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Rede von Außenminister Heiko Maas in der Aktuellen Stunde des Bundestages zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt in Nahost
Der Nahe Osten erlebt in diesen Tagen die schlimmste Gewalt seit Jahren. Verantwortlich dafür ist aktuell der Raketenterror der Hamas. Mehr als 3 500 Geschosse sind in den letzten Tagen auf Israel abgefeuert worden, auf Ortschaften in der Nähe des Gazastreifens, wo den Menschen oft nur wenige Sekunden bleiben, um Schutz zu suchen, aber auch auf Großstädte wie Jerusalem und Tel Aviv, wo Hunderttausende in die Bunker fliehen müssen. Wir verurteilen diese Angriffe auf das Allerschärfste. Sie sind durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht durch die Ereignisse auf dem Tempelberg am vorletzten Wochenende.
Deshalb hat Israel das Recht und die Pflicht, seine Bevölkerung dagegen zu schützen. Die Hamas hat diese Eskalation ganz bewusst herbeigeführt mit entsetzlichen Folgen, die Israelis und Palästinenser treffen, vor allem die Menschen im Gazastreifen. Zu viele haben bereits ihr Leben verloren, darunter Dutzende Kinder auf beiden Seiten. Das muss ein Ende haben, und zwar so schnell wie möglich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben dazu schon vor einigen Tagen einen Dreistufenplan vorgeschlagen. Er sieht erstens einen sofortigen Stopp des Raketenterrors der Hamas vor, zweitens eine Vereinbarung eines Waffenstillstandes und drittens Schritte, um endlich die komplexen Ursachen dieser Auseinandersetzung anzugehen. Dabei führt kein Weg an direkten Gesprächen zwischen Israelis und Palästinensern vorbei.
Meine Damen und Herren, wir sind nicht erst seit einigen Tagen, sondern wir sind schon länger Teil aller Bemühungen, die dorthin führen sollen: Dies geschieht jetzt durch die Entsendung des EU-Sonderbeauftragten Koopmans in die Region, die wir gestern beim EU-Sonderrat beschlossen haben, und vor allem durch die Vermittlungsbemühungen, die wir selbst in den letzten Tagen, aber auch schon darüber hinaus getätigt haben in intensiven Gesprächen mit Israelis und Palästinensern, aber auch mit den Vereinigten Staaten, unseren europäischen Partnern und mit Ägypten, Jordanien und auch Katar und anderen, die Einfluss auf beide Parteien haben.
Meine Damen und Herren, dieser Konflikt bringt nicht nur wieder und wieder großes Leid über Israelis und Palästinenser. Er birgt auch jedes Mal aufs Neue das Risiko einer Ausweitung des Konfliktes auf die gesamte Region.
Noch eine Entwicklung ist wirklich erschütternd: die anhaltende Gewalt auch innerhalb Israels und im Westjordanland, wie wir sie in den letzten Tagen gesehen haben. Am Herausforderndsten dabei ist sicherlich die Lage in Jerusalem. Dort haben die Unruhen seit Beginn des Ramadans bereits Hunderte Verletzte gefordert. Die Bilder von Gewalt auf dem Tempelberg, dem Haram al-Sharif, an der drittheiligsten Stätte des Islams, machen uns deshalb auch große Sorge.
Alle Beteiligten haben letztlich die Pflicht, den historischen und rechtlichen Status quo der heiligen Stätten zu wahren oder wiederherzustellen. Dabei kommt unserem Partner Jordanien eine ganz zentrale Rolle zu, an der auch nicht gerüttelt werden darf.
Wenn wir nun über Deeskalation sprechen, dann thematisieren wir natürlich auch den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Gebieten und die geplanten Räumungen palästinensischer Wohnungen, etwa im Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah, an der sich die Konfrontation in Jerusalem ja auch entzündet hat.
Deshalb: Eine Lösung, die die Gewalt im Nahen Osten dauerhaft beenden kann, kann nur eine sein, die beiden Seiten erlaubt, selbstbestimmt in Frieden und in Sicherheit zu leben. Ich bin mir sicher, dass sich die Menschen sowohl in den palästinensischen Gebieten als auch in Israel nach nichts mehr sehnen als nach Frieden und nach Sicherheit.
Wir sind deshalb der festen Überzeugung, dass dies nur eine verhandelte Zweistaatenlösung erreichen kann. Daran - das gehört allerdings auch zur Wahrheit - ist in den letzten Jahren viel zu wenig gearbeitet worden. Je weniger realistisch diese Perspektive, dieses Ziel wird - das sollte allen bewusst sein, die jetzt der Auffassung sind, dass die Zweistaatenlösung längst tot ist -, desto größer ist die Gefahr, dass radikale Akteure wie die Hamas erstarken. Das ist das, was wir gerade erleben.
Meine Damen und Herren, zuallererst aber - darum geht es jetzt - muss der Raketenterror der Hamas aufhören, damit das Blutvergießen endet und die Waffen endlich schweigen. Das bleibt unsere oberste Priorität, nicht nur hier in Deutschland, sondern auch der gesamten Europäischen Union. Nur so kann die humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung im Gazastreifen wirklich erreichen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wir müssen die humanitäre Situation der Menschen, die dort leben, verbessern, um der Hamas den Nährboden zu entziehen, auf dem sie diese Menschen mobilisiert.
Es gibt noch etwas, was wir tun können, liebe Kolleginnen und Kollegen: Antisemitischen Hasspredigern, Hetzern und Gewalttätern hier in unseren eigenen Städten mit der ganzen Härte des deutschen Rechtsstaates entgegentreten, und zwar egal, ob sie schon immer hier leben oder erst in den letzten Jahren hierhergekommen sind.
Denn letztlich sollen alle wissen, die in Deutschland sind, dauerhaft oder auch nur vorübergehend: Auf unseren Straßen darf es keinen Zentimeter Platz für Antisemitismus geben, niemals und nie wieder!
Vielen Dank.