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Ansprache von Staatsministerin Cornelia Pieper zur Festveranstaltung „20 Jahre deutsch-ungarischer Freundschaftsvertrag“ am 22.05.2012 in der ungarischen Botschaft in Berlin
Staatsministerin Cornelia Pieper hat bei einer Festveranstaltung am 22. Mai die erfolgreiche bilaterale sowie multilaterale Zusammenarbeit Deutschlands und Ungarns in den vergangenen beiden Jahrzehnten gewürdigt.
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident Kövér,
sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Lammert,
sehr verehrte Damen und Herren,
Meine Damen und Herren!
Mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im Jahr 1989 für Bürgerinnen und Bürger der DDR hat Ungarn einen historischen Beitrag zur Überwindung der deutschen und europäischen Teilung geleistet.
Auf dieser Basis und auf dem Fundament einer jahrhundertelangen historischen Verbundenheit steht unser Vertrag über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa von 1992, den wir das ganze Jahr feiern. Im Jubiläumsjahr können wir auf eine erfolgreiche bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit zurückblicken.
Deutsche und Ungarn sind enge Partner in der Europäischen Union und in der Nato.
Wir tragen gemeinsame Verantwortung für das Werk der Europäischen Einigung und die Verteidigung der demokratischen Grundwerte. Wir führen einen engen und vielgestaltigen, dabei – wo nötig – auch kritischen Dialog. Dies betrifft die Parlamente, die Bundesregierung aber auch die Bundesländer.
Mit dem seit 1990 jährlich veranstalteten Deutsch-Ungarischen Forum haben wir zudem ein ganz besonderes Dialoginstrument für Fragen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien. Seit letztem Jahr wird es überdies um das zukunftsweisende Element „Junges Forum“ ergänzt.
Bei der Unterzeichnung des Vertrages im Februar 1992 stand vor allem die Überwindung der Teilung Europas und die Unterstützung der Demokratiebewegung im osteuropäischen Raum im Vordergrund. Die Osterweiterung der Europäischen Union ist sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein Erfolg. Deutschland war enger Partner Ungarns auf dem Weg in die Europäische Union. Mittlerweile hat Ungarn bereits eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft hinter sich gebracht und dies unter schwierigen Rahmenbedingungen.
Ich danke der ungarischen Nationalversammlung für die am 20. Februar einstimmig (!) verabschiedete Resolution zum 20. Jahrestag und teile die Auffassung über wichtige Gebiete der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ungarn, nämlich „die Vertiefung der Europäischen Union, die Aufstellung einer wertorientierten, starken, wettbewerbsfähigen, einer auf dem globalen Markt wirtschaftlich und politisch einflussreichen Gemeinschaft und die konsequente Weiterführung des Erweiterungsprozesses“.
Es hat in der letzten Zeit einige offene Fragen zwischen Ungarn und den europäischen Institutionen gegeben.
Die Bundesregierung kann hier der ungarischen Regierung nur raten, den inzwischen eingeschlagenen Weg des vertrauensvollen und ergebnisorientierten Dialoges konsequent weiterzuverfolgen.
Als wichtigster Handelspartner und ausländischer Investor in Ungarn hat die deutsche Wirtschaft maßgeblich zur Entwicklung der ungarischen Wirtschaft beigetragen. Rund 7.000 Firmen mit deutscher Beteiligung sind in Ungarn tätig und schufen bisher etwa 300.000 Arbeitsplätze.
Neben der Tätigkeit namhafter deutscher Großunternehmen wie Deutschen Telekom, RWE, Bosch, Audi, Mercedes, Siemens, der Lufthansa Technik gibt es unzählige mittelständische Betriebe in Ungarn.
Spektakulär sind Werkseröffnungen wie etwa kürzlich von Mercedes im zentralungarischen Kecskemét mit 3.000 Arbeitsplätzen oder die Erweiterung der Produktion von Audi in Raab (ung.: Győr) um eine komplette Fahrzeugfertigung mit 2.500 neuen Arbeitsplätzen. Aber der Automobilsektor steht nur für ein Viertel der Investitionen, die Hälfte wird vom Handel und vom Dienstleistungssektor getätigt.
