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Brückenbauer über den Atlantik

19.09.2011 - Interview

Seit dem 6. Juli 2011 ist Harald Leibrecht Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit. Im Gespräch mit www.diplo.de erläutert er, welche Akzente er in dieser Rolle setzen will.

Seit dem 6. Juli 2011 ist Harald Leibrecht Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit. Im Gespräch mit www.diplo.de erläutert er, welche Akzente er in dieser Rolle setzen will.

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Sie sind seit dem 6. Juli Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit. Wie definieren Sie Ihre Rolle und welche Akzente wollen Sie in Ihrem Amt setzen?

Es geht mir darum, als Brückenbauer zwischen Deutschland und den USA, aber auch zwischen Deutschland und Kanada zu fungieren. Ich will den Amerikanern und Kanadiern deutsche Sichtweisen und politische Positionen erklären und natürlich auch umgekehrt den Deutschen nordamerikanische Perspektiven näherbringen.

Sie sind in Chicago geboren, besitzen die deutsche und die amerikanische Staatsangehörigkeit, haben in beiden Ländern gelebt. Wo verorten Sie gefühlsmäßig Ihre Heimat?

Heimat ist da, wo man zu Hause ist. Das ist für mich ganz eindeutig Deutschland. Hier bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen und bis heute eng verwurzelt. Ich bin Abgeordneter des Deutschen Bundestages, worauf ich sehr stolz bin. Für mich ist das eine große Ehre. Und ich bin nicht nur Deutscher, sondern auch überzeugter Europäer.

Gleichzeitig habe ich aber zeitlebens eine enge Anbindung an die USA. Zwei meiner Brüder leben in den USA. Dort habe ich sehr viele Freunde und ich habe das Land häufig bereist. Das verbindet und ich empfinde daher sehr viel für dieses wunderbare Land.

In den USA rückt Asien immer stärker in den Mittelpunkt. Europa sorgt sich im Moment um seine gemeinsame Währung. Welche Bedeutung haben unter diesen Bedingungen die USA heute noch für Deutschland und Europa und welche Bedeutung haben wir noch für die USA?

Deutschland und Europa stehen nicht mehr selbstverständlich im Fokus der amerikanischen Politik. Die amerikanische Gesellschaft, wie auch deren Wirtschaft sind im Wandel. Lateinamerikanisch- und asiatischstämmige Amerikaner schauen eher auf die Regionen, aus denen sie stammen. Heute haben nur noch 64 Prozent der amerikanischen Bevölkerung europäische Wurzeln. Dennoch ist Deutschland in den Augen der Amerikaner nach wie vor ein bedeutender, ja, ein ganz wichtiger Partner. Umgekehrt sind die Amerikaner für uns in Fragen der Sicherheit nicht nur die wichtigsten Verbündeten außerhalb der EU, sondern auch in Fragen der wirtschaftlichen Kooperation und anderen Bereichen, wie z.B. der akademischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit.

Unsere Länder verbindet eine gemeinsame Geschichte und viele gemeinsame Werte. Die transatlantische Partnerschaft steht insgesamt auf einem soliden Fundament, auch wenn es ab und zu Differenzen gibt. Es ist wichtig, dass auch kritische Fragen offen angesprochen werden können, ohne gleich die Freundschaft in Frage zu stellen. Gerade in Situationen, in denen Deutschland und die USA einmal nicht einer Meinung sind, ist es die Aufgabe des Koordinators, in Deutschland und Amerika jeweils die Positionen des anderen zu erklären und ggf. Wege aufzuzeigen, die uns einen und nicht trennen.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang neue, vor allem soziale Medien?

