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Rede von Staatssekretär Stephan Steinlein anlässlich der Vorstellung des Buchs „Die Einheit - das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess“
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, lieber Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!
Das Jahr 2015 ist voller Jubiläen. Doch für unsere deutsche Geschichte strahlt wohl keines so hell wie die 25. Wiederkehr der Wiedervereinigung, ein Jubiläum, das wir in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen feiern. Es ist wichtig, die Ereignisse von 1990 in Erinnerung zu behalten, aber auch gleichzeitig so viel wie möglich darüber zu erfahren und für die Nachwelt festzuhalten.
Viele Bücher sind über dieses Thema schon verfasst worden – und mancher könnte versucht sein zu fragen: Warum jetzt noch ein weiteres? Die Antwort: Dieses Buch nähert sich dem Thema aus einem ganz besonderen Blickwinkel.
„Die Einheit - das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess“ geht inhaltlich in eine Richtung, die bisher kaum beschritten wurde. Hier werden zwei Institutionen und ihr Wirken im Rahmen der Aushandlung des Zwei-plus-Vier-Vertrages in den Blick genommen. Der immense Einsatz der Mitarbeiter, der weitgehend ohne öffentlichkeitswirksame Auftritte erfolgte, in langen Arbeitstagen und mancher Nacht, mit großem Zeitdruck und bis zur Erschöpfung, er findet vor allem seinen Niederschlag in der Auswahl von 170 Dokumenten und eindrucksvollen Bildern.
Das Institut für Zeitgeschichte, das seit 25 Jahren im Auftrag des Auswärtigen Amts die „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ herausgibt, hat das Desiderat erkannt, dass bisher noch niemand den Zwei-plus-Vier-Prozess aus der Sicht der Außenministerien geschildert hat. Die Herausgeber Horst Möller, Ilse-Dorothee Pautsch, Gregor Schöllgen, Hermann Wentker und Andreas Wirsching haben es sich zur Aufgabe gemacht, den spezifischen und keinesfalls nebensächlichen Beitrag des Auswärtigen Amts und des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR an der Vorbereitung der endgültigen Vereinbarung herauszustellen. Denn genau dieser Aspekt, die praktische Arbeit auf der Ebene der Mitarbeiter der Ministerien, im Zwei-plus-Vier-Prozess, ist bisher weitgehend unbeleuchtet geblieben.
Im Sommer 2013 haben die beiden Bearbei-ter, Frau Dr. Heike Amos und Herr Dr. Tim Geiger, beide ausgewiesene Experten auf dem Gebiet der deutschen Zeitgeschichte, ihre Recherchen begonnen. Ihr Material fanden sie natürlich zu allererst im Politischen Archiv hier im Hause, das ja auch die Überlieferung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR bewahrt. Über intensive Archivrecherchen hinaus führten Frau Amos und Herr Geiger zahlreiche Zeitzeugengespräche; einige ihrer Interviewpartner sind heute Abend hier, gleich auf dem Podium und auch hier im Saal.
Die Dokumente, die in dieser Edition vorgelegt werden, illustrieren die Entstehung des 2 + 4 Vertrages aus ungewohnten Blickwinkeln. Es ist die herausragende Leistung von Frau Amos und Herrn Geiger, dass sie diese Dokumente mit kluger Kommentierung ergänzten, einer Kommentierung, die jedes einzelne Dokument in einen Kontext setzt und die Verfasser der Berichte, Vermerke und Aufzeichnungen sichtbar macht, nicht zuletzt durch ein Personenregister, das sich wie das Who is Who der deutschen Einheit liest.
Die Edition beginnt mit dem Vermerk eines stellvertretenden Referatsleiters über die DDR-Flüchtlinge in Ungarn, ein Thema, das ab Anfang Juli 1989 die Rechtsabteilung stark beschäftigen sollte. Neben vielen Vermerken, Drahterlassen und –berichten finden sich beispielsweise auch Tagebuch-aufzeichnungen, wie die von Thomas Strieder, der die Situation in Prag als Mitarbeiter der Botschaft hautnah erlebte und eindrucksvoll beschreibt.
