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„Die italienische Regierung ist ein zentraler und geschätzer Partner“

28.08.2012 - Interview

Im Interview mit der italienischen Nachrichtenagentur ANSA (28.08.2012) zeigt sich Außenminister Guido Westerwelle überzeugt, dass Europa die Schuldenkrise nur im engen Schulterschluss meistern könne.

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Seit dem Amtsantritt von Mario Monti hat sich das Verhältnis zwischen Rom und Berlin verbessert. Die Ereignisse des europäischen Gipfels Ende Juni führten jedoch zu Irritationen. Auf welches Klima wird Mario Monti am Mittwoch in Berlin treffen? Hat die Bundesregierung noch Vertrauen in den italienischen Premier?

Die Bundesregierung arbeitet mit ihren europäischen Partnern eng und vertrauensvoll zusammen. Erst vergangene Woche haben in Berlin intensive Gespräche mit Frankreich und unseren griechischen Partnern stattgefunden. Natürlich ist auch die italienische Regierung von Ministerpräsident Mario Monti ein zentraler und von uns sehr geschätzter Ansprechpartner. Die Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Giulio Terzi di Sant’Agata im Hinblick auf die zukünftige Weiterentwicklung Europas ist hervorragend. Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wir werden die europäische Schuldenkrise nur im engen Schulterschluss meistern. Die kürzlich in Rom durchgeführten deutsch-italienischen Regierungskonsultationen haben gezeigt, wie breit das Fundament des deutsch-italienischen Einverständnisses ist.

Die hohen Zinsen auf italienische Staatsanleihen erschweren den Schuldenabbau. Für viele Deutsche dienen die hohen Zinsen hingegen als Instrument, um den Reformdruck auf die Südländer aufrecht zu erhalten. Glauben auch Sie an den „erzieherischen Effekt“ der hohen Zinslast?

Uns geht es darum, die wirklichen Ursachen dieser Krise anzugehen. Das ist unser gemeinsames Interesse. An der Wurzel der aktuellen Schwierigkeiten liegt eine Staatsschuldenkrise, die zu einer Vertrauenskrise in das europäische Projekt geworden ist. Wir müssen uns und der Welt beweisen, dass wir unsere Haushalte konsolidieren und nachhaltiges Wachstum erzeugen können. Das erreichen wir durch beherzte Strukturreformen.

Wie können die südeuropäischen Länder überzeugt werden, dass die Entscheidungen über ihre Zukunft nicht in Berlin getroffen werden? Wird im Falle Griechenlands nicht Angela Merkel das letzte Wort haben?

Der Schlüssel Griechenlands zum Verbleib in der Eurozone liegt in Athen. Das haben wir immer wieder sehr deutlich gemacht. Die Troika wird im Herbst ihren Bericht über die Reform-Fortschritte in Griechenland vorlegen. Erst auf dieser Faktengrundlage werden wir wissen, wie die Lage in Griechenland tatsächlich ist und daraus gemeinsam – die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission und die Mitgliedsstaaten der Eurozone - die richtigen Schüsse ziehen.

Wie können die südeuropäischen Länder überzeugt werden, dass Deutschland mit seinen negativen Zinsen auf Staatsanleihen nicht von der Krise profitiert?

Deutschland leistet in vorbildlicher Weise Solidarität. Der Bundestag hat mit breiten Mehrheiten Garantien für europäische Rettungsschirme in Höhe von fast 300 Milliarden Euro zugestimmt. Das ist gelebte Solidarität. Es ist selbstverständlich, dass mehr Verantwortung aber auch mit mehr Kontrolle einhergehen muss. Deswegen kann es Hilfen nicht ohne Gegenleistungen geben. Dass die internationalen Investoren weiterhin großes Vertrauen in die Stabilität der deutschen Finanzkraft haben, kommt allen Partnern zugute. Denn nur starke Schultern können die zusätzlichen Lasten auch wirklich tragen.

Die Bundesregierung besteht auf Reformen in den EU-Krisenstaaten. Spekulanten lassen sich von Reformen jedoch nicht beeindrucken oder verfolgen gar andere Absichten. Laufen die Deutschen nicht Gefahr, naiv zu handeln, wenn sie sich so viel von den Reformen erwarten, während sich in den Volkswirtschaften im Süden Europas die Rezession ausbreitet?

Ich bin überzeugt, dass eine zielgerichtete, entschlossen umgesetzte Reformagenda verloren gegangenes Vertrauen bei Investoren und politischen Partnern wiederherstellen kann. Nehmen wir das Beispiel der baltischen Staaten. Ihre Volkswirtschaften befinden sich heute wieder auf einem steilen Wachstumskurs, obwohl die Finanzkrise von 2008 dort stärkere Folgen hatte als irgendwo sonst in Europa. Je schneller und entschlossener gehandelt wird, desto schneller lassen sich die Früchte der oft auch schmerzhaften Anstrengungen ernten.

Das Image Deutschlands hat wegen der deutschen Krisenpolitik in der italienischen Öffentlichkeit stark gelitten. Die deutschen Entscheidungsträger werden als bevormundend, egoistisch, ja sogar aggressiv wahrgenommen. Sind Sie besorgt angesichts derartiger Nebeneffekte der Krise?

Ich verhehle nicht, dass ich mich darüber sorge, wie die Krise alte Vorurteile und Klischees zu Tage fördert. Wir befinden uns derzeit in einer historischen Prägephase unseres Kontinents: Wie wir jetzt miteinander umgehen, prägt unser Bild voneinander auf viele Jahre. Deswegen sage ich ganz unmissverständlich: Wir müssen uns bei jeder Kontroverse, die wir natürlich auch unter Demokratien und Freunden ausfechten, respektvoll begegnen. Der Ton macht die Musik, und das gilt ganz besonders für Deutschland, das in besonderer Weise von der europäischen Einigung profitiert hat, das aber auch besonders viel Verantwortung in Europa trägt.

Die interne deutsche Krisendebatte wird in Italien mit zwei neuen Metaphern verdeutlicht, nämlich mit Falken und Tauben. Zu den Falken werden Weidmann, Schäffler, Kauder und Söder gezählt, zu den Tauben der deutsche Außenminister, z.B. wegen seiner entgegenkommenden Haltung im Falle Griechenlands. Sind Ihnen diese Metaphern bekannt? Halten Sie sie für angebracht?

Metaphern aus der Welt der Fauna mögen für journalistische Zuspitzungen taugen, tragen am Ende aber nicht wirklich zum Verständnis der Lage bei. Entscheidend ist doch, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben, nämlich Europa als Ganzes stärker aus der Krise herauszuführen. Wenn wir also unbedingt einen Vogel in der Krise brauchen, dann plädiere ich für Phoenix.

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