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„Chemiewaffen gehören weltweit geächtet“

10.09.2013 - Interview

Außenminister Guido Westerwelle sprach sich im Interview mit der Passauer Neuen Presse dafür aus, Chemiewaffen in Syrien schnell unter internationale Kontrolle zu stellen. Die Weltgemeinschaft könne angesichts des ersten Chemiewaffeneinsatzes im 21. Jahrhundert nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, so Westerwelle. Erschienen in der Passauer Neuen Presse vom 10.09.2013.

Die USA verlangen von Diktator Baschar al-Assad und seinem Regime die Übergabe aller Chemiewaffen binnen einer Woche. Überraschend drängt auch nun Russland Syrien zur Vernichtung seiner chemischen Waffen. Kann ein Militärschlag womöglich noch in letzter Minute verhindert werden?

Wenn sichergestellt würde, dass die Chemiewaffen des Assad-Regimes nicht mehr eingesetzt werden können, wäre das ein großer Schritt vorwärts. Ich begrüße jede Initiative, die Chemiewaffen in Syrien unter internationale Kontrolle zu stellen. Je schneller das geschieht, umso besser. Chemiewaffen gehören weltweit geächtet und vernichtet. Allerdings sollte man angesichts der bisherigen Haltung des Assad-Regimes nicht großer Hoffnung sein.

Das Weiße Haus räumt ein, bisher über keine hundertprozentigen Beweise zu verfügen, dass Assads Regime hinter dem Giftgaseinsatz in Syrien steht. Kann man sich in einem solchen Fall auf Mutmaßungen und Plausibilitäten verlassen?

Dass Chemiewaffen eingesetzt worden sind und die Verantwortung dafür beim syrischen Regime liegt, ist auch aus unserer Sicht plausibel. Die Inspekteure der Vereinten Nationen sollten jetzt ihre Untersuchungen abschließen können. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen müssen abgewartet werden, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. So hat der französische Präsident Hollande angekündigt, erst zu handeln, nachdem der UN-Untersuchungsbericht vorliegt. Ich würde es begrüßen, wenn sich die USA dem anschließen würden.

Erst keine deutsche Unterschrift unter die Syrien-Erklärung des G20-Gipfels, dann doch - hat die Bundesregierung mit ihrem „Zickzackkurs“ nicht einen großen Fehler gemacht?

Im Gegenteil. Deutsche Außenpolitik ist an unseren Interessen orientiert und von unseren Werten geleitet, sie ist europäisch eingebettet. Es ist uns gelungen, in Wilna eine einstimmige Haltung der Europäischen Union zu erreichen. Augenscheinlich war unsere Verhandlungsstrategie erfolgreich.

Während Deutschland noch zögerte, haben sich vier große europäische Nationen sofort der G20-Erklärung zu Syrien angeschlossen. Die Kanzlerin hat das Vorgehen Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens als „nicht in Ordnung“ kritisiert...

Es ist unser europäischer Ansatz, auch die Haltung der kleineren und mittleren Staaten zu berücksichtigen, die bei G20 nicht mit am Tisch sitzen. Wer Europas Stimme Geltung verschaffen möchte, dem muss eine gemeinsame Haltung Europas sehr am Herzen liegen. Dass wir das jetzt in einer wirklich schwierigen Frage und komplexen Lage hinbekommen haben, ist auch das Ergebnis unserer Verhandlungsführung.

Die Opposition sieht das anders: SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht von „einem Totalversagen der deutschen Außenpolitik“.

Die Lage ist wirklich viel zu ernst, um daraus parteipolitisches Kapital schlagen zu wollen. Fragen von Krieg und Frieden sollten wir in Deutschland nicht zum Gegenstand innenpolitisch motivierter Wahlkampfauseinandersetzungen machen.

Syriens Diktator Assad droht für den Fall eines Angriffs mit militärische Attacken etwa gegen Israel und die Türkei. Ist es aus amerikanischer Sicht richtig, von vornherein alles auszuschließen, was über Luftschläge hinausgeht?

Ich beteilige mich an solchen Spekulationen nicht. Die Amerikaner haben sich noch nicht festgelegt, die Beratungen der Abgeordneten beginnen ja gerade. Klar ist aber auch, dass die Weltgemeinschaft angesichts des ersten Chemiewaffeneinsatzes im 21. Jahrhundert nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Es bleibt unser eindringlicher Appell an Russland, dem Regime in Damaskus seine schützende Hand im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu entziehen.

Manche SPD-Außenpolitiker schlagen vor, die Kreml-Kontakte von Altkanzler Gerhard Schröder zu nutzen, um Präsident Wladimir Putin zum Einlenken zu bewegen...

Die Bundesregierung ist im engsten Gespräch mit Russland, mit China und mit allen Staaten der Region, einschließlich Iran. Auch zuletzt in St. Petersburg beim G20-Gipfel habe ich intensiv mit Außenminister Lawrow gesprochen. Moskau hat bisher leider keine konstruktive Haltung im Sicherheitsrat eingenommen. Ich glaube nicht, dass man Präsident Putin mit Leisetreterei zum Einlenken bewegen kann.

Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder bekräftigt. Wie würde sich Deutschland im Falle eines syrischen Angriffs auf Israel verhalten?

Was die Bundeskanzlerin für Deutschland gesagt hat, bedarf keiner weiteren Interpretation.

Die UN warnen vor einem Militärschlag gegen Syrien und fordern die unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen aus der Region in Europa. Wozu ist Deutschland bereit?

17.000 Syrer haben bei uns in Deutschland bereits Zuflucht gefunden. Die ersten der 5.000 Flüchtlingen, die Deutschland darüber hinaus aufnehmen wird, stehen kurz vor der Einreise. Der Flüchtlingskomnissar der Vereinten Nationen hat das humanitäre Engagement Deutschlands ausdrücklich gewürdigt. Wir verhalten uns vorbildlich und geben hoffentlich auch Europa ein Beispiel. Wenn sich andere Staaten anschließen und in ähnlicher Größenordnung Flüchtlingen aufnehmen würden, wäre das ein außerordentlich gutes Signal.

Die Fragen stellte Rasmus Buchsteiner. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse.

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