Eine ganz entscheidende. Die jüngeren Generationen wachsen mit den sozialen Medien auf. Dies müssen wir als Chance erkennen. Diese Medien spielen auch für unser Bestreben, uns in der Welt für Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen eine wichtige Rolle. In Ländern, in denen diese Grundrechte nicht gewährleistet sind, bieten das Internet und die sozialen Medien oft die einzige Möglichkeit, Kontakt mit dem Rest der Welt aufzunehmen. Der arabische Frühling ist hierfür ein gutes Beispiel. Die sozialen Medien verbinden aber auch die Menschen zwischen Deutschland und den USA, bzw. Kanada. Diese einfache, schnelle und unkomplizierte Kommunikation ermöglicht uns Deutschen, mehr über die Menschen auf der anderen Seite des Atlantiks zu erfahren und umgekehrt.

Seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit dem Thema Bildung und Forschung, auch als früherer Geschäftsführer einer privaten Hochschule. Wie kann Deutschland auf diesen Gebieten künftig noch stärker mit den USA kooperieren?

Es gibt schon seit vielen Jahren hervorragende Kooperationen zwischen deutschen und amerikanischen Bildungseinrichtungen, vor allem auf der Ebene der Universitäten. Der DAAD, Fulbright, die Humboldt-Stiftung, die Universitäten untereinander und andere leisten hier eine ganz wichtige Arbeit. Das möchte ich auf jeden Fall unterstützen und weiter voranbringen. In diesem Bereich gibt es noch ein riesiges Potential auf beiden Seiten. Heute steht Deutschland bei jungen Amerikanern nicht unbedingt ganz oben, wenn es darum geht, im Ausland zu studieren. Wir müssen noch gezielter auf amerikanische und kanadische Universitäten zugehen und sie motivieren, ihre Studenten für eine zeit lang nach Deutschland zu schicken.

Auch bei der Werbung für Deutsch als Fremdsprache in Amerika wollen wir mehr tun. Als Mitglied im Bundestag-Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik beschäftigt mich dieses Thema schon lange. Wenn wir es schaffen, mehr Amerikaner und Kanadier für die deutsche Sprache zu begeistern und Interesse für unser Land zu wecken, sind wir einen großen Schritt weiter.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren über Jahrzehnte auch stark von den Begegnungen der Deutschen mit hier stationierten amerikanischen Soldaten geprägt. Deren Zahlen gehen zurück. Welche neuen Formen der Begegnung zwischen beiden Gesellschaften lassen sich ausbauen?

In der Tat waren die in Deutschland stationierten amerikanischen Streitkräfte wichtige Botschafter für unser Land. Hier bricht uns etwas weg, das uns zum Umdenken bringen muss. Das aufzufangen, wird sehr schwierig. Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir in Zukunft verstärkt in die amerikanische und kanadische Gesellschaft hineinwirken können - sei es über die Universitäten und Schulen, über die Wirtschaft oder über Kunst und Kultur. Wir dürfen aber auch die Deutschen in den USA als wichtige Multiplikatoren unseres Landes nicht vergessen..

Ich will meine Arbeit nicht nur auf die politischen Zentren wie Washington und Ottawa konzentrieren, sondern vor allem in die Weiten des Landes hineinwirken und dort mit den Menschen sprechen. Ich werde von zahlreichen Vertretern von Kultur- und Bildungseinrichtungen angesprochen und eingeladen. Ich werde jede Gelegenheit nutzen, dort für unser Land zu werben.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Wirtschaft. Viele – nicht nur große, sondern auch mittelständische deutsche Firmen sind auf dem nordamerikanischen Markt tätig. Sie sind auch quasi Botschafter unseres Landes, denn sie vermitteln viel darüber, welche Verantwortung ein deutsches Unternehmen gegenüber seinen Mitarbeitern hat und dass die soziale Marktwirtschaft ein Erfolgsmodell ist. Darüber hinaus lernen deutsche, amerikanische und kanadische Kolleginnen und Kollegen und ihre Familien über private Kontakte viel vom jeweils anderen Land. Deutsche Unternehmen engagieren sich auch im Ausland vorbildlich in der beruflichen Aus- und Fortbildung und sind nicht nur deshalb beliebte Arbeitgeber.

