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Interview Außenminister Frank-Walter Steinmeiers mit dem portugiesischen Online-Portal OBSERVADOR anlässlich seiner Lissabon-Reise am 27./28.5.2015

27.05.2015 - Interview

Erschienen am 27.05.2015 im portugiesischen Online-Portal www.obervador.pt

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Dieses Forum [das Deutsch-Portugiesische Forum] wurde mit der Absicht ins Leben gerufen, die Beziehungen zwischen Deutschland und Portugal zu vertiefen. Wie weit wurde dieses Ziel bereits erreicht, insbesondere auch hinsichtlich des Bildes eines dominanten Deutschlands, das in Programmländern wie in Portugal zu beobachten war?

Die vielen Krisen und Kriege in der Welt machen das Leben eines Außenministers in diesen Zeiten sehr kurzatmig. Dass ich die Möglichkeit habe, zwei Tage Lissabon zu besuchen und hier ausführlich Gespräche mit meinem geschätzten Kollegen Rui Machete, aber auch mit den Spitzen von Staat, Regierung und Opposition führen kann, ist für mich ein Ausdruck unserer gegenseitigen Wertschätzung. Mir ist wichtig, dass wir unsere Beziehungen als Partnerschaft auf Augenhöhe leben mit dem gemeinsamen Bekenntnis für ein starkes und solidarisches Europa. Wir Deutschen wissen doch ganz genau, wie schwer der Weg für die Menschen in Portugal in den letzten Jahren war. Und wir haben größte Anerkennung für die Reformleistung, die das Land erbracht hat. Das hat Vorbildcharakter für Europa. Nun wird es darum gehen, den Erfolg zu verstetigen und dabei die soziale Balance zu wahren. Auch dabei möchte Deutschland Partner sein. Das Deutsch-Portugiesische Forum, das dieses Jahr in die dritte Runde geht, bietet die Chance, die solide Grundlage unserer Beziehungen für die Zukunft noch besser zu nutzen.

Griechenland war bislang der deutlichste Fall für Spannungen, die zwischen anderen Völkern und Deutschland bestehen. Wie kann Deutschland seine bereits angeschlagene Beziehung zu diesen Ländern Südeuropas wiederherstellen, nachdem Wolfgang Schäuble seine Unnachgiebigkeit öffentlich sehr deutlich kundgetan hat, und wenn eine Einigung nur in dem von der Eurogruppe auferlegten Rahmen zustande kommt?

Bei der Bewältigung der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise sind wir in den letzten Jahren ein großes Stück vorangekommen, wie aktuelle Prognosen der EU-Kommission unterstreichen. Die Verschuldung sinkt, das Wachstum steigt. Davon profitieren wir alle. Die entscheidenden Schritte zur Stabilisierung konnten wir in Europa nur gemeinsam und im unentwegten Dialog machen. Mit einer Frontenstellung hätten wir gewiss nicht solche Mechanismen wie die Bankenunion oder einheitliche Überwachung der nationalen Haushalte einführen können. Das wurde ausnahmslos von sämtlichen Mitgliedstaaten mitgetragen. Dass Verhandlungsbereitschaft und Kompromisse der Herzschlag Europas sind, ist jedem Mitglied der Bundesregierung sehr bewusst. Ich bin überzeugt, der Treibstoff für den europäischen Motor besteht aus einem hohen Maß an Solidarität und dem Einhalten von Verabredungen.

Europa steht vor großen Herausforderungen mit seinen Nachbarländern. Was kann Europa - ohne Schwäche zu zeigen - angesichts des nicht enden wollenden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine unternehmen, wenn Russland sich weiterhin nicht an Minsk II hält?

Im Ukraine-Konflikt und im Verhältnis zu Russland gibt es keine einfachen Antworten. Auf das Verhalten Russlands in der Ostukraine haben wir entschieden reagiert. Wir haben im europäischen Verbund politischen und ökonomischen Druck auf Russland aufgebaut und werden solange nicht nachlassen, bis sich Moskau entlang der im Minsker Abkommen aufgestellten Kriterien auf den Weg der friedlichen Konfliktlösung zurückbegibt. Gleichzeitig dürfen unsere Gesprächsfäden mit Moskau nicht abreißen. In Europa und mit den USA besteht große Einigkeit, dass die Minsker Vereinbarungen Richtschnur unserer Bemühungen bleiben. Das Maßnahmenpaket vom Februar ist ja ein Fahrplan zur schrittweisen Entschärfung des Ukraine-Konflikts. Dazu hat sich auch Russland bekannt. Wir sind noch lange nicht am Ziel, es gibt leider auch immer wieder Rückschläge. Aber wir müssen dran bleiben, das sind wir den Menschen in der Ukraine, die in Frieden in Leben wollen, schuldig.

