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„Es braucht Veränderungen in Ankara, um zu einem neuen Anfang zu kommen.“

09.08.2017 - Interview

Außenminister Sigmar Gabriel verlangt von der türkischen Regierung „Veränderungen im Ton und in der Sache“, damit sich das angespannte Verhältnis zur Bundesrepublik verbessern kann. Wie mit den inhaftierten Deutschen umgegangen wird, sei inakzeptabel, sagte er. Weiteres Thema: die Verschleppung eines vietnamesischen Regierungskritikers. Erschienen in der Badischen Zeitung (09.08.2017).

Außenminister Sigmar Gabriel verlangt von der türkischen Regierung „Veränderungen im Ton und in der Sache“, damit sich das angespannte Verhältnis zur Bundesrepublik verbessern kann. Wie mit den inhaftierten Deutschen umgegangen wird, sei inakzeptabel, sagte er. Weiteres Thema: die Verschleppung eines vietnamesischen Regierungskritikers. Erschienen in der Badischen Zeitung (09.08.2017).

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Herr Minister Gabriel, dass in der Türkei deutsche Staatsbürger wie der Journalist Deniz Yücel oder der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner im Gefängnis gelandet sind, ist leider kein Einzelfall mehr. Aber ist es wirklich nur ein Einzelfall, dass mitten in Berlin ein vietnamesischer Regierungskritiker entführt und vom Geheimdienst nach Hanoi verschleppt wurde?

Das Verhalten der vietnamesischen Geheimdienste auf deutschem Boden ist vollkommen inakzeptabel. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: So etwas tolerieren wir unter keinen Umständen. Und werden das auch so nicht stehen lassen. Deshalb haben wir auch sofort entschieden, einen Verantwortlichen zur unerwünschten Person zu erklären.

Vor gut einem Jahr war der Putsch in der Türkei. Sehen Sie Indizien, dass der türkische Präsident bald oder mittelfristig wieder auf einen moderateren, demokratischeren Kurs zurückkehren könnte?

Der Kurswechsel in der Türkei ist ja nicht von heute auf morgen eingetreten. Der gescheiterte Putsch war vielleicht eher ein Katalysator als ein Wendepunkt für die Politik von Präsident Erdogan. Einschränkungen der Pressefreiheit, der Umgang mit der kurdischen Minderheit und anderes mehr machen uns seit Jahren wachsende Sorgen. So sehr ich mir dies wünschen würde, im Moment sehe ich keine Anzeichen für einen grundlegenden Wandel dieser Politik. Wir sind bereit, der Türkei die Hand zu reichen. Aber es braucht Veränderungen in Ankara, im Ton und in der Sache, um einen neuen Anfang schaffen zu können.

Was hat die Neujustierung der deutschen Türkeipolitik ausgelöst?

Die willkürliche Festnahme von Peter Steudtner, einem unbescholtenen Deutschen, ist einfach völlig inakzeptabel. Wir mussten lernen, dass sich unsere Geduld und die Bereitschaft zum fairen Dialog in keiner Weise ausgezahlt haben. Im Gegenteil: Es wurde jedes Mal schlimmer. Nun sind es schon neun Deutsche, die ohne Kenntnis über die ihnen zur Last gelegten Straftaten sind oder sich an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen erwehren müssen. Wer Deutsche so behandelt, kann nicht im Ernst erwarten, dass wir in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen so tun, als sei alles prima.

Was heißt das für die EU-Beitrittsgespräche?

Die Europäische Union ist in ihrem Kern eine Wertegemeinschaft. Die Türkei möchte seit langem ein Teil dieser Gemeinschaft werden. Dann muss sie aber auch unsere europäischen Werte als eigene akzeptieren und entsprechend handeln. Es ist deshalb an der Türkei zu entscheiden, welchen Weg sie gehen möchte: Richtung Westen, hin zu Europa, mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Presse- und Meinungsfreiheit, oder nach Osten, in einer an Konflikten und Spannungen so reichen Region. Ich denke und hoffe, die Menschen in der Türkei wissen, welche Entscheidungen von historischem Ausmaß für sie und ihr Land am besten getroffen werden sollten.

Interview: Bärbel Krauß.

www.badische-zeitung.de

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