Die Kontakte zu den jüdischen Gemeinden und Institutionen in Amerika und Kanada sind für mich auch wichtig. Dies sowohl aufgrund unserer Geschichte, aber auch, weil es dort viele jüdische Familien mit deutschen Wurzeln gibt. Es ist wichtig, dass wir Möglichkeiten eröffnen, Kontakt nach Deutschland aufzubauen und zu pflegen.

Das von der Bundesregierung unterstützte Programm „Germany Close Up“, mit dem junge amerikanischen Juden zu einem Informationsbesuch nach Deutschland eingeladen werden, ist ein hervorragendes Beispiel dieser Zusammenarbeit. Nicht wenige Teilnehmer äußern nach ihrem Aufenthalt, den Wunsch, einmal für einen längeren Aufenthalt nach Deutschland zu kommen, hier zu studieren oder zu arbeiten.

Die USA scheinen nach den Interventionen in Irak und in Afghanistan an militärische und finanzielle Grenzen zu stoßen. Wird Europa im Sinne einer Lastenteilung künftig mehr Aufgaben bei der Stabilisierung fragiler Staaten schultern müssen?

Der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates hat in einer Rede deutlich angesprochen, dass er von den Europäern mehr Anstrengungen bei in den Verteidigungsausgaben erwartet. In Europa ist dies in Zeiten knapper Kasse keine populäre Forderung. Deutschland wird auch in Zukunft seiner internationalen Verantwortung gerecht werden. Wir beweisen dies ja eindrucksvoll in Afghanistan.

Deutschland kann, und das ist eine unserer Stärken, eine ganz entscheidende Rolle beim zivilen Aufbau leisten. Mit einer zielgerichteten wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Entwicklungsländern können wir schon früh, also noch bevor ein Konflikt ausbricht, mithelfen negativen Entwicklungen entgegenzusteuern. Aber auch beim Wiederaufbau nach Konflikten wird Deutschland weiterhin wichtige Beiträge leisten. Wir werden in Libyen einmal mehr zeigen, dass wir Deutschen das gut können.

Sie sind auch für die Beziehungen zu Kanada zuständig. Welche besondere Rolle hat Kanada für Europa?

Kanada ist in vielen Bereichen ein wichtiger Partner. Zunächst einmal ist Kanada NATO-Verbündeter, aber auch ein enger Partner in anderen Bereichen vom Handel bis hin zu den Menschenrechten. Ich bin Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg. Dort ist Kanada zwar nicht Mitglied, hat aber eine Beobachterrolle. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie stark sich die kanadischen Abgeordneten in die Arbeit dort einbringen. Sie zeigen damit ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Europa.

Auch wenn 85 Prozent des kanadischen Außenhandels mit den USA abgewickelt wird, sind die Kanadier doch auch sehr stark europaorientiert. Kanada ist auch für deutsche Produkte, zum Beispiel im Energiebereich, ein interessanter Markt. Umgekehrt gibt es auch viele kanadische Firmen, die mir sagen, dass sie den europäischen Markt stärker erschließen möchten. Wenn ich hier mithelfen kann, Türen zu öffnen und Weichen zu stellen, werde ich das gerne tun.

Zu guter Letzt: Was mögen Sie als Deutscher besonders an den Amerikanern und was mögen Sie als Amerikaner besonders an den Deutschen?

Als Deutscher mag ich die Aufgeschlossenheit der Amerikaner. Es sind Menschen, die immer freundlich sind und positiv denken. Und sie reden nicht um den heißen Brei herum, sondern sagen einem auch mal deutlich die Meinung, wenn ihnen etwas nicht passt.

Umgekehrt schätze ich als Amerikaner an den Deutschen, dass sie als geographisch kleines Land doch sehr erfolgreich sind, im Bereich der Wirtschaft und Technologie, aber auch bei der Bildung. Hier hat Deutschland einiges zu bieten, und wir sollten hier noch enger miteinander kooperieren.

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