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„Cyber-Außenpolitik“. Rede des Sonderbeauftragten für Cyber–Außenpolitik im Auswärtigen Amt, Norbert Riedel, beim Internet Governance Forum Deutschland

21.05.2015 - Rede

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung und Danke, Frau Dr. Wagner, für ihre begrüßenden Worte.

Das Thema Internet Governance ist für die deutsche Cyber-Außenpolitik von zentraler Bedeutung.

Es berührt zahlreiche außenpolitische Aspekte, sei es der Schutz der Menschenrechte im digitalen Zeitalter, der Sicherheit des Internets oder des Aufbaus von Kapazitäten.

Wir wollen zu diesen Fragen einen sektorübergreifenden Gedankenaustausch mit allen betroffenen Stakeholdern.

Das ist das, was wir neudeutsch „Multistakeholder“-Beteiligung nennen.

Nur so können wir allen Aspekten und der Komplexität der Themen gerecht werden.

Ich freue mich deshalb besonders, dass ich heute am IGF-Deutschland teilnehmen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit der NETmundial Konferenz in Sao Paolo im April 2014 hat sich die Debatte um die Internet Governance sichtbar verbreitert.

Es geht schon lange nicht mehr nur um die Vergabe von Domainnamen oder um die technischen Feinheiten des Netzwerkes der Netzwerke.

Internet Governance meint Schutz der Menschenrechte, Beteiligungsmöglichkeiten, Zugang zu Wissen, Kreativität, Innovation und Wachstumsmärkte.

Ich bin überzeugt, dass Internet Governance jeden einzelnen von uns betrifft – ob man nun den Begriff „Internet Governance“ verwendet oder nicht.

Es geht dabei um die Rahmensetzung für die Organisation und die zukünftige Entwicklung des Internets.

Es geht um die Entwicklung von Leitlinien für die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags.

Und es geht um den Schutz und die Achtung gemeinsamer Normen und Werte.

Die Digitalisierung betrifft jeden Einzelnen.

Und weil jeder betroffen ist, benötigen wir einen Dialog.

Der Dialog zwischen den verschiedenen Stakeholdern ist unabdingbar.

Der „Cyberbereich“ ist zu komplex, um von einer Person oder einem Stakeholder alleine gemanagt zu werden.

Wir alle, als individuelle Nutzer und als Repräsentanten verschiedener Stakeholder müssen zusammenarbeiten, um mögliche Lösungen zu diskutieren.

Wir müssen reden.

Aber, wir müssen auch handeln.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Lassen Sie mich einige Punkte zur deutschen Cyber-Außenpolitik sagen.

Ziel dieser Politik ist ein freies, sicheres, dezentrales und offenes Internet.

Ein Internet, in dem sich alle Menschen frei und sicher bewegen.

Dafür brauchen Staaten das Vertrauen ihrer Bürger und dafür brauchen Unternehmen das Vertrauen ihrer Kunden.

Ich glaube, wir alle wissen, dass dieses Vertrauen Schaden genommen hat.

Ein chinesisches Sprichwort sagt:

Vertrauen kommt zu Fuß und es geht auf einem Pferd.

Um Vertrauen aufzubauen und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, brauchen wir Regeln.

Wir brauchen gemeinsame Regeln und Prinzipien, die das Verhalten im Cyberraum anleiten, um eine gemeinsame Ordnung zu schaffen, die allen dient.

Dafür muss bestehendes Völkerrecht auch im digitalen Raum geachtet und durchgesetzt werden.

Es kann aber auch einen Bedarf an neuen Regeln geben, an Regeln, die nicht nur Staaten binden, um entstehende Herausforderungen der digitalen Revolution zu meistern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Um diese Ordnung zu erreichen, verfolgt die deutsche Cyber-Außenpolitik drei strategische Ziele:

Sicherheit, Vertrauen und Freiheit.

