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„Deutschland wird als der wichtigste Partner in Europa gesehen“

03.09.2012 - Interview

Harald Leibrecht, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, zum Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Erschienen in der Online-Zeitschrift www.theeuropean.de (03.09.2012).

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Herr Leibrecht, wie steht es um die deutsch-amerikanischen Beziehungen?

Sie sind hervorragend. Deutschland und die USA stimmen sich bei wichtigen politischen Themen und regionalen Konflikten – wie derzeit beispielsweise zu Syrien – sehr eng ab. Auch wirtschaftlich sind wir eng vernetzt. Eine hochrangige EU-US Arbeitsgruppe zu Wachstum und Arbeitsplätzen arbeitet derzeit an Möglichkeiten, diese Zusammenarbeit noch zu vertiefen. Dabei wird z.B. auch über ein zukünftiges umfassendes transatlantisches Freihandelsabkommen. gesprochen.

Was würde sich dadurch ändern?

Der Handel zwischen Europa und den USA würde vereinfacht. Handelsbarrieren, auch nichttarifäre, also indirekte protektionistische Maßnahmen, sollen abgebaut werden. Das würde neuen Schwung in den transatlantischen Handel bringen.

In der Bush-Ära galten die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA als abgekühlt, Donald Rumsfeld prägte damals den Terminus des „alten Europa“ und meinte vor allem die Bundesrepublik.

Das Klima hat sich klar verbessert. Deutschland wir derzeit wohl als der wichtigste Partner in Europa gesehen. Gerade bei der Lösung der Euro-Krise wird uns eine besonders große Bedeutung beigemessen.

Wollen die USA die Krise denn gelöst sehen? Den Staaten wird regelmäßig vorgeworfen, an einem wirklich geeinten Euroraum kein allzu großes Interesse zu haben, weil der über eine größere Wirtschaftskraft verfügen würde.

Das ist Unsinn. Ich teile diese These nicht. Die USA profitieren von einem wirtschaftlich starken Europa. Der Dollar ist nach wie vor die Weltwährung – trotz vieler Unkenrufe, dass durch die amerikanische Wirtschaftflaute auch der Dollar als Leitwährung unter Druck gerate. Das Vertrauen in den Dollar ist trotz aller Probleme hoch. Doch der Euro ist die zweitwichtigste Währung in der Welt und für den globalen Handel von großer Bedeutung. Amerika hat deshalb ein Interesse daran, dass der Euro stabil bleibt und die Handelsbeziehungen nicht beeinträchtigt werden.

Das heißt, Sie teilen auch nicht die These, dass die USA als Weltmacht auf dem absteigenden Ast sind?

Nein, wirklich nicht, auch wenn die amerikanische Wirtschaft schwächelt. Selbst in Zeiten der Krise ist Amerika wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch ein starkes und vor allem selbstbewusstes Land. Der Optimismus in diesem Land, der ist vielleicht diesmal nicht ganz so groß wie in der Vergangenheit. Aber dennoch werden die Amerikaner ihre Krise bewältigen. Ich sehe auch erste Anzeichen, dass es wieder vorangeht. In Amerika steckt viel mehr Dynamik als wir hier vermuten. Und für Deutschland bleiben die USA ein sehr bedeutender Markt.

Die Republikaner haben Mitt Romney gerade zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Besteht die Gefahr, dass die Beziehungen unter Romney wieder schlechter werden?

Die Bundesregierung wird mit jedem US-Präsidenten gut zusammenarbeiten. Mit Barack Obama haben wir in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Bei Mitt Romney fehlen bislang zwar noch klare Äußerungen zu Europa und den Beziehungen zueinander. Aber ich glaube, dass die Beziehungen zu Europa für jeden amerikanischen Präsidenten wichtig sind.

Die Gräben zwischen Republikanern und Demokraten scheinen tief wie nie, das politische Klima zerrüttet und das Land ideologisch gespalten. Wie schätzen Sie die Lage in Amerika ein?

Die USA stehen ganz im Zeichen des Wahlkampfes, da wird der Ton automatisch rauer. Für mich beunruhigend und besorgniserregend ist jedoch die zunehmende Polarisierung. Die Spaltung geht nicht nur durch die politische Landschaft, sondern bildet sich auch in der amerikanischen Gesellschaft ab. Wie das zu lösen ist, weiß ich nicht – ich hoffe nur, es gelingt. Denn Amerika ist immer dann stark, wenn die Menschen geeint sind und gemeinsam in eine Richtung gehen. Die Gesellschaft wieder zusammenzuführen wird eine ganz wichtige Aufgabe für den nächsten Präsidenten – wer auch immer das sein mag.

Wenn wir Deutsche an Amerika denken, dann oft auch an Tea Party, Kreationisten und radikale evangelikale Bewegungen – all das mutet aus europäischer Perspektive recht abstrus an.

Aber das zeigt doch die Vielschichtigkeit der amerikanischen Gesellschaft. Sie ist von großer Pluralität geprägt. Religion spielt dabei natürlich eine Rolle. Genau wie die Abstammung, die sich auch in den transatlantischen Beziehungen widerspiegelt. Bis vor kurzem hatte die große Mehrheit der Amerikaner europäische Wurzeln. Heute kommen viele Amerikaner aus Südamerika und Asien.

Amerika und sein kultureller Einfluss sind für uns hierzulande immer ganz nah. Wie aber steht es um die deutsche Kultur in den Staaten: Ist da mehr als Lederhosen, Bier und Weißwurst?

Natürlich kennt jeder in den USA das Oktoberfest. Aber man denkt z.B. auch an deutsche Automobilmarken. Deutschland ist bekannt für gute Qualität und als schönes interessantes Reiseland. Klischees gibt es natürlich auf beiden Seiten – auch Deutsche haben von den USA manchmal ein völlig falsches Bild.

Zum Glück gibt es einen regen Austausch zwischen amerikanischen und deutschen Bürgern. Mit Besorgnis sehe ich aber, dass Deutsch als Fremdsprache in Amerika auf dem Rückzug ist. Mehrere Universitäten haben ihre Deutsch-Departments zuletzt geschlossen. Wir sollten uns gegen diesen Trend stemmen.

Sie haben kürzlich in einem Gastbeitrag für „Die Welt“ geschrieben, dass man Deutsch als Fremdsprache in amerikanischen Klassenzimmern stärken müsse, um die transatlantischen Beziehungen zu stärken.

Das kann ich nur immer wieder unterstreichen. Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg guter transatlantischer Beziehungen. Denn jeder Mensch, der einmal mit einer Fremdsprache in Kontakt gekommen ist oder sie erlernt hat, hat einen positiven Bezug zu dem entsprechenden Land und dessen Kultur. Das Auswärtige Amt wird deshalb ein Förderprogramm auflegen, um die deutsche Sprache in den USA weiter voran zu bringen.

Es gibt zudem eine Tendenz, dass es weniger amerikanische Politiker gibt, die sich für Deutschland interessieren. Es sind Menschen wie Henry Kissinger, Richard Lugar oder Joseph Lieberman, die allein durch ihre Vita einen engen Bezug zu Deutschland haben. Das wird weniger. Es macht deshalb sehr viel Sinn, vor allem jungen Leuten die Deutsche Sprache und das Land, z. B. durch Austauschprogramme, näher zu bringen. So sichern wir gute transatlantische Beziehungen für die Zukunft.

Fragen: Sebastian Pfeffer. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von www.theeuropean.de

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