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„Europa ist unsere Lebensversicherung in Zeiten der Globalisierung“
Außenminister Guido Westerwelle im Interview über die europäische Schuldenkrise, die Lage in Nahost und die Rolle Chinas in der Weltpolitik. Erschienen am 19.12.2012 in der schwedischen Tageszeitung Dagens Industri.
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Wie schätzen Sie die Lage Deutschlands im internationalen Umfeld ein?
Wir stehen heute wirtschaftlich stark da. Deutschland ist ein verlässlicher und berechenbarer Partner. Beides hat zur Folge, dass unsere Verantwortung und die Erwartungen an uns gewachsen sind. Das gilt in erster Linie für Europa und ganz besonders bei der Überwindung der Schuldenkrise.
Wird sich an der Rolle Deutschlands bei der Eurorettung in Zukunft etwas ändern?
Unsere Strategie zur Bewältigung der Krise stand von Anfang an auf drei Säulen: Konsolidierung der Haushalte. Wachstum durch Wettbewerbsfähigkeit und Solidarität mit Partnern, die sich in akuten Schwierigkeiten befinden. Solidarität muss immer Hand in Hand gehen mit Eigenverantwortung. Deshalb lehnen wir alle Maßnahmen ab, die Wachstum durch immer mehr Schulden erkaufen sollen. Was wir brauchen, sind echte Strukturreformen und verbindliche Mechanismen auf europäischer Ebene, die auf mehr Wettbewerbsfähigkeit zielen. Auf diesem Weg sind wir gut vorangekommen.
Haben Sie Verständnis für die zunehmende Europa-Skepsis der Schweden?
Europa ist nicht nur ein Friedensprojekt, es ist auch unsere Lebensversicherung in Zeiten der Globalisierung. Auch das in Europa relativ große Deutschland oder das so erfolgreiche Schweden wären alleine zu klein, um sich auf Dauer in der Welt des 21. Jahrhunderts behaupten zu können.
Was halten Sie von einer Bankenunion ohne Schweden – und ohne Großbritannien und die Tschechische Republik?
Eine europäische Bankenaufsicht ist die richtige Antwort auf die Ursachen der Schuldenkrise. Wir legen großen Wert darauf, dass Nicht-Euro-Länder gleichberechtigt am neuen System teilnehmen können. Jeder soll mitmachen können, aber niemand darf andere aufhalten dürfen.
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Welcher Konflikt im Ausland bereitet Ihnen derzeit die meisten Sorgen?
Die Problemtrias der miteinander verknüpften Konflikte in Syrien, um das iranische Atomprogramm und den Nahost-Friedensprozess macht uns große Sorgen und beansprucht sehr viel meiner Zeit als Außenminister. Die Gefahr eines Flächenbrands in der ganzen Region ist real und kann von jedem dieser Konfliktherde ausgehen.
Wohin geht China, Ihrer Meinung nach, mit der neuen Führung?
Wir setzen mit Blick auf die neue Führung darauf, dass die Öffnungspolitik Pekings fortgesetzt wird. Je stärker die chinesische Wirtschaft wird, desto wichtiger ist es, dass China seiner wachsenden politischen Verantwortung in Asien und weltweit mit einer Politik des friedlichen Interessenausgleichs und der Stabilität gerecht wird.
Fragen: Mikael Björk.