Dabei wird von den deutschen Unternehmen auf eine möglichst langfristige und nachhaltige Zusammenarbeit mit den ungarischen Partnern Wert gelegt. Deshalb bringen die deutschen Unternehmen nicht nur Kapital und „know how“ ein, sondern engagieren sich auch im Sozial- und Bildungsbereich beispielsweise in Form der Berufsausbildung und in zahlreichen Kooperationen mit ungarischen Hochschulen.
In den vergangenen Monaten kamen deutliche Signale von deutschen aber auch anderen ausländischen Investoren, dass sich das Investitionsklima in Ungarn verschlechtert. Insbesondere die Berechenbarkeit der ungarischen Wirtschaftspolitik wird schlechter beurteilt als früher.
Eine Fortsetzung des eingeschlagenen Dialogs mit den Unternehmen ist essentiell, denn die ungarische Regierung braucht eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und damit auch mit den ausländischen Partnern. Dabei sollten die Sorgen der Investoren vor einer zu großen Belastung durch die 2010 eingeführten Sondersteuern zusammen mit den jüngst verabschiedeten neuen Steuern im Telekommunikations- und Bankensektor berücksichtigt werden.
Der Bereich Kultur und Wissenschaft spielt im deutsch ungarischen Freundschaftsvertrag eine wesentliche Rolle. Er wird erfolgreich getragen von zahlreichen Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, von der Arbeit der Mittlerorganisationen sowie von der deutschsprachigen Andrássy-Universität in Budapest, dem Leuchtturmprojekt der deutsch-ungarischen kulturellen Zusammenarbeit. Ich erinnere mich gerne daran, dass ich zusammen mit Staatssekretär Prőhle im letzten Jahr dazu beitragen konnte, die Finanzierung der Andrássy-Universität für weitere fünf Jahre zu sichern.
In Kooperation mit der Deutschen Botschaft organisiert die Andrássy-Universität beispielsweise in diesem Jahr eine Vortragsreihe mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaft und Finanzen. Anlässlich unseres Vertragsjubiläums finden dort gemeinsam organisiert mit dem ungarischen Außenministerium etliche weitere Veranstaltung statt.
Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung ist in Ungarn besonders aktiv. Pro Kopf der Bevölkerung hat Ungarn die meisten AvH-Stipendiaten und Preisträger.
Eine Schlüsselrolle im deutsch-ungarischen Verhältnis fällt den persönlichen Kontakten zu.
Sie sind der Nährboden für die „gefühlte Nachbarschaft“ zwischen Ungarn und Deutschland. Bei all dem, was über die institutionellen Verbindungen gesagt wurde, ist es dieses Netz, das nachhaltig wirkt. Sehr erfolgreich wird an diesem Netz auch von Menschen im Rahmen von Städtepartnerschaften gewoben. Fünfkirchen (ung. Pécs) und Fellbach haben beispielsweise bereits ihr 25jähriges Partnerschaftsjubiläum gefeiert.
Hier kommen die Menschen einander näher, sie kennen die Lebensumstände der anderen aus eigener Anschauung. Auch etliche familiäre Bande sind hieraus bereits entstanden. An den touristischen Zentren, aber auch abseits trifft man auf Landsleute.
Tausende von Studenten, Wissenschaftlern, Künstlern und Mitarbeitern von Wirtschaftsunternehmen halten sich in Ungarn oder Deutschland auf.
„Last but not least“ ist in diesem Kontext die deutsche Minderheit zu nennen. Mit ihrer lebendigen Traditionspflege und ihren zahlreichen fruchtbaren Verbindungen nach Deutschland, die im Freundschaftsvertrag besonderer Förderung anempfohlen wird.
Zusammenfassend kann man über die deutsch-ungarischen Beziehungen sagen: sie gründen tief, sie sind vielgestaltig, und sie sind vital.
Auf dieser Basis können wir sowohl bilateral, als auch im europäischen und internationalen Kontext weiterarbeiten. An Herausforderungen mangelt es nicht.