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„Ein echter Freund hintergeht einen nicht“

26.10.2013 - Interview

Harald Leibrecht, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, über den Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Erschienen in der Welt am 26.10.2013

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Herr Leibrecht, wie groß ist in diesen Tagen noch Ihre Freude über Ihr Amt?

In Anbetracht der Abhör-Affäre hält sich die Freude in Grenzen. Es tut schon weh. Eigentlich dachten wir, dass sich die Beziehungen zu den USA wieder verbessert hätten. Unser Vertrauen ist jetzt erschüttert.

Haben Sie Gespräche mit der amerikanischen Seite über die mutmaßliche Überwachung des Handys von Angela Merkel gesprochen?

Ich war erst vor kurzem wieder in den USA unterwegs und habe dort viele Gespräche geführt, auch über die NSA-Ausspähungen. Ich werde jetzt jede Gelegenheit nutzen, den Amerikanern klar zu machen, dass wir diese Vorgänge inakzeptabel finden. Die Einbestellung des US-Botschafters durch den Außenminister zeigt ja auch klar, dass wir nicht mehr um den heißen Brei herumreden wollen.

Fürchten Sie, dass die Amerikaner auch Sie abhören?

Ich bin weder Kanzler noch Außenminister. Wir wollen sicher sein können, dass wir von unseren Freunden nicht abgehört werden.

Was bedeutet die neue Lage für das deutsch-amerikanische Verhältnis?

Amerika bleibt unser wichtigster Verbündeter außerhalb der Europäischen Union. Die Affäre überschattet jedoch unsere Gespräche sowohl über das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen als auch über weitere Vereinbarungen zur Datenübermittlung. Daher müssen diese Fragen jetzt schnell gelöst und das Vertrauen durch die amerikanische Regierung wieder hergestellt werden.

Wie würden Sie Freundschaft definieren?

Wenn man sich gegenseitig absolut vertrauen kann, dann ist es Freundschaft. Ein echter Freund hintergeht einen nicht. Ein Freund behandelt Informationen immer vertraulich. Die stabile Vertrauensbasis zu den USA ist ganz zentral für unsere Zusammenarbeit. Jetzt hat die Freundschaft einen Knacks bekommen.

Sind die USA noch die Freunde, die sie mal waren?

Die USA sind unsere Freunde. Auf dem internationalen Parkett treten wir mit ihnen gemeinsam stark auf. Momentan wissen wir aber nicht genau, wie wichtig ihnen Europa und Deutschland ist.

Von einer bedingungslosen Freundschaft kann man also nicht mehr sprechen.

Es gibt keinen Automatismus mehr für die deutsch-amerikanische Freundschaft. Jetzt müssen wir vor allem offen miteinander reden.

Wo liegt der deutsche Nutzen an einem guten Verhältnis zu den USA?

Wir teilen viele gemeinsame Werte und wir haben den USA sehr viel zu verdanken. Sie sind enge Verbündete in Außen- und Sicherheitsfragen. Sie sind ein extrem wichtiger Handelspartner. Daher wollen wir auch weiterhin über das Freihandelsabkommen verhandeln, das in unserem Interesse ist.

Werden die Gespräche mit den USA über das Abkommen unter veränderten Voraussetzungen geführt?

Wir werden nun sehr sensibel über die Freigabe von Daten verhandeln. Aber ich warne davor, deswegen die gesamten Verhandlungen ins Stocken geraten zu lassen.

Täuscht der Eindruck, dass die Amerikaner die Aufregung in Europa über Ausspähungen relativ kalt lässt?

Im Sommer hätte man zu diesem Eindruck kommen können. Inzwischen steigt die Zahl der Kritiker in den USA an dem Vorgehen der Regierung. An den Universitäten wird diese Politik besonders kritisch kommentiert. Ich erwarte von der US-Regierung, dass sie eine Neubewertung der Vorgänge vornimmt. Der Schaden steht in keinem Verhältnis zu dem Nutzen.

Sind Sie dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden dankbar, dass wir nun besser über die Praktiken der USA informiert sind?

Vieles sehen wir heute in einem neuen Licht. Wie viel davon mit Herrn Snowden zu tun hat, kann ich nicht einschätzen.

Hat Snowden Asyl in Deutschland verdient?

Jeder politisch Verfolgte kann in Deutschland Asyl beantragen. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung den Fall weiter beobachtet. Alles Weitere wäre aber jetzt Spekulation. Herr Snowden hat sich vorerst entschieden, in Russland zu sein.

Interview: Karsten Kammholz. Überhame mit freundlicher Genehmigung der Welt.

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