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„Die Bürger in ganz Europa mitnehmen“

18.07.2013 - Interview

Am 19. und 20. Juli findet auf der spanischen Insel Mallorca ein „Runder Tisch über die Zukunft Europas“ europäischer Außenminister statt. Außenminister Westerwelle, der gegenwärtig auf der Baleareninsel seinen Urlaub verbringt, spricht im Interview mit dem „Mallorca Magazin“ (18.07.2013) darüber.

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Am Freitag und Samstag wird in Palma wieder über Europa geredet. Im vergangenen Jahr tagte hier schon die EU-Zukunftsgruppe. Dieses Mal handelt es sich um einen „runden Tisch über die Zukunft Europas“. Was hat es damit auf sich?

Im letzten Jahr haben wir in der Runde von elf Außenministern, der sogenannten Zukunftsgruppe, konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung Europas erarbeitet. Jetzt geht es in einem größeren Rahmen, mit zahlreichen Außenministern und auch mit Vertretern des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, darum, gemeinsam ein pro-europäisches Momentum zu schaffen. Wir wollen zusammen den Boden dafür bereiten, mit positiven Entschlossenheit weiter an Europa zu arbeiten.

Europa soll sich fortbewegen. Können Sie das etwas konkretisieren? Oder ist der Sinn dieses Treffens gerade der, dass die Inhalte allgemeiner gehalten sind?

Nachdem wir mit der Zukunftsgruppe sehr viele konkrete Vorschläge gemacht haben, wie man Europa institutionell verbessern kann, müssen wir jetzt überlegen, wie wir die Bürger in ganz Europa mitnehmen können. Wie können wir der verbreiteten Skepsis gegenüber Europa eine positive Haltung entgegensetzen? Wie entwickeln wir Europa auch jenseits der Wirtschafts- und Finanzkrise weiter? Die Europäische Union ist in ihrem Kern eine Wertegemeinschaft. Es geht deshalb auch um die Absicherung und Vertiefung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Der erwähnte „runde Tisch“ findet hier in Palma statt, also in Spanien. Sie als deutscher Außenminister sind aber, neben ihrem spanischen Amtskollegen, Gastgeber. Wie definieren Sie Ihre Rolle bei dem Treffen?

Der spanische Außenminister und ich sind Ko-Gastgeber, aber ich bin sehr dankbar für die Gastfreundschaft der spanischen Regierung. Diese Zusammenarbeit zeigt, dass es die von manchen behauptete Trennung in Nord- und Südeuropa so nicht gibt. Mit gutem Willen gelingt uns in Europa ausgezeichnete Zusammenarbeit. Unsere gemeinsame Einladung nun schon zum zweiten Mal ist auch Ausdruck der Intensität des deutsch-spanischen Verhältnisses.

Sie haben schon im MM-Interview vor einem Jahr die Anstrengungen Spaniens hinsichtlich der Reformpolitik gelobt. Wie sieht ihre Analyse des Landes für die vergangenen zwölf Monate aus?

Ich glaube, dass man in ganz Europa bei allen Schwierigkeiten die Ohren wieder öffnen muss für die guten Nachrichten. Natürlich gibt es auch in Spanien noch eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit, und wir sind in Europa noch lange nicht über den Berg. Die spanische Regierung hat aber viele richtige Entscheidungen getroffen und beherzte Reformen ins Werk gesetzt, darunter auch manche schwierige und schmerzhafte. Es gibt die ersten Anzeichen, dass sich das jetzt auszuzahlen beginnt. Es sind auch anderswo positive Entwicklungen zu beobachten, wie in Portugal und in Griechenland. Dazu gehört, dass Athen gerade den Zuschlag für das große Pipeline-Projekt TAP für Gas vom Kaspischen Meer erhalten hat, buchstäblich eine Milliardeninvestition. Solche guten Nachrichten darf man nicht unterschätzen.