Die Cyber-Außenpolitik – und damit wir, das Auswärtige Amt - versucht dabei nationale Projekte, wie die deutsche „Digitale Agenda“, in die digitale Agenda der EU und in internationale Zusammenhänge einzubetten.

In diesem Prozess ist es wichtig, dass wir nicht nur international aktiv sind, sondern dass wir selbstverständlich auch Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft einbinden.

Was machen wir konkret?

Für eine Stärkung der Cybersicherheit setzen wir auf verschiedene Instrumente.

Erstens müssen wir Normen staatlichen Verhaltens im Cyberraum entwickeln. Cyber-Attacken (inkl. Cyber-Spionage und Cyber-Sabotage) können zu Spannungen und potentiell Eskalation führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Verursacher nicht eindeutig zuzuordnen ist.

Cyberfähigkeiten können schlecht durch traditionelle Sicherheitsstrategien reguliert werden.

Deshalb streben wir an, innerhalb der Staatengemeinschaft Regeln für internationale Cybersicherheit zu erarbeiten.

Das Stichwort lautet hier „Völkerrecht des Netzes“.

Das bedeutet nicht unbedingt, ein neues, vertragliches Völkerrechtsinstrument zu vereinbaren.
Zunächst kommt es darauf an, festzustellen, wie genau das bestehende Völkerrecht im Cyberraum anwendbar ist.

Hierfür sind wir vor allem im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv.

Deutschland arbeitet dort aktiv an einer hochrangigen Expertengruppe mit, die bereits klar bestimmt hat, dass das Völkerrecht auch im Cyberraum gilt.

In der aktuellen Runde wird nun weiter diskutiert, wie Völkerrecht im Cyberraum gilt. Wir erwarten dazu kommenden Monat einen Bericht.

Zweitens müssen wir Kapazitäten im Cyber-Sicherheitsbereich aufbauen.

Dazu zählen wir die Umsetzung der sog. Enhanced Cyber Defense Policy der NATO, aber auch Kooperationen innerhalb der EU wie die EU-Cybersicherheitsstrategie und nationale Projekte.

Ziel ist es, unsere IT-Systeme resilienter zu machen.

Drittens wollen wir die Cybersicherheit durch „Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen“ erhöhen.

Zum Beispiel innerhalb der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Nachdem wir 2013 eine Reihe von solchen Maßnahmen identifiziert hatten, geht es nun darum, dieses Instrument umzusetzen.

Deutschland wird im kommenden Jahr den OSZE-Vorsitz innehaben und den Prozess weiter aktiv voranbringen.

Damit komme ich zur zweiten Dimension, dessen, was wir wollen: Vertrauen.

Für den Aufbau von Vertrauen zwischen Staaten sind aus unserer Sicht bilaterale Gesprächsformate entscheidend.

Dort können nicht nur Positionen und Informationen ausgetauscht, sondern auch gemeinsames Vorgehen abgestimmt werden.

Zu diesem Zweck betreiben wir formelle Cyber-Konsultationen mit China und den USA, in der Vergangenheit auch mit Russland und künftig auch mit Brasilien, einem unserer inzwischen zentralen Partner wenn es um Cyber-Außenpolitik geht.

Darüber hinaus führen wir eine Vielzahl von Dialogen, an denen nach Möglichkeit auch andere Stakeholder beteiligt sind.

Hierzu zählt der Runde Tisch Internet und Menschenrechte, den wir alle paar Monate im Auswärtigen Amt ausrichten und zu dem ich Sie gern einlade, sich aktiv zu beteiligen.

Der nächste wird voraussichtlich im Juni stattfinden.

Sollten Sie Interesse haben und noch nicht auf unserem Verteiler stehen: geben Sie uns Bescheid!

Unser Ziel ist es, diese und weitere Gespräche weiter auszubauen.

Nach Sicherheit und Vertrauen ist das dritte strategische Ziel der deutschen Cyber-Außenpolitik: Freiheit.

