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Eröffnungsrede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Wirtschaftstag der 15. Botschafterkonferenz
Lieber Uwe Beckmeyer,
Exzellenzen,
heute vor allem: verehrte Gäste aus der deutschen Wirtschaft,
meine Damen und Herren,
Ob Sonne und blauer Himmel wirklich zum Berliner Sommer gehören – das war auch in diesem Jahr lange unklar. Etwas anderes aber war stets gewiss: dass der Wirtschaftstag der Botschafterkonferenz zum Berliner Sommer gehört – und das nun schon seit 15 Jahren!
Aus meiner Sicht wird dieser Austausch zwischen Außenpolitik und Wirtschaft sogar immer mehr zu einer drängenden Notwendigkeit. Gerade weil unsere Ökonomie wie kaum eine andere von der Einbindung in die globale Arbeitsteilung abhängt, spielt der Zustand der Welt nicht für den Erfolg der Außenpolitik, sondern eben auch für den Erfolg Ihrer Unternehmen eine entscheidende Rolle! Deswegen freue ich mich, dass Sie alle hier sind. Herzlich willkommen!
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Ich freue mich besonders, zum ersten Mal einen britischen Ehrengast auf dem Wirtschaftstag begrüßen zu dürfen, Herrn Warren East, den Vorstandsvorsitzenden der Rolls-Royce Holding. Mr East, it is an honour and pleasure to welcome you to the Ambassadors Conference! I am very pleased to have you with us. Welcome to Berlin!
Das Thema Brexit und die Frage, was es für Ihre Unternehmen bedeutet, wird heute intensiv diskutiert werden.
Der Brexit war aber nicht der einzige Grund, warum ich Warren East eingeladen habe. Die Marke Rolls-Royce steht bekanntlich für sehr erlesene Fahrzeuge. Hier im Saal bekannt, in der breiten Öffentlichkeit weniger ist, dass Rolls-Royce vor allem der weltweit führende Hersteller von Triebwerken und Komponenten für Luft- und Schifffahrt sowie für die Energie- und Bergbaubranchen ist. Und: auch das mögen hier nicht alle wissen: Jeder fünfte der rund 55.000 Royce-Mitarbeiter arbeitet in Deutschland. Und ohne die Großdiesel vom Bodensee würden viele britische Schiffe buchstäblich in der Flaute dümpeln! Wer in diesen europapolitisch stürmischen Zeiten noch nach einem wasserdichten Beispiel für deutsch-britische Kooperation sucht: Hier ist es!
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Meine Damen und Herren,
wie viele Ihrer Unternehmen steht auch Rolls-Royce vor der Herausforderung, seine Wertschöpfungskette von sogenannter „old and dirty economy“ zu moderner, digital gesteuerter Produktion mit globaler Wettbewerbsfähigkeit umstellen zu müssen. Ich bin daher sehr gespannt, heute von Herrn East aus Sicht eines europäischen Global Players zu hören, wie er die aktuellen Herausforderungen in der Globalisierung einschätzt.
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Und damit, meine Damen und Herren,
bin ich beim Motto des heutigen Tages: „Kräfteverschiebungen in der Globalisierung: den Wandel gestalten“!
Die Welt ist in Bewegung, die tektonischen Platten der Weltpolitik verschieben sich dynamisch. Bei uns zu Hause zerren Fliehkräfte an der Europäischen Union, während in Asien, Afrika, Lateinamerika und auch in unserer Nachbarschaft neue Mächte emporstreben: mit Selbstbewusstsein, mit Stolz auf Traditionen und Lebensweisen. Diese Player sind nicht nur wirtschaftlich stark, sondern sie wollen mitbestimmen, die neue Ordnung mitgestalten. Wir leben in unruhigen Zeiten. Vieles von dem, was uns über die vergangenen Jahrzehnte vertraut geworden ist, geht gerade zu Bruch oder ist gefährdet – und wir haben es bislang nicht geschafft, diesen Prozess zum Halten zu bringen:
Mit der Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ostukraine hat Russland eine tragende Säule der Europäischen Sicherheitsarchitektur verletzt, mit der meine Generation aufgewachsen ist.
Syrien, Irak, Libyen – die Konflikte rücken nicht nur näher an Europa heran, sondern sie sind mitten unter uns angekommen – in der Gestalt von Flüchtlingen und Abertausenden Schutzsuchenden aus den Krisenherden des Mittleren Ostens.
