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„Bei Waffenlieferungen besteht die Gefahr, dass diese in falsche Hände geraten könnten.“

03.06.2013 - Interview

Außenminister Westerwelle spricht in New York im Interview über seine aktuelle Amerika-Reise, über Berichte, wonach US-Streitkräfte von deutschen Stützpunkten aus Drohneneinsätze gesteuert haben sollen, und über den Bürgerkrieg in Syrien. Erschienen auf Spiegel Online am 03.06.2013.

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Herr Westerwelle, die USA sollen nach Medienberichten von ihren Stützpunkten in Deutschland aus den Drohneneinsatz gegen Terroristen führen. Sie haben kürzlich US-Außenminister John Kerry in Washington getroffen. Haben Sie etwas von ihm erfahren können?

Wir haben darüber gesprochen, aber ich habe derzeit keine eigenen Erkenntnisse. Der amerikanische Außenminister Kerry hat versichert, dass jedwedes Handeln der USA, auch von deutschem Staatsgebiet aus, streng nach den Regeln des Rechts und des Völkerrechts erfolgt.

Wie geht es nun in der Sache weiter?

Wir werden uns weiterhin um Aufklärung bemühen. Das, was wir wissen, werden wir selbstverständlich auch dem Bundestag zur Verfügung stellen.

In Sachen Drohnen wird in dieser Woche Verteidigungsminister Thomas de Maizière zum Beschaffungsprojekt „Euro Hawk“ vor dem Verteidigungsausschuss befragt. Fast täglich gibt es neue Vorwürfe, wird Ihr Kabinettskollege die Sache überstehen?

Ich schätze Thomas de Maizière sehr und halte es für richtig und angemessen, dass er eine voll umfassende sachliche Aufklärung vornehmen möchte, bevor er sich öffentlich zu den Vorgängen im Detail einlässt.

Muss er irgendwann personelle Konsequenzen ziehen?

Da sich diese Frage mir nicht stellt, kann ich sie auch nicht beantworten.

Themenwechsel - eines Ihrer Themen auf Ihrer Reise nach Kanada, USA und Mexiko war der Bürgerkrieg in Syrien. Die syrische Opposition möchte der Friedenskonferenz plötzlich fernbleiben. Wird sie überhaupt noch stattfinden?

Darüber spekuliere ich nicht, weil niemand die internationale Friedenskonferenz in Frage stellen sollte. Mein Appell richtet sich auch an die syrische Opposition, sich ihrer Verantwortung und Verpflichtung klar zu sein. Die Konferenz kann, so schwierig sie auch ist, ein Beitrag zu einer politischen Lösung sein.

Wird es am Ende zu einer militärischen Lösung kommen?

Dem widerspreche ich nachdrücklich. Eine militärische Lösung in Syrien wird weder nachhaltige Stabilität noch dauerhaften Frieden bringen. Eine politische Lösung, wie sie bereits vor einem Jahr in der ersten Genfer Konferenz angelegt worden ist, bleibt nach Lage der Dinge der einzige Weg für einen dauerhaften Neuanfang und Stabilität in Syrien.

Derzeit gibt es andere Signale. Russland will S-300 Abwehrraketen an Assad liefern. Spielt Moskau da ein falsches Spiel?

Ich habe mit meinem russischen Kollegen Sergej Lawrow vor noch nicht allzu langer Zeit persönlich über die beabsichtigten Waffenlieferungen gesprochen. Ich habe ihm unmissverständlich den deutschen Standpunkt nahe gelegt, dass der Hauptverantwortliche für die Gewalt in Syrien das Assad-Regime ist. Weitere Waffenlieferungen an Assad wären ein schwerer Fehler. Russland hat selbst zusammen mit den USA die Initiative für die Friedenskonferenz ergriffen. Deswegen sollte Moskau alles unterlassen, was den Erfolg einer ohnehin sehr schwierigen Syrien-Konferenz gefährden könnte.

Die EU hat sich in der Frage des Waffen-Embargos gegenüber Syrien zerstritten. Wo bleibt eine gemeinsame europäische Außenpolitik?

