? Der Grund ist dieser: Weil die Arbeit der UNIFIL-Blauhelme in der gegenwärtigen Lage wahrscheinlich noch wichtiger ist als zuvor. Nur eine weitere Stärkung der libanesischen Streitkräfte - das sagen mir übrigens alle Gesprächspartner in den Nachbarländern, alle Kolleginnen und Kollegen in der arabischen Welt - kann dazu führen, dass diese im gesamten Libanon - einschließlich des Südens - die volle Sicherheitsverantwortung übernehmen. Und das muss das Ziel deutscher und europäischer Politik sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Das beinhaltet die Stärkung der libanesischen Marine. Und das ist der Kernauftrag unserer deutschen Soldatinnen und Soldaten bei UNIFIL. Seit dem Waffenstillstand Ende November sind wichtige Fortschritte gemacht worden. 190 ehemalige Hisbollah-Stellungen hat die libanesische Armee mittlerweile übernommen. Mehr als 100 Waffenverstecke der Hisbollah hat die libanesische Regierung mit UNIFIL-Hilfe geräumt. Die Hisbollah und ihre iranischen Unterstützer sind bedeutend geschwächt. Unsere israelischen wie auch unsere libanesischen Partner bitten uns deshalb, durch den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten diese Erfolge zu festigen. Ich kann Sie nur herzlich bitten, gemeinsam mit der Bundesregierung dieser Bitte zu folgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich nehme das zum Anlass, allen eingesetzten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr meinen ganz herzlichen Dank auszusprechen für ihren jahrelangen, fordernden und gefährlichen Einsatz. Das ist nicht selbstverständlich.

Und ich nehme es auch zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass der Einsatz von Blauhelmen nicht alles ist. Es bedarf der Diplomatie, es bedarf des Einsatzes für Verständigung.

Das gilt auch für den Gaza-Konflikt, der uns umtreibt und der mittlerweile zu einer unerträglichen humanitären Situation für die betroffenen Menschen im Gazastreifen geführt hat. Das ist Gegenstand meiner fast täglichen Telefonate mit dem israelischen Kollegen Sa‘ar. Ich kann an dieser Stelle nur das sagen, was ich ihm auch sage: Die Bundesrepublik Deutschland erwartet, dass die humanitäre Situation für die Palästinenserinnen und Palästinenser sofort und nachhaltig verbessert wird.

Wir erwarten, dass durch militärische Aktionen gegen die Hamas, die ihre Berechtigung haben, die Situation der noch in Haft befindlichen Geiseln, darunter auch Deutsche, nicht weiter verschärft wird. Ich habe in Israel mit Geiselangehörigen gesprochen. Sie setzen auf uns, und sie können sich auf Deutschland verlassen.

Mein Aufruf an alle Beteiligten ist: Suchen Sie das Gespräch. Suchen Sie den Waffenstillstand, und kommen Sie zu einem Ende dieser Kampfhandlungen, die so viele Menschenopfer fordern. Es ist fast nicht mehr zu ertragen.

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