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Außenminister Westerwelle im Gespräch
Sechs Urlauber auf Mallorca hatten die Gelegenheit für ein Gespräch mit Außenminister Guido Westerwelle. Sie sprachen mit ihm über ihre Sorgen um den Euro und die Menschen in Syrien.
Sechs Urlauber auf Mallorca hatten die Gelegenheit für ein Gespräch mit Außenminister Guido Westerwelle. Sie sprachen mit ihm über ihre Sorgen um den Euro und die Menschen in Syrien. Erschienen in der Bild am Sonntag, 12.08.2012
BILD AM SONNTAG: Willkommen zum Deutschlandgespräch auf Mallorca, Herr Minister! Anstelle von BILD-am-SONNTAG-Redakteuren werden Sie heute sechs Urlauber befragen. Das Wort hat Frau Achterberg
ANDREA ACHTERBERG: Herr Westerwelle, welche Frage von Journalisten können Sie nicht mehr hören?
GUIDO WESTERWELLE: Die Frage „Wer gewinnt die Bundestagswahl?“. Denn das wird von einigen Journalisten schon wieder gefragt, wenn die Wahl gerade mal drei Monate um ist.
GÜNTER DICKMANN: Können Sie mir vielleicht erklären, warum der Euro einfach nicht aus der Krise herauskommt?
Der Euro ist nicht in einer Krise, sondern die Schuldenpolitik in Europa ist gescheitert. Wir haben eine stabile Währung mit etwa zwei Prozent Inflation. Zum Vergleich: Die D-Mark hatte 1993 5,1 Prozent Inflation. Aus der Krise kommen wir nur, wenn wir die Ursache bekämpfen, nämlich das Schuldenmachen.
DICKMANN: Aber der Druck auf Deutschland nimmt doch von Tag zu Tag zu, für die Schulden der schwächeren Eurostaaten immer stärker, am Ende unbegrenzt zu haften. Wie lange wird die Bundesregierung dem standhalten?
Die Bundesregierung hat seit Ausbruch der Schuldenkrise klargemacht, dass wir eine gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands für die Schulden Europas nicht übernehmen werden. Das ist für mich nicht verhandelbar. Eurobonds würden die Krise vergrößern und nicht verkleinern. Sie würden uns überfordern und die Reformbereitschaft der anderen Länder unterfordern.
ACHTERBERG: Wie lange müssen wir uns noch für den Zweiten Weltkrieg entschuldigen?
Wir beide sind ungefähr im selben Alter und ich glaube, für uns beide steht es außer Zweifel, dass wir die Zeit des Holocaust und des Zweiten Weltkrieges nicht ignorieren oder vergessen wollen und können. Noch in den 90er-Jahren haben wir übrigens in Europa Kriege erlebt und da kamen in einem Jahr eine halbe Million Flüchtlinge nach Deutschland. Also glaubt nicht, dass Frieden, Wohlstand und Freiheit selbstverständlich sind! Wie selbstverständlich kommen Sie nach Mallorca? Dass wir heute in Europa frei reisen oder überall frei lernen und arbeiten können, ist Schritt für Schritt mühsam erarbeitet worden. Ich hoffe, wir haben eines Tages eine richtige europäische Verfassung, über die es dann auch eine Volksabstimmung gibt.
JAN HÖHN: Wann wäre der Punkt, wo Sie sagen würden: Das ist der Euro nicht mehr wert?
Wie soll die spanische Regierung noch Sparmaßnahmen durchsetzen, wenn wir das Schuldenmachen erleichtern? Der Euro und Europa werden nicht nur durch zu wenig Solidarität gefährdet, sondern auch durch zu viel Solidarität. Durch eine gesamtschuldnerische Haftung würden wir den Euro aufs Spiel setzen.
HÖHN: Gilt das auch für den Ankauf von Staatsanleihen der Schuldenländer durch die Europäische Zentralbank?
Das ist etwas völlig anderes. Über den Ankauf von Staatsanleihen entscheidet allein die unabhängige Europäische Zentralbank mit Blick auf die Stabilität unserer Währung.
