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„Nur eine politische Lösung bietet die Chance auf ein Ende der Gewalt in Syrien“

20.06.2013 - Interview

Im Interview mit den Nürnberger Nachrichten sprach Außenminister Guido Westerwelle unter anderem über die Lage in Syrien und in der Türkei.

Herr Westerwelle, Sie werden auf der Nürnberger Sicherheitstagung über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU sprechen. Da können Sie angesichts des Streits über die Syrien-Politik doch nur von einem Scherbenhaufen berichten, oder?

Syrien ist derzeit das schwierigste außenpolitische Dossier weltweit. Es ist deswegen nicht erfreulich, aber verständlich, dass wir auch in Europa nicht in allem einer Meinung sind.

Sie haben zuletzt gefordert, die Uneinigkeit im UN-Sicherheitsrat in der Syrien-Frage müsse überwunden werden. Bisher hat Kreml-Chef Putin dort alles blockiert. Aber es kann doch nicht gelingen, solange die USA und andere zuallererst den Sturz des Assad-Regimes betreiben.

Es ist gut, dass sich die USA und Russland auf dem G-8-Gipfel erneut darauf geeinigt haben, auf eine politische Lösung zu setzen, einschließlich einer Syrien-Konferenz – die aus deutscher Sicht möglichst bald in Genf stattfinden sollte. Es wird keine militärische Lösung in Syrien geben. Nur eine politische Lösung bietet eine wirkliche Chance auf ein Ende der Gewalt und eine friedliche Entwicklung des Landes.

Soll der Iran nun an dieser Konferenz teilnehmen dürfen?

Das ist eine Frage, die zunächst zwischen den Initiatoren Russland und USA zu besprechen ist. Ich möchte dem nicht vorgreifen.

Aber ohne Iran kann es doch gar keine Lösung geben.

Es ist wichtig, dass der Iran in eine politische Lösung eingebunden wird. Ob das gleichbedeutend mit einer Teilnahme an der Konferenz ist, sollten wir in Anbetracht der Überlegungen, die derzeit angestellt werden, offen lassen. Entscheidend ist, dass der Iran auch seinen Verpflichtungen gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft nachkommt. Der neugewählte Präsident Hassan Ruhani hat Reformen angekündigt. Ob das – nach innen wie nach außen – neue Bewegung bringt, das werden wir genau beobachten.

Stichwort Giftgas-Einsatz: Können Sie uns weiterhelfen? Die USA sehen jetzt die „rote Linie“ überschritten, weil angeblich die Franzosen neue Erkenntnisse haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat nach eigenen Angaben bisher aber „keine glaubhaften Belege“. Welches Spiel wird hier gespielt?

Ich kann darüber nicht spekulieren. Wir haben keine eigenen Erkenntnisse. Umso wichtiger ist es, dass die Beobachter der Vereinten Nationen vom Assad-Regime endlich nach Syrien hineingelassen werden, damit sie flächendeckend eigene unabhängige Untersuchungen vornehmen können.

Kürzlich haben Sie gesagt, in Syrien würde ein Stellvertreterkrieg geführt. Das ist wohl so. Welchen Sinn macht es dann, dass die westlichen Staaten - auch Deutschland - durch die weitere Aufrüstung Saudi-Arabiens die Militarisierung der Region weiter anheizen?

Da wird viel behauptet, und nicht alles, was behauptet wird, stimmt. Wenn ein erheblicher Teil unserer Exporte nach Saudi-Arabien Grenzsicherungsanlagen sind, dann kann ich darin nichts Kritikwürdiges erkennen. Dass Saudi-Arabien sich gegen das Einsickern von Terroristen, etwa aus dem Süden an der Grenze zu Jemen, schützen will, ist ein legitimes und verständliches Sicherheitsinteresse.

Das erklärt doch aber nicht das ungeheure Milliardenvolumen, das die US-Regierung mit den Saudis abgeschlossen hat.

Rüstungsexporte sind immer sorgfältig abgewogene Einzelfallentscheidungen, bei denen vielfältige Fragen, auch Sicherheits- und Bündnisinteressen berücksichtigt werden.

Nächster Brandherd: Türkei. Täuscht es, oder hat der türkische Premier Erdogan die EU-Ambitionen längst komplett aufgegeben?

Ich bedauere, dass die türkische Regierung auf die Demonstrationen nicht mit Dialog und Deeskalation reagiert hat, sondern mit einer Verschärfung in Worten und Taten. Es ist deshalb umso dringlicher, dass wir in den Verhandlungen mit der Türkei möglichst bald in einen intensiven Dialog über Fragen der Grundrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheitsrechte eintreten. Es ist bedauerlich, dass die dafür vorgesehenen Kapitel 23 und 24 durch Entscheidungen von Partnern in der Europäischen Union blockiert wurden. Ich denke, es ist gerade jetzt wichtig, über genau diese Fragen – von der Pressefreiheit bis zur Versammlungsfreiheit – mit der Türkei Verhandlungen aufzunehmen.

Die Frage, ob Erdogan seine EU-Ambitionen aufgegeben hat, haben sie jetzt aber elegant umschifft.

Ich kann nicht über die politischen Absichten des türkischen Ministerpräsidenten befinden – den müssten Sie schon selber fragen - , sondern nur über die Politik der Bundesregierung. Ich hoffe, dass die Türkei erkennt, dass sie mit dieser Eskalation die falschen Signale gesendet hat, nach innen wie nach außen – auch nach Europa.

Erschienen am 20.06.2013. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Nürnberger Nachrichten. Die Fragen stellte Georg Escher.

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