Europa hat neue Maßnahmen zur Eindämmung des Einwanderungsproblems im Mittelmeer vorgestellt, wurde jedoch stark kritisiert, weil die Finanzierung des Programms „Triton“ nur auf ein Niveau angehoben wurde, das noch deutlich unter dem des früheren italienischen Programms liegt, und weil es gegen libysche Menschenhändler mit einem Angriffsplan vorgehen will. Wie kann die EU diese Angriffe ohne eigene Armee durchführen und wann kann man mit einer umfassenden Lösung rechnen?

Ohne einen umfassenden Ansatz, der an den Wurzeln des Migrationsdrucks ansetzt, kriegen wir die Flüchtlingskrise nicht in den Griff. Eine breit angelegte europäisches Flüchtlingspolitik nimmt nun Konturen an: Die europäischen Staaten haben die Seenotrettung im Mittelmeer seit April massiv verstärkt, auch Deutschland ist mit zwei Schiffen engagiert. Leben zu retten muss weiterhin unsere absolute Priorität haben. Zugleich können wir die Schlepperbanden nicht einfach gewähren lassen. Deswegen unterstützen wir den Ansatz, mit einer GSVP-Mission im Mittelmeer das Geschäftsmodell dieser Kriminellen empfindlich zu stören. Das geht natürlich nur, wenn die offenen rechtlichen und praktischen Fragen geklärt werden. Deutschland, das bereit jetzt viele Asylsuchende bei sich aufnimmt, tritt auch dafür ein, dass sich alle EU-Staaten fair und solidarisch bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der EU beteiligen. Die größte Herausforderung bleibt aber, durch die Entschärfung von Krisen und Kriegen in unserer Nachbarschaft und wirkungsvolle Entwicklungszusammenarbeit die eigentlichen Ursachen dafür zu mindern, dass Menschen sich auf die lebensgefährliche Reise nach Europa machen.

Am anderen Ende Europas hat David Cameron nach einem sehr positiven Wahlergebnis seine Absicht bestätigt, ein Referendum über die Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU durchzuführen. Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass eines der wichtigsten Mitgliedsländer aus der EU austritt? Inwieweit könnte dies den Zusammenhalt der Europäischen Union beeinflussen? Wäre Deutschland dazu bereit, dem Vereinigten Königreich Zugeständnisse zu machen, damit es in der EU bleibt, oder ist dies eine „in or out“-Frage?

Wir wünschen uns, dass Großbritannien ein engagierter Partner in einer erfolgreichen Europäischen Union bleibt. Unsere britischen Freunde haben sehr viel Positives zum Gelingen des europäischen Friedens- und Wohlstandprojekts beigetragen. Sie sollten mit ihrer großen wirtschaftlichen Dynamik und politischen Pragmatismus auch künftig den europäischen Kurs aus der Mitte heraus mitbestimmen können, und nicht an der Seitenlinie zuschauen. Für uns Deutsche ist klar, dass der europäische Schulterschluss im Angesicht der Globalisierung der richtige Weg ist für Europas Staaten, die im Vergleich zu den großen Kraftzentren der Welt in Wahrheit doch alle ziemlich klein sind. Es ist also unser tiefstes Interesse, Europa besser, schlagkräftiger und demokratischer zu machen. Vorschlägen, die das zum Ziel haben, stehen wir offen gegenüber.

Es gibt in Deutschland Kritik an der Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA. Wie reagiert die Bundesregierung darauf. Schadet die Kontroverse den Beziehungen mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus?

Die aktuelle Diskussion betrifft eine wichtige Frage, die man sich nicht nur in Deutschland stellt: Wie können wir die Sicherheit unserer Bürger etwa im Kampf gegen Terroristen gewährleisten und gleichzeitig die Privatsphäre der Menschen bestmöglich schützen. Für uns ist zentral, dass sich Nachrichtendienste an Recht und Gesetz halten. Deshalb engagiert sich die Bundesregierung mit ganzer Kraft bei der Aufklärung der Fragen, die in Bezug auf die Zusammenarbeit der Geheimdienste aufgeworfen wurden. Die deutsch-amerikanische Freundschaft steht dabei nicht in Frage. Die transatlantische Partnerschaft gehört zu den Grundpfeilern der deutschen Außenpolitik – nicht aus Gewohnheit, sondern weil wir mit den USA Überzeugungen, Werte und Interessen teilen.

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