ANDREAS NEUMEIER: Nach Griechenland fließen immer größere Summen. Gibt es einen Punkt, wo wir sagen, jetzt muss mal Schluss sein? Können wir Griechenland noch halten in der Eurozone, wollen wir das noch?
Das Schicksal Griechenlands liegt jetzt in Athen. Wir haben Vereinbarungen getroffen, die helfen, aber Griechenland muss im Gegenzug auch erhebliche Reformanstrengungen erfüllen. Und ich bitte die griechische Regierung, dieses auch mit großem Ernst, Nachdruck und Zuverlässigkeit anzupacken und fortzusetzen. Wir haben in Griechenland durch die Wahlkämpfe viel Zeit verloren. Nun muss beherzt und schnell gehandelt werden. Mir ist es wichtig, dass wir im Ton verbindlich bleiben. Aber in der Sache müssen wir klar sein: Ein substanzielles Abweichen von den Reformvereinbarungen kann es nicht geben.
NEUMEIER: Bayerns Finanzminister Söder hat gefordert, an Griechenland ein Exempel zu statuieren und das Land absaufen zu lassen. Und wäre das nicht ein heilsamer Schock für die anderen Schuldenstaaten?
Ich fand den Satz, man müsse an einem Land ein Exempel statuieren, grässlich misslungen. Überlegen Sie mal, wie das umgekehrt bei uns in Deutschland ankommen würde. Wir wären gekränkt und verletzt. Mit solcher Wortwahl erreicht man das Gegenteil von dem, was man in der Sache berechtigter Weise anmahnt, nämlich dass die Reformen in Griechenland tatsächlich umgesetzt werden müssen. Es gibt kaum ein Bundesland in Deutschland, dessen wirtschaftliches Schicksal so eng verknüpft ist mit Europa wie das exportstarke Bayern. Es richtet sich also auch gegen bayerische Interessen, Europa zu zerreden.
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NEUMEIER: Wie lange hält Spanien noch ohne Hilfen aus dem Rettungsfonds durch?
Die spanische Regierung mit Ministerpräsident Rajoy zeigt eine große Entschlossenheit für den Reformkurs. Deswegen bin ich für Spanien optimistisch.
BILD am SONNTAG: Die Frage war eigentlich: Erwarten Sie, dass Spanien unter den Rettungsschirm muss, und auch noch in diesem Sommer?
Ich spekuliere nicht. Wenn ich jetzt die Antwort geben würde, die die BamS sich vielleicht erhofft, dann hat die BamS eine große Schlagzeile und wir haben ein großes Problem. Im Übrigen habe ich Ihre Frage beantwortet: Ich halte Spanien für ein sehr starkes Land mit einer leistungsfähigen Wirtschaft.
DICKMANN: In Syrien führt der Diktator Assad einen brutalen Krieg gegen das eigene Volk. Als Humanist und Christ steht man da und fragt: Wie lange wollen wir diesem Sterben eigentlich noch zuschauen, was können wir tun?
Es gibt in einer solchen Lage auch ein Gefühl der Trauer und der Ohnmacht. Denn eine militärische Intervention würde die Probleme eher vergrößern als verkleinern, weil dann ein Flächenbrand droht. Das jüngste Überlaufen des Premierministers von Assad zeigt aber, dass die Erosion ins Zentrum der Macht vorgerückt ist. Russland und China laden schwere Verantwortung auf sich, wenn sie ihre Blockadepolitik im Sicherheitsrat nicht endlich beenden und Assad die schützende Hand entziehen.
DICKMANN: Was soll mit Assad geschehen, wenn er die Macht verloren hat?
Das Beste wäre, wenn er vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt würde. Sollte sich allerdings ein weiteres Sterben vermeiden lassen, indem Assad das Land freiwillig verlässt, steht für mich die Strafverfolgung nicht im Vordergrund. Das würde zwar gegen mein Gerechtigkeitsgefühl gehen, aber das Wichtigste ist, das Sterben zu beenden und eine friedliche und demokratische Zukunft Syriens zu ermöglichen.
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Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Bild am Sonntag.