Was kann Europa denn noch tun, um die vorhandenen Probleme zu lösen? Von einem Faktor wie der Jugendarbeitslosigkeit hängt sicherlich mit ab, ob man die Menschen, wie Sie eben sagten, mitnehmen kann.

Gute Politik schaut nicht nur auf die nächsten Monate, sondern denkt an kommende Generationen. Spätestens im Frühjahr des nächsten Jahres, wenn die Wahlen zum Europäischen Parlament anstehen, wird sich die öffentliche Diskussion um die Frage drehen: „Quo vadis – wohin geht Europa?“ Ich möchte, dass sich die Kräfte durchsetzen, denen das europäische Projekt mehr ist als die Antwort auf Jahrhunderte der Kriege. Für mich ist Europa eine Schicksals- und eine Kulturgemeinschaft, ohne die wir angesichts der dynamischen Entwicklung neuer Kraftzentren in der Welt nur schwerlich bestehen werden. Deutschland geht es auf Dauer nur gut, wenn es Europa auf Dauer nicht schlecht geht. Wir Europäer können in einem Wettbewerb mit China und anderen aufstrebenden Mächte nur bestehen, wenn wir uns zusammentun.

Gehen wir mal etwas von Europa weg. Eines der beherrschenden Themen der vergangenen Wochen ist die offenbar ausufernde Spionagetätigkeit seitens der USA und Großbritanniens.

Ein bisschen weg von Europa, wie Sie sagen, ist das gar nicht. Es geht um unser europäisches Wertefundament, um die richtige Balance zwischen der Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre. Es ist ein grundlegender europäischer Wert, die Privatsphäre der Bürger zu schützen. Darüber werden wir in den nächsten Tagen mit unseren europäischen Partnern reden. Auf dem Außenministerrat in Brüssel werden wir beraten, wie wir Europäer den Schutz unserer Werte sicherstellen. Die USA sind unser wichtigster und engster Partner außerhalb Europas; gerade unter Freunden ist das Ausspähen und Ausspionieren nicht akzeptabel.

Wobei hinzukommt, dass auch die Briten Mitglied der EU sind ...

Eine solche Generalisierung darf ein Journalist vornehmen, muss er vielleicht sogar. Ich beobachte auch in Großbritannien eine lebendige Debatte über die richtige Balance von Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz der Privatsphäre.

[…]

Sie sind jetzt vier Jahre Außenminister. Wie hat diese Zeit im Amt den Menschen Guido Westerwelle verändert?

[…] Natürlich verändert die Arbeit als Außenminister in vier Jahren auch die eigene Perspektive. Wir durchleben die wohl außenpolitisch bewegtesten Zeiten seit der deutschen Einheit. Manche meinen, das alles sei weit weg. Aber natürlich sind wir in vielerlei Hinsicht unmittelbar betroffen von dem, was in der Nachbarschaft Europa, etwa im Nahen und Mittleren Osten passiert. Und wenn man als Außenminister regelmäßig mit der Lage in Ägypten, in Syrien und dem iranischen Atomprogramm zu tun hat, dann erweitert das auch den Horizont. Vergrößert aber leider auch die Sorgen.

Anlass für unser Gespräch ist ja der „runde Tisch“. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass Sie Ko-Gastgeber sind. Wie aber kommt es dazu, dass erneut Palma der Ort für ein solches Treffen ist? Hängt das mit Ihrer Leidenschaft für Mallorca zusammen?

Ich bin wirklich gerne auf Mallorca. Palma ist eine wunderschöne Stadt. Es ist persönliche Leidenschaft, aber auch politische Überlegung. Die spanische Regierung hat ein Interesse daran, dass Mallorca als internationales Konferenz- und Begegnungszentrum an Bedeutung gewinnt. Darüber habe ich am Wochenende auch mit dem Präsidenten der Balearen gesprochen.

[…]

Das Interview mit Guido Westerwelle führten die MM-Redakteure Bernd Jogalla und Nils Müller.

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