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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth zur Fortsetzung der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali im Deutschen Bundestag

14.04.2016 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Erinnern Sie sich noch an die furchtbaren Ereignisse vor gut vier Jahren? Islamistische Gruppen aus dem Norden Malis waren auf dem Vormarsch nach Süden, in Richtung der Hauptstadt Bamako. Die malische Armee konnte den Rebellen damals nicht viel entgegensetzen. Nur dem entschlossenen Eingreifen von Frankreich ist es zu verdanken, dass die Terroristen aufgehalten werden konnten. Niemand will sich ausmalen, was sonst passiert wäre.

Heute können wir sagen: Vieles hat sich seitdem verbessert, auch wenn der Weg zu dauerhafter Stabilität noch lang ist. Vor allem die politische Entwicklung der vergangenen Monate gibt durchaus Anlass zu vorsichtiger Zuversicht: Die malische Regierung und die separatistischen Rebellen haben im Frühsommer 2015 ein Friedensabkommen unterzeichnet. Der Waffenstillstand vom vergangenen Herbst hält.

Jetzt geht es darum, die Vereinbarungen des Friedensabkommens Schritt für Schritt umzusetzen. Dabei sehen wir erste Fortschritte, beispielsweise bei der Übertragung von Kompetenzen des Zentralstaates auf die Gebietskörperschaften. Die Gründung von zwei neuen Regionen ist ein wichtiger Schritt, um die regionale Selbstverwaltung in Mali zu stärken.

Gleichwohl müssen wir feststellen: Die Umsetzung der politischen Reformen verläuft schleppender als gewünscht. Und immer wieder wird der Versöhnungsprozess von Anschlägen islamistischer Terrorgruppen überschattet. Dadurch kommt das Land nicht zur Ruhe.

Auch das Hauptquartier der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali in der Hauptstadt Bamako war am 21. März selbst Ziel eines Anschlags. Der Angriff konnte erfolgreich abgewehrt werden. Glücklicherweise kam dabei niemand der europäischen Soldatinnen und Soldaten zu Schaden. Aber dieser Anschlag zeigt, wie angespannt die Sicherheitslage in Mali immer noch ist.

Erst gestern wurden drei französische Soldaten im Norden des Landes bei der Detonation einer Mine getötet.

Deutschland engagiert sich derzeit in drei internationalen Einsätzen in dem westafrikanischen Land: Bei der UN-Friedensmission MINUSMA, bei der zivilen GSVP-Mission EUCAP Sahel Mali und bei der Ausbildungsmission EUTM Mali. Unser militärisches Engagement ist eingebettet in einen umfassenden Gesamtansatz, bei dem politische, humanitäre und entwicklungspolitische Aktivitäten ineinandergreifen.

Mali – ein Land, das für viele erst mit der Krise 2012/2013 auf die politische Bühne getreten zu sein scheint – ist heute ein wichtiger Schwerpunkt unseres sicherheits- und entwicklungspolitischen Engagements. Warum ist das so? Die simple Antwort gibt uns ein Blick auf die Landkarte.

Seit dem faktischen Zusammenbruch Libyens trennt uns quasi nur noch eine Seegrenze von Mali. Schon heute ist Mali für viele Flüchtlinge Transitland auf ihrem Weg nach Europa. Deutschland und die Europäische Union haben daher ein erhebliches Interesse daran, die Bleibeperspektiven vor Ort nachhaltig zu verbessern.

Immer mehr Menschen aus der Sahel-Region suchen eine bessere Zukunft in Europa. Das liegt vor allem auch daran, dass ihre Lebensträume und Hoffnungen von skrupellosen Terroristen gewaltsam zerstört werden. Terrorismus erstickt die Hoffnung – und er bremst die Entwicklung eines ganzen Landes.

Durch den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Libyen und in Mali ist ein politisches Vakuum entstanden, das islamistische Terroristen für sich genutzt haben.

Mit Waffen aus libyschen Arsenalen haben sie 2011 die malische Armee überrannt. Weit mehr als 100.000 Menschen wurden damals aus ihrer Heimat vertrieben. Noch immer sind islamistische Gruppen in weiten Gebieten Nord-Malis aktiv.

In all unseren Debatten über unser umfassendes politisches Engagement insbesondere in Afrika erlebe ich die gleiche Gegenüberstellung: Soldaten oder Entwicklungshelfer? Dieser Gegensatz ist falsch. Denn Entwicklung ist zwingend auf Sicherheit, Stabilität und gefestigte staatliche Strukturen angewiesen. Unser Interesse ist es, dass die malischen Sicherheitskräfte die Terrorgruppen erfolgreich zurückdrängen und die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet behaupten können.

Das Ziel der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali ist es, die malischen Streitkräfte durch Ausbildung und Beratung mittelfristig in die Lage zu versetzen, wieder selbst für Stabilität und Sicherheit im Land zu sorgen. Es geht hier sozusagen um Hilfe zur Selbsthilfe.

