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Rede von Außenminister Guido Westerwelle zum WDR-Europaforum im Auswärtigen Amt
Beim WDR-Europaforum am 15. Mai 2013 im Auswärtigen Amt hielt Außenminister Guido Westerwelle den folgenden Redebeitrag zur Eröffnungsveranstaltung.
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Exzellenzen,
liebe Frau Michel,
lieber Herr Petschke,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich heiße Sie sehr herzlich willkommen im Weltsaal des Auswärtigen Amtes.
Ich will nur drei kurze Bemerkungen machen, weil wir anschließend ja auch miteinander ins Gespräch kommen wollen. Ich glaube, dass wir in dreifacher Hinsicht derzeit in Europa in einer Prägephase leben und zwar in einer Prägephase, von der wir einst erkennen werden, dass es eine historische Prägephase gewesen ist.
Erstens: Jetzt prägt sich das Bild Europas in der Welt.
Ich rate uns in Europa, dass wir uns nicht nur mit unseren Problemen und unseren Krisen miteinander beschäftigen, sondern dass wir den Blick auf die Welt nicht verlieren.
Es geht nicht darum, wer in Europa besser dasteht. Es geht nicht um Wettbewerb innerhalb europäischer Mitgliedsstaaten, um Bilanzen und Handelsüberschüsse oder Defizite innerhalb der Europäischen Union.
Es geht darum, dass die Welt sich verändert, dass neue Kraftzentren in die erste Liga aufsteigen, dass wirtschaftliche Schwergewichte auch zu politischen Schwergewichten in der Welt werden.
Wenn wir Europäer in dieser Situation, wo andere in die erste Liga aufsteigen, vergessen, dass wir eine Schicksals- und eine Kulturgemeinschaft sind, wenn wir glauben, wir können auf die Herausforderungen in der Welt mit neuen Wettbewerbern und mit neuen Partnern mit einer Renationalisierung, mit einer neuen Kleingeistigkeit der Politik reagieren, dann werden wir die Verlierer dieser Umbrüche in der Welt sein.
Wir müssen aufpassen, dass wir Europa nicht gefährden. Sonst werden wir eine rasante Kontinentalverschiebung erleben, an deren Ende Europa am Rande des Globus, am Rande der politischen Landkarte wieder auftauchen wird. Wir Europäer gehören zusammen und wir müssen auch zusammen halten. Wir sind vor allem eine Wertegemeinschaft und nicht in erster Linie ein Binnenmarkt mit Wirtschaftschancen.
Zweitens: Es prägt sich jetzt das Bild Europas bei den Bürgern.
Sind wir ein zukunftsorientierter Kontinent, der Krisen meistern kann oder werden wir in der Welt mehr mit Geschichte und Vergangenheit verbunden? Und nicht mehr mit Zukunft? Es geht jetzt um die Frage: Sind wir aus Sicht der Bürger in Europa handlungsfähig? Sind wir effizient? Sind wir schnell genug? Sind wir ein dynamischer Kontinent, dessen Institutionen so effizient handeln können, dass die Bürger das Gefühl haben: Jawohl, bei allem was schwierig ist und bei allem was auch seine Zeit braucht, letzten Endes bewähren sich die europäischen Institutionen.
Dafür müssen wir die Chancen der Krise nutzen und die europäischen Institutionen weiterentwickeln. Natürlich müssen wir die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa überwinden und zuallererst Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Und natürlich braucht es da mehr als Haushaltsdisziplin, es braucht Wachstum durch Wettbewerbsfähigkeit und ausdrücklich auch Solidarität.
Aber es braucht eben auch ein Wachsen Europas nach innen. Eine Vertiefung Europas. Und dazu zählt auch die bereits erwähnte Rechtsstaatsinitiative, die ich gemeinsam mit einigen Kollegen der Europäischen Union gestartet habe.
Wir wollen kein Europa, das sich auf monetäre Gesichtspunkte reduziert. Wir wollen kein Europa, das sich als eine Art Freihandelszone begreift. Sondern wir wollen ein Europa, das auch zusammen wächst wenn es um Werte, Gesellschaft, um Rechtsstaatlichkeit geht.
Wenn wir in Europa getragen werden wollen von den Bürgerinnen und Bürger, dann müssen wir kenntlich machen, dass uns Werte verbinden. Nämlich die Werte der Aufklärung, wo der einzelne etwas zählt und nicht nur das Kollektiv. Wo die Persönlichkeit des Einzelnen etwas bedeutet und nicht nur irgendeine staatliche Ordnung. Wo wir mit Bürgerrechten ausgestattet sind. Und dort wo Sie in Europa in Gefahr sind, müssen wir gemeinsam als Europäer dagegen eintreten und aufstehen.
Das ist das demokratische Immunsystem, das wir in Europa brauchen.
Drittens: Es prägt sich jetzt auf viele Jahre das Bild Deutschlands in der Welt.
„Made in Germany“ - das ist ja nicht nur bei Produkten ein Qualitätsmerkmal. „Made in Germany“ steht auch für politische Zuverlässigkeit und zwar über Jahrzehnte der deutschen Nachkriegsgeschichte und verschiedenste Regierungen hinweg.
Gerade wenn wir stark sind und gerade weil wir stark sind, müssen wir mit besonderer Sensibilität an die Verhandlungen und an die Gespräche mit unseren Partner in Europa herangehen.
Ich warne uns vor jeder Form von teutonischer Hochnäsigkeit. Es wird auch Deutschland auf Dauer nicht gut gehen, wenn es unseren europäischen Partnern auf Dauer schlecht geht. Und das ist meine Bitte - Wahlkampf hin, Wahlkampf her. Wir sollten in diesem Wahlkampf ohne Kränkungen und ohne Beleidigungen unserer europäischen Nachbarländer auskommen.
Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.