Die Verhandlungsrunden des Zwei-plus-Vier- Prozesses werden auf allen Ebenen veranschaulicht. Sie umfassen ja nicht nur die Treffen der Außenminister in den Hauptstädten, sondern auch die Konsultationen der Spitzenbeamten in Bonn und Ost-Berlin. Sie sind es im Wesentlichen, die nach der Phase der Konzeption in der Phase der Redaktion eine ganz ungeheuerliche Arbeitsleitung, gleichsam bis zur letzten Minute vor der Unterzeichnung, an den Tag legten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Zwei-plus-Vier-Prozess war die außenpolitische Unterfütterung der Wiedervereinigung. Und gleichzeitig besiegelte er das Ende einer der Institutionen, die an seiner Aushandlung beteiligt waren. Am letzten Arbeitstag, dem 2. Oktober 1990, dankt Kersten Radzimanowski als geschäftsführender Minister den Mitarbeitern des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR für ihren Einsatz, der „oft über das normale Arbeitspensum hinausging“ (Dok. 163). Diese Kolleginnen und Kollegen – und ich war damals, ganz gleich wie unser früherer Lebenslauf war, ihr Kollege – haben in dieser Phase loyal und mit hohem Einsatz an ihrer Selbstabschaffung gearbeitet. Zumindest dafür gebührt ihnen auch heute noch unser Dank und Respekt.
Am gleichen Tag sendet Franz Josef Bertele seinen letzten Drahtbericht als Ständiger Vertreter nach Bonn mit den Worten „Hiermit verabschiedet sich die Ständige Vertretung von den Lesern ihrer Berichte, ab morgen wird unser Land vereinigt sein.“ (Dok. 165)
Sehr geehrte Damen und Herren,
die deutsche Wiedervereinigung hat die Welt beschäftigt und tut es noch immer. Sie hat andere Staaten, wie zum Beispiel Korea, dazu ermutigt, über ihre Wiedervereinigung nachzudenken und Wege dahin zu suchen. Das war für uns Deutsche eine Sternstunde der Geschichte, aber auch eine Sternstunde der Diplomatie!
Den Bearbeitern Frau Amos und Herrn Geiger, den Herausgebern und auch den Mitarbeitern des Politischen Archivs danke ich für dieses Buch, für ihre ausgezeichnete Sachkenntnis und ihren Einsatz dafür, dass es entstehen konnte.
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Ehrengast für den heutigen Abend eingeladen war auch Minister a. D. Hans-Dietrich Genscher. Leider kann Herr Genscher aus gesundheitlichen Gründen heute nicht hier sein. Ich hatte jedoch die Gelegenheit, heute mit ihm zu telefonieren. Er bat mich Ihnen allen seine besten Grüße auszurichten und das folgende Grußwort zu verlesen, was ich gerne tue:
„Der heutigen Veranstaltung wünsche ich einen guten Verlauf. Meine herzlichen Grüße gelten allen Teilnehmern und mein herzlicher Dank gilt allen Mitarbeitern für die vorbildliche Leistung, die sie im Zusammenhang mit den 2 + 4-Verhandlungen erbracht haben.
Die jahrzehntelangen Bemühungen um die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands haben damit ihren Abschluss und ihre Krönung erfahren.
Zu ihren unverzichtbaren Elementen gehören die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland durch die Mitgliedschaft im westlichen Bündnis und in der Europäischen Union, die Teilnahme und gestaltende Rolle am KSZE-Prozess und die deutsche Ostvertragspolitik. Diese Grundhaltung wird auch die Außenpolitik des vereinten Landes bestimmen.
Der 2 + 4-Vertrag erfüllte zugleich das Ziel des Harmel-Berichts der NATO von 1967. Die Charta von Paris vom 21. November 1990 schließlich sollte nach dem Willen der Unterzeichner eine neue Perspektive für das Ost-West-Verhältnis eröffnen.
Die Dringlichkeit dieser Aufgabe empfinden wir gerade in dieser Zeit.“
Vielen Dank!