Seit Anfang 2013 wurden im Rahmen der Mission bereits mehr als 7.500 Soldatinnen und Soldaten militärisch ausgebildet. Diesen erfolgreichen Weg wollen wir auch in den kommenden Monaten weitergehen und dafür das Mandat von EUTM Mali in fünf Punkten anpassen:

1. Der Fokus soll sich künftig noch stärker auf das Training und die Ausbildung von Ausbildern und Führungskräften richten. Dies kann schrittweise auch dezentral an wichtigen Standorten der malischen Streitkräfte geschehen.

2. Voraussetzung für eine dezentrale Ausbildung ist die Ausweitung des Einsatzgebietes. Künftig soll es bis zum Nigerbogen reichen – einschließlich der Städte Gao und Timbuktu. Natürlich geschieht dies immer unter der Maßgabe, dass die Sicherheitslage dies zulässt.

3. Auch die regionale Dimension wird eine größere Rolle spielen: Die Soldaten der EUTM können künftig auch Streitkräfte der G5-Sahel-Staatengruppe (Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad) ausbilden. Wenn die gemeinsame Ausbildung zu dauerhafter Zusammenarbeit führt, dann wäre das auch ein wichtiger Beitrag zur regionalen Sicherheitskooperation der G5.

4. Das neue Mandat trägt auch Fortschritten im Friedensprozess Rechnung: EUTM kann nun auch Einheiten ausbilden, die ehemalige Kämpfer bewaffneter Rebellengruppen integriert haben.

5. Im vergangenen Jahr hatten wir die Personalobergrenze im Hinblick auf die Übernahme der Missionsführung auf bis zu 350 Soldatinnen und Soldaten angehoben. Ab Juli 2016 wird Belgien diese Aufgabe übernehmen. Darum können wir die Obergrenze nun wieder auf 300 Soldatinnen und Soldaten absenken.

Insgesamt 23 EU-Partner sind bei EUTM Mali dabei – das ist also gelebte europäische Teamarbeit! Und vergessen wir nicht: Wir leisten damit auch einen Beitrag zur innereuropäischen Solidarität. Nach den furchtbaren Terroranschlägen vom 13. November 2015 hatte Frankreich seine EU-Partner um militärischen Beistand gebeten. Deutschland hat als einer der größten Truppensteller und durch die Übernahme der Missionsführung von EUTM Mali im vergangenen Jahr besondere Verantwortung übernommen.

Deutschland verfolgt einen umfassenden Ansatz zur weiteren politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilisierung der Sahel-Region. Militärisches Engagement ist dazu notwendig. Nachhaltig ist es aber nur als Teil eines Gesamtansatzes, bei dem politische, humanitäre und entwicklungspolitische Aktivitäten ineinandergreifen.

Zivile Krisenprävention, Konfliktnachsorge und Entwicklungszusammenarbeit stehen dabei im Vordergrund. Auch hier ist Deutschland im Rahmen der zivilen GSVP-Mission EUCAP Sahel Mali engagiert, die malische Polizeieinheiten ausbildet, berät und ausstattet.

Neben dem Engagement im EU-Rahmen ist Deutschland auch weiterhin bilateral aktiv. Wir unterstützen das malische Ministerium für Versöhnung in seiner zentralen Rolle bei der Umsetzung des Friedensvertrags.

Wir fördern Trainingskurse für westafrikanische Polizeikräfte als Vorbereitung auf Einsatz in Friedensmissionen, und wir unterstützen das Grenzmanagement der Afrikanischen Union in Mali. Geplant sind noch mehr Engagement bei der Reform des Sicherheitssektors und der Förderung des Rechtsstaats mit mehr als 2 Mio. Euro sowie stabilisierende Maßnahmen vor allem im Norden Malis. Ebenso unterstützen wir humanitäre Hilfsprogramme. Deutschland hat bisher mehr als 5 Mio. Euro investiert, damit Flüchtlinge im Norden des Landes in ihre Heimat zurückkehren können.

Daneben investiert Deutschland zwischen 2015 und 2017 mehr als 73 Mio. Euro in Entwicklungszusammenarbeit in Mali. Projekte sollen im Rahmen der Dezentralisierung die lokalen Behörden stärken, im Bereich Landwirtschaft die Ernährungssicherheit stärken und die Versorgung mit Trinkwasser und mit Sanitäranlagen sicherstellen.

Mali wird auch mittelfristig weiter ein Schwerpunkt unseres Engagements auf dem afrikanischen Kontinent bleiben. Denn wir haben ein erhebliches sicherheitspolitisches Interesse: Terrorismus, organisierte Kriminalität und Menschenschmuggel sind Geißeln, die Menschen in Flucht, Hoffnungslosigkeit und Tod treiben.

Das dürfen wir nicht zulassen! Deshalb übernehmen wir gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern Verantwortung. Um Frieden und Sicherheit in Mali dauerhalft zu gewährleisten, brauchen wir weiter das Mandat für EUTM Mali. Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen Ihre Unterstützung für die Mission.

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