Und noch eine Steigerung kommt hinzu: der Krisenmodus hat die Europäische Union selbst erfasst. Mit dem Brexit mussten wir erleben, was kaum jemand für möglich hielt oder halten. Großbritannien, ein großer und entscheidender Partner, wird die Europäische Union verlassen.
Ich bedaure das Ergebnis des Referendums in Großbritannien zutiefst. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU ist bitter, nicht nur für Großbritannien, nicht nur für die Wirtschaft, sondern für Europa insgesamt. Was in 43 Jahren gemeinsamer EU-Mitgliedschaft mit Großbritannien erreicht wurde, scheint nun wieder auf der Kippe zu stehen oder muss völlig neu geregelt werden. Wie immer die Trennung nun verläuft – ob das ein schmutziger Rosenkrieg oder eine einvernehmliche Scheidung wird - eins ist schon jetzt gewiss: Dass die langfristigen Folgen für Großbritannien und für den Zusammenhalt Europas noch gar nicht absehbar sind. Es ist unsere Aufgabe, dieses Europa zusammenzuhalten. Und dieses Europa ist so wertvoll was Sicherheit und Frieden angeht, aber auch was unsere wirtschaftliche Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung angeht, dass ich sage: Mit diesem Europa spielt man nicht!
Unsere Aufgabe ist es jetzt, nach vorn blicken. Das heißt zum einen, dass sich die EU gerade jetzt in ihrer sonstigen Arbeit nicht von der Brexit-Debatte lahmlegen lassen darf. Zum anderen gilt es, möglichst schnell klare Verhältnisse zu schaffen. Und ich denke, gerade mit Blick auf die aktuellen britischen Wirtschaftszahlen, dass auch London ein Interesse daran hat, Klarheit zu schaffen. Die EU27 haben einen Rahmen gesetzt: Rasche Verhandlungen, kein Rosinenpicken und bis zum Austritt bleibt Großbritannien selbstverständlich vollwertiges EU-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten.
Die zentrale Frage aber, die Sie alle interessieren wird, ist die nach dem künftigen Verhältnis Großbritanniens zur EU. Es ist ganz klar, dass dies eine Frage ist, die zunächst in Großbritannien selbst beantwortet werden muss. Für uns gilt: Wir wollen, dass Großbritannien auch nach einem Austritt ein enger Partner der EU und der EU-Mitgliedstaaten bleibt. Aber – auch das ist klar: Wir brauchen für das zukünftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien neue, faire und für alle verbindliche Spielregeln. Jean-Claude Juncker hat es vor wenigen Wochen bereits gesagt: Das Ergebnis der Verhandlungen über diese Spielregeln kann nicht sein, dass Großbritannien sich von den Pflichten eines EU-Mitglieds löst und gleichzeitig die Rechte eines EU-Mitglieds behält. Darüber müssen wir auf beiden Seiten des Ärmelkanals mit großer Klarheit sprechen, damit schon am Beginn der Verhandlungen kein Raum für Illusionen oder falsche Erwartungen gelassen wird.
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Meine Damen und Herren,
Brexit. Ukraine-Krise. IS-Terror. Syrien, Libyen, Irak - Wir leben in einer widersprüchlichen Welt. Einer Welt, die einerseits immer enger zusammenwächst, aber deren Gegensätze zugleich immer schneller und ungebremst aufeinanderprallen. Wenn dem so ist, dann muss das Folgen haben für unser außenpolitisches Handeln.
Deutschland, als eng mit der Welt vernetztes Land ist ganz besonders auf eine regelbasierte internationale Ordnung angewiesen. Und weil das so ist, müssen wir umso mehr tun für deren Erhalt und Weiterentwicklung.
Genau deshalb führen wir eine aktive und engagierte Krisenpolitik - ob mit Blick auf die Ukraine, Syrien, Libyen, Mali oder Kolumbien. Genau deshalb setze ich so viel Zeit und Energie – oft auch Geduld und Beharrlichkeit - ein, um gemeinsam mit unseren Partnern politische Lösungen für diese Konflikte zu finden.