Syrien ist derzeit das weltweit schwierigste Dossier in der Außenpolitik. Dass die 27 EU-Staaten bei diesem Thema nicht in allen Fragen zu identischen Schlüssen kommen konnten, ist nicht verwunderlich. Dennoch hätte ich mir natürlich ein anderes Ergebnis der Beratungen gewünscht. Entscheidend ist aber jetzt, dass die Wirtschaftssanktionen und die Maßnahmen gegen das Assad-Regime weiterlaufen. Dafür habe ich mich eingesetzt. Und was das ausgelaufene Waffen-Embargo angeht, alle 27 in der EU wollen derzeit keine Waffen liefern, sondern zu einem Erfolg der Syrienkonferenz beitragen.

Die deutsche Haltung bleibt auch in Zukunft klar?

Wir Deutsche werden keine Waffen nach Syrien liefern. Wir helfen der syrischen Opposition auf anderen Gebieten soweit wir es können, wir sind etwa eines der stärksten Geberländer.

Frankreich und Großbritannien halten sich die Option von Waffenlieferungen offen. Was ist Ihr Haupteinwand?

Bei Waffenlieferungen besteht die Gefahr, dass diese in falsche Hände geraten könnten. Dschihadisten und Extremisten, die gegen Assad kämpfen, werden deswegen noch nicht zu unseren Verbündeten und Freunden.

Glauben Sie, dass vor dem Besuch des US-Präsidenten in Berlin am 18./19. Juni die Friedenskonferenz beginnt?

Es ist wahrscheinlich, dass der Vorlauf länger braucht. Nachdem der Konflikt jetzt zwei Jahre lang in Syrien mit aller Härte andauert, sollten wir notfalls auch bereit sein, etwas mehr Vorbereitung zu akzeptieren, obgleich uns ein schnelles Zustandekommen selbstverständlich lieber wäre.

Eines der Themen der großen Themen vor dem Besuch Obamas ist das Projekt einer Freihandelszone zwischen den USA und EU. Wird der US-Präsident in Berlin dazu ein kräftiges Signal senden?

Ich halte es für nahe liegend, dass der US-Präsident dem Anliegen eines umfassenden Freihandelsabkommen auch bei seinem Berlin-Besuch Nachdruck verleiht. Sowohl die USA als auch Deutschland suchen ja nach Möglichkeiten, wie mehr Wachstum ohne neue Schulden geschaffen werden kann. Mehr Freihandel ist dazu zweifellos ein erfolgversprechender Weg.

In den USA, aber auch in der EU gibt es Widerstände, es geht etwa um den Import genveränderter Nahrungsmittel aus den USA, um Kulturgüter, um audiovisuelle Medien. Wie soll das zusammengehen?

Natürlich gibt es auf beiden Seiten Felder, die schwer zusammenzubringen sind. Ich rate dennoch davon ab, bestimmte Bereiche aus dem Verhandlungsmandat herauszunehmen. Wir sollten mit einem möglichst breiten Ansatz in die Gespräche gehen. Wenn die beiden stärksten Wirtschaftsräume der Welt, die USA und die EU, sich zusammenschließen, wäre das in einer Welt mit neuen Kraftzentren mehr als ein wirtschaftspolitisches Ausrufezeichen. Es wäre auch ein Signal der Selbstbehauptung unserer westlichen Wertegemeinschaft.

Sie haben gerade Ottawa, Washington, Mexiko-City und New York besucht. Sie haben in fast vier Jahren als Außenminister mittlerweile mehr Staaten aufgesucht als ihr Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier….

…weil wir derzeit wohl die außenpolitisch komplizierteste Zeit seit der deutschen Einheit erleben….

…da stellt sich doch angesichts Ihrer Reisetätigkeit die Frage, ob Sie nach einem Wahlsieg von Schwarz-Gelb im September weitermachen wollen?

Es ist früh genug, wenn wir mit dem Wahlkampf im Sommer dieses Jahres beginnen. Aber ich muss nicht abstreiten, dass mir Ihre Frage gefällt.

Interview: Severin Weiland. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von www.spiegel.de

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