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„Russland auf der falschen Seite der Geschichte“

12.03.2012 - Interview

Außenminister Guido Westerwelle im Interview zu Moskaus Haltung zu Syrien. Erschienen in der Welt vom 12.03.12.

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Der Jemen könne, so haben Sie es gesagt, ein Muster sein für Syrien, was den friedlichen Übergang der Macht angeht. Was meinen Sie damit genau?

Meine Außenpolitik gibt politischen und diplomatischen Lösungen immer den Vorrang. Bei allen Problemen ist der Jemen ein Beispiel dafür, dass politische Lösungen und ein weitgehend friedlicher Machtübergang möglich sind. Wir Deutsche sollten mit ganzer Kraft unseren Beitrag dazu leisten, dass im Jemen der Übergang zu Stabilität und Demokratie jetzt planmäßig vorangetrieben wird.

Aus dem Jemen wird sicher keine neue Schweiz, aber ein zweites Somalia soll es eben auch nicht werden. Wie stehen die Chancen, ein zweites Somalia, also einen gescheiterten Staat, zu verhindern?

Die Vertreter jemenitischer Nichtregierungsorganisationen, mit denen ich in Sanaa gesprochen habe, sprachen von einem „vorsichtigen Optimismus“. Diese Einschätzung teile ich. Natürlich sind die Probleme nach der Machtübergabe von Ex-Präsident Saleh und der Wahl von Präsident Hadi nicht überwunden. Die Separatisten im Südjemen, terroristische Netzwerke, die Auseinandersetzungen mit den Hutis im Norden, unterschiedliche Stammesinteressen - der Problemberg ist weiter groß. Aber es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass wir den Jemen unterstützen, damit er eine andere Entwicklung nimmt als Somalia. Denn die Stabilität des Jemen wäre auch ein Beitrag zur Stabilität der gesamten Region. Was Instabilität bedeutet, das sehen wir ja bei der Piraterie vor der Küste Somalias.

Das trauen Sie dem aktuellen politischen Personal, das ja aus der Ära des gestürzten Präsidenten Saleh stammt, tatsächlich zu?

Ja, das traue ich ihm zu. Aber natürlich zählen die Taten. Wir haben beschlossen, dass die Arbeit der Botschaft wieder aufgenommen wird. Wir beginnen jetzt wieder mit der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben Experten nach Deutschland eingeladen und leisten Beratung zum Verfassungsprozess. Wir haben in Berlin Gäste aus der jemenitischen Politik und Zivilgesellschaft. All das dient dem Ziel, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass politischer Ausgleich und Versöhnung gelingen kann. Manche in Deutschland mögen sich fragen, was wir mit inneren Konflikten wie dem im Jemen zu tun haben? Wenn man sieht, wie viel Kraft wir in die Bekämpfung von Terrorismus und Piraterie stecken müssen, wird aber unser eigenes strategisches Interesse erkennbar, eine vorausschauende Politik der Stabilisierung zu betreiben.

Das gilt letztlich wohl auch für den Kampf gegen den jemenitischen Ableger der islamistischen Terrororganisation al-Qaida ...

Natürlich ist auch das weit über die Grenzen des Jemen hinaus von großer Bedeutung.

Kommen wir zum zweiten Teil Ihres Reiseprogramms: Saudi-Arabien. Als Regionalmacht spielt es eine wichtige Rolle, im Großkonflikt um Syrien genauso wie im zweiten wichtigen Problemfeld, dem Iran.

Saudi-Arabien ist Mitglied der G 20. Es ist die größte Volkswirtschaft in der Region und innerhalb der Arabischen Liga eine Schlüsselmacht. Die Arabische Liga spielt eine entscheidende Rolle dabei, ein Ende der Gewalt und einen politischen Wandel in Syrien zu erreichen. Saudi-Arabien hat großen Einfluss und ist ebenso besorgt über das iranische Atomprogramm wie die anderen Golfstaaten. Ich teile diese Sorge. Und natürlich gibt es auch ein Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen unseren Ländern.

Kann Riad denn ein im Moment viel diskutierter Präventionsangriff seitens Israels oder sogar der USA auf das iranische Atomprogramm recht sein?

Ich unterstütze die Haltung des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, auf eine politische und diplomatische Lösung zu drängen. Die Diskussion über militärische Interventionen ist kontraproduktiv, weil sie die Sanktionspolitik, die allmählich zu wirken beginnt, nur schwächt.

Sollte Präsident Baschar al-Assad in jedem Fall zur Rechenschaft gezogen werden, oder können Sie sich vorstellen, dass er - wie Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali in Riad - politisches Asyl zum Beispiel in Moskau erhält, damit der grausame Krieg gegen das syrische Volk endlich aufhört?

Eine politische Zukunft für Assad kann es nach dieser Gewalt gegen das eigene Volk nicht mehr geben. Uns geht es um eine Lösung, die die Gewalt beendet, den Menschen hilft und politischen Wandel möglich macht.

Drittes Reiseziel: New York. Die letzte UN-Sicherheitsratsresolution gegen Syrien ist gescheitert am Widerstand der Vetomächte China und Russland. Im Moment scheint es, als schwenkten die Chinesen langsam um. Wo stehen die Russen?

Die Signale, die wir nach dem Gespräch des russischen Außenministers bei der Arabischen Liga in Kairo wahrnehmen, sind noch nicht wirklich ermutigend. Wir nutzen die Zeit bis zur Sitzung des Sicherheitsrats und unser Treffen in New York, um auf Russland und China erneut einzuwirken. Russland sollte verstehen, dass es uns nicht um seine Schwächung in der Region geht. Natürlich hat Moskau strategische Interessen in der Region, die es gewahrt wissen will. Wir müssen Russland davon überzeugen, dass es auf der falschen Seite der Geschichte steht, wenn es weiter eine Resolution im Sicherheitsrat verhindert.

Fragen: Dietrich Alexander. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt.

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