Genau deshalb, weil wir die internationale Ordnung langfristig stärken wollen, haben wir den Vorsitz der OSZE übernommen, einer Organisation, die - wenn man zurückschaut - vor 10 Jahren als eine verstaubte und schon etwas lahme Organisation des letzten Jahrhunderts betrachtet wurde. Für einige schien sie nicht mehr notwendig. Heute, nach dem Ausbruch des Ukraine-Konfliktes ist sie die einzige verbliebene Organisation, in der wir überhaupt noch einen Austausch zwischen Ost und West haben. Diese Woche treffen wir mit den Außenministern der OSZE in Potsdam zusammen, um die Sicherheitslage in Europa zu besprechen und über die Möglichkeiten sie zu verbessern
Zu diesen Möglichkeiten, sie zu verbessern gehört auch ein Vorschlag, den ich letzte Woche öffentlich gemacht habe. Nämlich, in diesen schwierigen Zeiten, in denen die Gräben zwischen Ost und West ohne Zweifel wieder tiefer geworden sind, zu schauen, wie wir dennoch Themen schaffen, über die es sich weiter lohnt, miteinander zu sprechen. Es kommt darauf an, dass wir gemeinsam Interesse daran entwickeln, dass die Lage trotz der Schwierigkeiten nicht außer Kontrolle gerät. Deshalb haben wir vorgeschlagen, uns wieder neu mit Fragen der Rüstungskontrolle zu beschäftigen. Und damit auch ein Signal setzen, dass die Sicherheitslage sich verändert hat mit der Ukraine-Krise und nach der Annexion der Krim. Aber dass wir die Vorstellung wach halten müssen, dass die eine Seite nicht auf Dauer Sicherheit zu Lasten und ohne Berücksichtigung der anderen Seite schaffen kann. Und dass wir wieder Formen finden müssen, in denen wir in den Kategorien gemeinsamer Sicherheit in Europa denken, um Eskalationen, und Unberechenbarkeit in Zukunft zu vermeiden.
Und, meine Damen und Herren, wir bewerben wir uns für 2019/20 um einen Sitz im VN-Sicherheitsrat! Auch das ist Ausdruck unserer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und die multilaterale Ordnung zu stärken.
Ich plädiere für eine deutsche Außenpolitik, die nicht übertrieben selbstbewusst ist, aber die sich auch nicht versteckt. Nicht weil wir uns nach vorne drängen, sondern weil unsere Partner – ich finde: zu Recht – erwarten, dass wir eine unserer Größe und wirtschaftlichen Stärke angemessenen Beitrag leisten, um Krisen zu entschärfen, Leid zu lindern und Lösungen auf den Weg zu bringen.
Welche Rolle Europa dabei spielt, habe ich gesagt. Keine Frage, dass jenseits von Europa die USA unser wichtigster Partner und Alliierter ist. Ich kann mich gar nicht gar nicht erinnern in den letzten zwei Jahrzehnten, wann die Zusammenarbeit zwischen den beiden Außenministerien jemals so dicht gewesen wäre, wie das im Moment mit Außenminister Kerry der Fall ist. Uns verbindet viel - die USA und Deutschland. Und das ist auch der Grund, warum wir mit so viel Interesse auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf mit seinen vielen Ungewöhnlichkeiten schauen. Und am Ausgang ganz besonders interessiert sind.
Ich will erinnern an den alten, aber immer noch sehr klugen Satz von Egon Bahr: „Amerika ist unverzichtbar. Russland ist unverrückbar“.
Was unser Verhältnis zu Amerika angeht, gibt es eine breite Basis, auf der wir immer wieder in der Lage sind, unterschiedliche Auffassungen anzugleichen. Ich habe vorhin zu den Gräben zu Russland gesprochen. Keine Frage, dass das Verhältnis zu Russland unübersehbar schwieriger geworden ist. Aber Russland bleibt eben ein großer Nachbar.
Und wir müssen versuchen aus den im Augenblick weniger guten Tagen im europäisch-russischen Verhältnis wieder bessere zu machen und zu einem belastbaren Verhältnis zu kommen. Das heißt nicht, dass man sich der kritischen Auseinandersetzung mit der russischen Innenpolitik oder Außenpolitik enthalten muss.
Aber wir sollten uns nicht in eine Endzeitstimmung im deutsch-russischen Verhältnis begeben. Wir sollten alle Bemühungen daran setzten, die aktuellen Schwierigkeiten zu überwinden. Dazu gehört ganz wesentlich die Ukraine-Krise – und unsere Arbeit im Normandie-Format. Aber nicht nur das. Klar ist auch: Keine der großen Krisen außerhalb Europas wird der Westen ohne oder gegen Russland lösen können. Das galt für den Atomkonflikt mit dem Iran, und es gilt für die offenen Konflikte in unserer Nachbarschaft, sei es Syrien, Iran oder Libyen. Deswegen, auch wenn es schwierig: Es ist Aufgabe der Außenpolitik, sich weiter um bessere Verhältnisse im deutsch-russischen und europäisch-russischen Verhältnis zu bemühen.
