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Rede von Außenminister Guido Westerwelle in der Bundestagsdebatte zum Jahresabrüstungsbericht
-- Stenographisches Protokoll --
Herr Präsident! Mein sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Erlauben Sie mir bitte, dass ich mich jenseits des Protokolls an Frau Kollegin Zapf wende. Frau Kollegin, ich möchte mich aus Anlass der Rede, die Sie gleich halten werden, sehr herzlich für die exzellente Zusammenarbeit insbesondere in der Abrüstungs- und Sicherheitspolitik und in der Außenpolitik insgesamt bedanken und meinen Respekt für Ihr langjähriges Wirken in diesem Hause zum Ausdruck bringen. Es wird möglicherweise die letzte Gelegenheit sein, dieses anlässlich einer Rede von Ihnen zum Ausdruck zu bringen. Herzlichen Dank im Namen der Bundesregierung und vielleicht auch im Namen der anderen Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind ein Schwerpunkt deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Schon in der Präambel des Grundgesetzes sind die beiden Kernpfeiler unserer Außenpolitik benannt, nämlich in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Friedenspolitik, Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung insbesondere von Massenvernichtungswaffen, das ist ein klarer Zusammenhang, den wir hier alle gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg betonen und sehen. Wir wollen das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt erreichen. Wir wollen an dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt arbeiten. Deswegen setzen wir uns ein für Frieden, für Sicherheit, natürlich auch für Stabilität durch weniger Waffen, die Verhinderung von Proliferation und höhere Transparenz.
Wir alle wissen aus den Erfahrungen der Geschichte, dass Abrüstungspolitik einen langen Atem braucht. Abrüstungspolitik braucht gelegentlich auch strategische Geduld, aber Abrüstungspolitik muss gerade dann mit langem Atem betrieben werden, wenn die großen Erfolge nicht gleich auf den ersten Blick greifbar sind.
Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt: Auch wenn wir in den letzten Jahren in manchen Bereichen bei der Abrüstung gern weiter gegangen wären, können sich die Erfolge der letzten Jahre weltweit sehen lassen. Wir haben einen sehr erfolgreichen Abschluss der Überprüfung des NATO-Verteidigungs- und Abschreckungsdispositivs beim NATO-Gipfel in Chicago im letzten Jahr gehabt. Dort wurde das Profil der Allianz auch in Abrüstungs- und Rüstungskontrollfragen gestärkt. Wenn man die NATO-Strategien der letzten Jahrzehnte betrachtet, kann man sagen: So viel Abrüstungsbekenntnis in der NATO gab es noch nie.
Das ist ein klarer Erfolg und ein wichtiges Anliegen; denn wir wissen alle, dass Verteidigung und Sicherheit engstens zusammengehören.
Der Gipfel in Chicago ist noch kein Durchbruch gewesen, aber es ist ein Aufbruch. Umso wichtiger ist es, dass weitere Abrüstungsschritte ins Auge gefasst werden. Dazu gibt es ermutigende Zeichen, auch durch die Administration der Vereinigten Staaten von Amerika. Mit neuem Elan treibt Präsident Obama die Abrüstungsagenda voran. Dabei werden wir Präsident Obama natürlich unterstützen. Wir wollen dabei alle Beteiligten mit an Bord nehmen.
Jetzt gilt es aber, den Dialog mit Russland voranzubringen. Das Angebot der NATO, auch die substrategischen, die sogenannten taktischen Nuklearwaffen in den Abrüstungsprozess einzubeziehen, steht. Dass sich hierauf die NATO geeinigt hat, trotz mancher Meinungsunterschiedlichkeit innerhalb der NATO-Mitgliedsländer, ist ein guter Erfolg auch der deutschen Abrüstungspolitik.
Wir wollen die Abrüstungsschritte zwischen den USA und Russland weiter unterstützen. Wir werden weiter auf eine Reduzierung der in Europa stationierten Waffen hinarbeiten.
Die Bundesregierung ist den Zielen, die sie sich zu Beginn der Legislaturperiode gegeben hat, näher gekommen. Wir haben noch nicht alles erreicht - das war auch nicht zu erwarten -, aber wir werden unbeirrt und mit langem Atem an der Abrüstungspolitik einschließlich der nuklearen Abrüstung festhalten.
Die Bundesregierung ist natürlich auch für Fortschritte bei der konventionellen Rüstungskontrolle; denn jeder sieht, dass das eine nicht durch Führbarkeit von konventionellen Kriegen erkauft werden darf. Das heißt, auch die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa bleibt ein zentrales und unverzichtbares Element einer kooperativen Sicherheitsarchitektur.
