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„Es gibt keine Aufgabe, die ich lieber machen würde“

31.12.2014 - Interview

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview mit der „Bunten“ über die Ukraine-Krise und die besonderen Herausforderungen seines Amtes. Erschienen am 31.12.2014

Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Interview mit der „Bunten“ über die Ukraine-Krise und die besonderen Herausforderungen seines Amtes. Erschienen am 31.12.2014

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Werden Sie Skifahren gehen?

Über Weihnachten mache ich mit Frau und Tochter traditionell erst unsere Deutschlandtour mit Verwandtenbesuchen und anschließend fahren wir ein paar Tage nach Südtirol. Schlafnachholen, viel frische Luft und hoffentlich keine Störungen für Feuerwehreinsätze irgendwo in der Welt. ´

Machen Sie sonst eigentlich Sport?

Ob Sie es glauben oder nicht! Fußball zwar nur noch vorm Fernseher oder von der Stadiontribüne. Aber am Wochenende gehe ich tatsächlich ins Sportstudio bei mir um die Ecke aufs Laufband. Eine größere Bergtour im Jahr, wo man sich richtig den Kopf freilaufen kann, lasse ich mir nicht nehmen.

Denken Sie rund um die Uhr über Lösungsvorschläge nach oder können Sie auch mal für Momente abschalten?

Die vielen Krisen und Konflikte um uns herum lassen auch mich nicht kalt. Nach schwierigen Gesprächen zum Beispiel in der Ukraine-Krise, wo Deutschland eine wichtige Rolle spielt, ist es nicht ganz leicht, auf Knopfdruck abzuschalten und ruhig ins Bett zu gehen. Ich frage mich dann schon, wo man hätte weiterkommen können, ob der eigene Vorschlag nicht geeignet genug war oder ob es an den störrigen Verhandlungspartnern lag. Ich versuche trotzdem, das bisschen, das von meinem Familienleben bleibt, von den politischen Problemen freizuhalten. Das haben meine Frau und ich schon immer so gehalten. Aber natürlich spürt die Familie das ganze Jahr über die hohe Anspannung.

Wann schlafen Sie eigentlich?

Ich habe mir antrainiert, portionsweise zu schlafen. Sechs, sieben Stunden Schlaf am Stück bekomme ich nie. Im Flugzeug oder bei Autofahrten hole ich gelegentlich ein zusätzliches Stündchen nach. Am Anfang machte mir das Schwierigkeiten. Mittlerweile geht es. Gott sei Dank leide ich nicht unter Jetlag-Erscheinungen. Das hilft ungemein.

Die Deutschen lieben die Kanzlerin – und Sie. Ein schönes Kompliment bei der harten Arbeit, oder?

Die vielen Krisen in der Außenpolitik berühren und besorgen die Menschen. Deshalb bemühe ich mich, nicht im Wettstreit mit den Lautsprechern dieser Welt zu sein. Ich versuche zu zeigen, dass wir den Konflikten nicht ohnmächtig ausgeliefert sind, sondern mit kluger Politik dazu beitragen können, diese zu entschärfen. So, wie wir das jetzt über viele Monate in der Ukraine versucht haben. Natürlich würde ich mich freuen, wenn jetzt zum Jahresende hin in der Ostukraine ein gewisses Maß an Ruhe und Stabilität einkehrt. Wir sind dann zwar immer noch weit entfernt von einer politischen Lösung. Aber wenn keine Menschen mehr sterben, wäre Vieles gewonnen.

Bewegt Sie die Ukrainekrise besonders?

Ja, das tut sie. Es ist ein Konflikt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, der große Sprengkraft für den Frieden auf unserem Kontinent hat. Wir Europäer sind hier besonders stark gefordert. Wir können die Verantwortung nicht auf Amerika abwälzen, sondern müssen sie zu einem großen Teil selbst tragen.

Für Außenstehende scheint es, als hätten Sie einen wesentlich besseren und persönlicheren Zugang zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin als die Kanzlerin.

Wir beide versuchen die Kontakte, die wir haben, bestmöglich zu nutzen, um den Konflikt in der Ukraine zu entschärfen. Im Übrigen: Unser Russland-Bild ist viel zu Moskau-zentriert. Russland besteht nicht nur aus Moskau und nicht alleine aus dem Kreml. Ich komme gerade zurück von einer Reise in den südlichen Ural auf der Grenze von Europa und Sibirien. Einmal im Jahr halte ich dort an der Universität eine Vorlesung. Es ist bewegend, wie die Menschen, fern von Moskau, ihr Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland äußern.

Und die Menschen in der Hauptstadt?

Was Moskau, den Kreml und Putin selbst angeht, kommt es aus meiner Sicht darauf an, dass wir Klarheit zeigen bei der Beurteilung und Bewertung dessen, was in der Ukraine passiert ist. Dazu gehört es einerseits deutlich zu sagen, dass die Annexion der Krim eine Verletzung des Völkerrechts ist. Andererseits müssen wir Gesprächskanäle zu Russland offen halten. Es wäre fahrlässig, alle Austauschmöglichkeiten, die wir haben, zu kappen. So schwierig die Gespräche sind, so tragen sie dazu bei, neue Missverständnisse zu vermeiden und haben die Chance zur Entschärfung beizutragen. Es ist unser höchsteigenes Interesse, dass wir Diplomatie und Außenpolitik dafür einsetzen. Dazu gehört es, im Gespräch zu bleiben.

Sprechen Sie mit Putin Deutsch?

Nein. Wenn wir uns in offiziellen Delegationsgesprächen gegenüber sitzen, wird deutsch-russisch übersetzt. Gelegentlich benutzt der Präsident sein glänzendes Deutsch, um Botschaften zu verstärken oder zu unterstreichen.

Hand aufs Herz: Haben Sie im vergangenen Jahr mal für eine Sekunde gedacht, was tue ich mir hier bloß an?

Im Gegenteil, ich sage immer: Über meinen Job darf ich mich bei niemandem beschweren. Ich wollte es ja so haben! Und trotz aller Belastung: Es gibt keine Aufgabe, die ich lieber machen würde.

Interview: Tanja May. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Bunten.

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