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Meine Damen und Herren,
Deutschland gilt in der Außenpolitik als „ehrlicher Makler“, und deshalb sind wir für viele der neuen aufstrebenden Mächte ein interessanter Partner bei der Gestaltung von neuen Elementen der globalen Ordnung. Das wird mir deutlich, wo immer ich hinreise. Ob nach China, Indien, Brasilien oder zuletzt nach Mexiko und Argentinien. Und was ich sehe ist, dass es viele Anknüpfungspunkte gibt, gerade was das Management unserer globalen Herausforderungen angeht: ob Klimawandel, Migration, Digitalisierung oder Urbanisierung. All dies sind Themen, die nicht nur Zusammenarbeit von Staaten und nicht-staatlichen Akteuren, sondern vor allem auch von Staat und Wirtschaft erfordern! Ohne das Know-how und die Erfahrung aus Ihren Unternehmen werden wir diese Herausforderungen nicht bewältigen können!
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Meine Damen und Herren,
Wenn wir über Ordnung reden, dann muss uns auch klar sein: Ordnungen werden nicht verordnet. Sie müssen von Menschen getragen werden. Heute aber haben viele Menschen das Gefühl, vom Erfolg der Globalisierung ausgeschlossen zu sein, nicht teilzuhaben an den Fortschritten unserer offenen und vernetzten Welt.
Und das ist nicht erstaunlich, wenn man sich die Zahlen anschaut. Der IWF, die Weltbank und die OECD – alle drei wahrlich keine Brutstätten linker Revolutionen – warnen seit Jahren eindringlich vor den Gefahren einer wachsenden globalen Ungleichheit. Der Weltbank-Ökonom Branko Milanovic hat die großen Einkommensgewinner und –verlierer zwischen 1988 und 2008 betrachtet. Die Gewinner: das reichste Prozent der Weltbevölkerung, aber auch die Mittelschicht in den neuen Schwellenländern. Die Verlierer: die Armen und die Mittel- und Arbeiterschicht in den hochentwickelten Industrieländern. Die Gründe mögen nicht auf allen Kontinenten und erst recht nicht in allen Staaten die gleichen sein.
Klar scheint aber: Für Millionen von Menschen hat sich das Versprechen der Globalisierung – mehr Wohlstand für alle durch mehr Handel und Vernetzung – nicht oder noch nicht erfüllt.
Und dieses Gefühl des „Abgehängt Seins“, der Nicht-Teilhabe, was viele Menschen spüren, wird ausgenutzt von Populisten – auf beiden Seiten des Atlantiks! Ob Trump in den USA, ob die Rechtspopulisten hier bei uns in Europa - das sind Leute, die auf die Probleme einer immer komplexeren Welt die ganz einfachen Antworten vorgaukeln, nach dem Motto: „Abschottung ist die beste Lösung!“.
Politisch ist das nationalistisch und ausländerfeindlich. Wirtschaftlich ist das protektionistisch. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Und wenn beides Hand in Hand geht, ist das gefährlich für Politik und Wirtschaft! Diese Rufe richten sich gegen die offene Gesellschaft. Das ist Gift für Politik und das ist Gift für unsere Wirtschaft, die von Offenheit und Vernetzung abhängt! Und deswegen, meine Damen und Herren, muss es unsere gemeinsame Aufgabe in Politik und Wirtschaft sein, dass wir uns den einfachen Antworten und Abschottungsrufen der Populisten entgegen stellen!
Das ist aber nur der eine Teil. Der andere ist schwieriger. Denn wenn wir das Ernst nehmen, dann heißt das zum anderen auch, dass wir den Blick auf die Wurzeln der Ungleichheit in unseren Gesellschaften richten müssen. Dass wir dafür sorgen müssen, dass die Chancen und Vorteile von Offenheit und Globalisierung nicht nur für einige wenige, sondern für möglichst viele, wenn nicht alle sichtbar und spürbar sind.
Wenn uns das nicht gelingt, dann riskieren wir auch, dass wir Glaubwürdigkeit in unserer Politik verlieren, dass uns niemand mehr abnimmt, dass wir dabei sind, vernünftige Spielregeln für die Globalisierung zu entwickeln und dass daran Politik und Wirtschaft ein bleibendes Interesse haben. Das spiegelt sich derzeit in der öffentlichen und kontroversen Diskussion über Handelsabkommen.