Ich will in diesem Zusammenhang ein Wort zur Raketenabwehr sagen. Die Haltung der Bundesregierung ist in dieser Frage glasklar: Wir wollen mehr Sicherheit und Stabilität in Europa. Wir sind der Überzeugung: Das ist nur mit Russland und nicht gegen Russland erreichbar. Wir wollen, dass Russland eingebunden wird. Wir wollen, dass Russland bei einer kooperativen Lösung und beim Dialog, wenn es um die Raketenabwehr geht, konsequent eingebunden wird. Dies ist ein wichtiges Angebot, das die Bundesregierung in der NATO durchgesetzt hat: Es geht hier nicht darum, sich gegen Russland aufzustellen. Es geht um ein Projekt, das gemeinsam mit Russland für mehr Sicherheit auf unserem Kontinent und in unserer Weltregion sorgen soll.
Weil mir nur wenige Minuten Redezeit gegeben sind, will ich zum Schluss noch auf zwei Dinge eingehen, nämlich einmal auf Iran und Nordkorea, und dann folgt noch ein letzter Gedanke. Im Konflikt mit Iran verfolgt die Bundesregierung gemeinsam mit den Partnern im sogenannten E3+3-Format ihren Doppelansatz von Verhandlungsbereitschaft und Druckausübung. Wir können eine nukleare Bewaffnung des Irans nicht akzeptieren. Wir wollen das auf diplomatischem und politischem Wege verhindern. Das ist die gemeinsame Auffassung. Alles andere, was uns unterstellt wird, ist Propaganda: gegen uns, gegen den Westen, gegen die westlichen und allgemeinen Sicherheitsinteressen.
Iran hat auf unser Verhandlungsangebot in Almaty mit positiven Worten reagiert; das würdige ich ausdrücklich. Ich mache mir keine Illusionen, aber es ist erkennbar zumindest schon einmal ein Fortschritt, dass ein weiterer Prozess vereinbart werden konnte. Aber Gespräche nur um der Gespräche willen reichen nicht, sondern es braucht substanzielle und greifbare Ergebnisse. Ein Spielen auf Zeit ist kein Weg, den wir akzeptieren können.
Dasselbe gilt auch im Hinblick auf Nordkorea. Die Bundesregierung verurteilt in aller Schärfe den Nukleartest sowie die jüngsten Drohungen Nordkoreas mit einem nuklearen Erstschlag und der Aufkündigung des Nichtangriffspaktes mit Seoul. Wir sind alle gemeinsam der Auffassung: Die Kriegsrhetorik des Regimes in Nordkorea muss beendet werden.
Ich begrüße deshalb ausdrücklich die konstruktive Rolle Chinas. Wir appellieren an China, diese konstruktive Rolle auch in den sogenannten Sechsergesprächen weiter wahrzunehmen. Dass China sich an den jüngsten Sanktionsverschärfungen in New York beteiligt hat, ist ein wichtiges Signal auch an das Regime.
Meine Damen und Herren, natürlich geht es um unsere Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative; vor allen Dingen geht es aber auch um die Postkonfliktbewältigung. Wir bleiben dabei, bei der Vernichtung von Waffen einen wesentlichen Anteil zu leisten. Deutschland hat eine große Expertise bei der Vernichtung zum Beispiel von chemischen Waffen. Wir zeigen das in Libyen und auch an anderen Orten. Wir sind bereit, diese Expertise und dieses Wissen mit einzubringen.
Wir haben noch wichtige Aufgaben vor uns: der Kampf gegen die Verbreitung auch von Kleinwaffen in fragilen Staaten oder beispielsweise auch unser deswegen großes Bemühen für ein weltweit gültiges Waffenhandelsabkommen. Bei den anstehenden Verhandlungen wollen wir einen Erfolg.
Wir wollen, dass Antipersonenminen und Streumunition endlich von der Welt verschwinden. Wir setzen hierbei auf Transparenz, Dialog und Diplomatie in einer engen Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Alles in allem ist der Abrüstungsbericht ein Erfolgsbericht, ein Bericht auch über gute Fortschritte in der Abrüstungspolitik. Wir werden uns nicht auf ihm ausruhen, sondern im Interesse des Friedens in der Welt mit großem Nachdruck, mit großer Energie, aber vor allen Dingen mit großer Ausdauer weiter auf Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung hinarbeiten.
Vielen Dank.