Wir setzen uns dabei insbesondere für drei Aspekte ein:

Erstens, für den Schutz der Menschen- und Freiheitsrechte im digitalen Raum.

Individuen haben online wie offline die gleichen Rechte – Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder des Rechts auf Privatsphäre sind im digitalen Raum genauso eng begrenzt wie in der analogen Welt.

Für uns spielen in diesem Zusammenhang die Vereinten Nationen, insbesondere der Menschenrechtsrat, eine zentrale Rolle.

Gemeinsam mit Brasilien haben wir zwei Resolutionen für den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter eingebracht, die beide im Konsens in der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden.

Ein weiterer Erfolg ist die Berufung eines neuen Sonderberichterstatters für das Recht auf Privatsphäre, der im Juni im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ernannt werden soll.

Zudem ist Deutschland 2013 der Freedom Online Coalition beigetreten.

Dies ist ein Zusammenschluss von mittlerweile 26 Mitgliedstaaten, die sich über geografische – und geopolitische – Grenzen hinweg für den Schutz der Menschen- und Freiheitsrechte im Internet einsetzen.

Der zweite Aspekt ist die Entwicklung globaler Internetprinzipien.

Beispielhaft seien hier die NETmundial-Prinzipien zu nennen.

Darauf aufbauend wird nun die „NETmundial-Initiative“, unter Einbeziehung der Empfehlungen des IGF, insb. Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau unter Weiterentwicklung dieser NETmundial-Prinzipien lancieren.

Diese globalen Internetprinzipien, die wir als handlungsanleitend für alle Stakeholder verstehen, sind auch mit dem dritten Aspekt der Freiheit verbunden.
Ein freies, dezentrales und offenes Internet bedeutet schließlich auch, dass jeder Einzelne – ob in Europa, Asien oder Afrika, Zugang zum Internet, Zugang zu unserer Wissensgesellschaft hat.

Das Ideal der Wissens- und Informationsgesellschaft wurde u.a. mit den zwei Weltinformationsgipfeln in Genf 2003 und Tunis 2005 festgeschrieben.
Auf den damals in die Wege geleiteten Prozess blicken wir nach nunmehr zehn Jahren im Dezember dieses Jahres in einem hochrangigen Treffen am Rande der VN-Generalversammlung zurück.

Trotz aller Fortschritte dürfte dabei allen klar sein, dass wir von einer globalen Wissensgesellschaft noch ein gutes Stück entfernt sind.

In diesem Zusammenhang haben wir übrigens innerhalb der Bundesregierung einen Leitfaden zum Cyber Capacity Building erarbeitet, der uns künftig bei der Förderung und Unterstützung von Projekten als Orientierung dienen soll.

Immer mit dem Ziel vor Augen:

Das Internet soll frei, offen, dezentral und sicher sein.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zusammengefasst heißt das:

Das Auswärtige Amt arbeitet in den Bereichen Sicherheit, Vertrauen und Freiheit, um ein freies, sicheres, dezentrales und offenes Internet zu gewährleisten.

Dabei setzen wir ausdrücklich auf einen Austausch im Multistakeholder-Format.

Im Netz sind wir alle, egal, welche Rolle wir haben, als Nutzer miteinander verbunden – und in diesem Sinne sollte auch die Internet Governance aufgebaut sein.

Der Versuch einiger Staaten, die Internet Governance stärker an die Vereinten Nationen zu binden und den Einfluss von Staaten zu erhöhen, ist letztlich ein Wunsch nach Kontrolle und Sicherheit.

Unsere Aufgabe ist es daher, Verständnis dafür zu schaffen, dass die Einbeziehung von Stakeholdern, dass dieser Pluralismus, nicht die eigene Position schwächt, sondern stärkt.

Gerade jetzt ist es umso wichtiger, dass wir diesen Dialog führen - offen und zielgerichtet.

Daher bedanke ich mich nochmals für die Einladung und freue mich auf Ihre Fragen.

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