Deutschland ist eine erfolgreiche Volkswirtschaft. Sie ist auch deshalb so erfolgreich, weil wir eine boomende Exportwirtschaft haben. Und wenn man sich die demographischen Entwicklungen in unserem Land betrachtet, dann wird klar, dass diese wirtschaftliche Abhängigkeit von Exporten eher noch zunehmen wird. Wenn wir in dieser Lage sind, dann können wir nicht gegen Freihandel sein. Sondern wir müssen uns prinzipiell für Freihandel entscheiden. Doch zur ganzen Wahrheit gehört auch: Es gibt gute Freihandelsabkommen, und es gibt weniger gute Freihandelsabkommen.
CETA ist wahrscheinlich das beste und fortschrittlichste Handelsabkommen, das die EU jemals ausgehandelt hat. Aber wir wissen auch: So weit sind wir bei TTIP zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Man darf sich da gar nicht in die Tasche lügen: Wir sind, was Standards und Verfahren angeht, noch weit weg von dem, was CETA als Standards gesetzt hat. Das wird Maßstab sein, an dem andere Handelsabkommen auch gemessen werden. Ich weiß nicht, was bis Ende des Jahres, oder bis zu den US Wahlterminen im November noch möglich sein wird. Aber ich sehe natürlich, dass beide Präsidentschaftskandidaten, sowohl Hillary Clinton, als auch Donald Trump sich skeptisch bis ablehnend gegenüber TTIP geäußert haben. Das mag etwas bedeuten für die Geschwindigkeit der Terminsetzung, die wir in den nächsten Wochen und Monaten erleben werden. Ich glaube, wir müssen sagen, dass TTIP im Augenblick, was Standards und Verfahren angeht, sich noch bei weitem nicht auf dem Niveau des kanadischen Freihandelsabkommens bewegt.
Das ist das eine. Das ist die Debatte zwischen uns und denjenigen, die bereit sind, zwischen verschiedenen Freihandelsabkommen Qualitäten und Standards miteinander zu vergleichen.
Schwieriger ist die Debatte mit jenen, die gar nicht mehr auf die Qualität unterschiedlicher Freihandelsabkommen warten und bereit sind, sie zu vergleichen. Sondern die grundsätzlich am Vorteil offener Märkte zweifeln, wo Offenheit als Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes gesehen und erlebt wird.
Da rate ich uns, an einer internationalen Debatte – die gar nicht mal von uns in der Europäischen Union, sondern eher von Weltbank und VN angestoßen ist - nicht einfach vorbeizugehen und sie als lästige Pflicht beiseite zu tun.
Mit der 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung hat die Staatengemeinschaft im vergangenen Jahr so etwas wie einen globalen Gesellschaftsvertrag geschlossen. Wir müssen lernen, dass das Ziele sind, die sich in dieser Agenda niederschlagen, die zu so etwas wie einer außenpolitische Messlatte geworden sind, an der auch wir gemessen werden. Ob wir Bereitschaft zeigen – mit den Möglichkeiten, die wir haben als nicht ganz kleine Volkswirtschaft in der Mitte Europas - zu helfen, die Welt etwas gerechter und humaner zu machen.
Wir haben vielleicht die Chance, wenn wir im nächsten Jahr die G20-Präsidentschaft übernehmen, dieses Thema stärker nach vorne zu holen, stärker noch zu einem Thema von uns zu machen. Bevor wir auf der Anklagebank sitzen und uns vorgeworfen wird, dass wir uns um das Thema der globalen Gerechtigkeit nicht genügend kümmern.
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Das gilt für die Politik. Aber auch Sie als Unternehmer sind gefragt, meine Damen und Herren. Und es freut mich aufrichtig, dass viele deutsche Firmen auf den globalen Märkten auch deswegen so geschätzt sind, weil sie diesen Zusammenhang früher verstanden haben als andere: Für Sie ist selbstverständlich, dass es auch auf ausländischen Märkten nicht auf kurzfristige Ausbeutung von Ressourcen ankommt, sondern auf langfristig angelegte Investitionen. Sie investieren in Bildung und Ausbildung Ihrer Mitarbeiter. Sie sorgen für langfristige Bindung der Beschäftigten. Deshalb sage ich: Nicht nur Produkte, sondern auch das ist „Made in Germany“. Und Ihr weltweiter Erfolg und ihr exzellenter Ruf beweisen, dass diese Prinzipien auch in einer globalisierten Welt zukunftsfähig sind.
In diesem Sinne freue mich auf die heutigen Diskussionen und wünsche Ihnen einen spannenden Wirtschaftstag!