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Die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen

08.08.2011 - Interview

Gemeinsamer Beitrag von Außenminister Guido Westerwelle und seinem britischen Amtskollegen William Hague. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Huffington Post vom 08.08.2011.

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Schon jetzt lässt sich sagen, dass das Jahr 2011 in der internationalen Politik außergewöhnlich ereignisreich gewesen ist. Regierungen auf der ganzen Welt haben schnell und verantwortungsvoll gehandelt, um Wandel zum Besseren zu befördern und angesichts globaler Sicherheitsherausforderungen Stabilität zu bewahren. Sie unternehmen weiterhin große Anstrengungen, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nach der schlimmsten Finanzkrise seit einer Generation zu erreichen.

Die Aufbrüche in der arabischen Welt haben zu Recht Aufsehen erregt. Wir begrüßen die vielversprechenden Reformen in Tunesien, Ägypten und Marokko. Wir werden diejenigen mit allen Kräften unterstützen, die sich auf den Weg zu freieren Gesellschaften gemacht haben und die berechtigten Hoffnungen der Menschen erfüllen wollen. Doch die Veränderungen sind noch fragil. Für uns steht fest, dass die Europäische Union durch eine weitere Öffnung ihrer Märkte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann und muss, die politischen Veränderungen durch wirtschaftliche Dynamik und Wachstum zu unterstützen.

Repressive und autoritäre Regime, die sich den Zeichen der Zeit verweigern und den Funken der Freiheit mit brutalen Methoden ersticken wollen, stehen auf der falschen Seite der Geschichte. Das brutale Vorgehen gegen sein eigenes Volk hat Präsident Assad diskreditiert und isoliert. Die Europäische Union hat weitere Sanktionen verhängt. Die Reaktion des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen war überfällig. Präsident Assad muss Reformen durchführen oder zurücktreten. Oberst Gaddafis grausame Unterdrückung des eigenen Volkes hat die Welt geschockt. Er muss zurücktreten. Als Mitglieder der Kontaktgruppe ist der Nationale Übergangsrat für uns legitime Regierungsinstanz Libyens. Wir fühlen uns einer besseren Zukunft aller Libyer verpflichtet.

Bei allem Wandel in der Region steht ein Problem weiterhin in deutlichem Kontrast zu den potentiell positiven Entwicklungen – der Stillstand im Nahost-Friedensprozess. Nur ein ernsthafter Verhandlungsprozess und eine umfassende Vereinbarung können dies ändern. Deutschland und Großbritannien setzen sich nachdrücklich dafür ein, dass Israelis und Palästinenser auf der Grundlage klarer Parameter an den Verhandlungstisch zurückkehren. Das Ziel ist klar: eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage von Verhandlungen mit dem Staat Israel und einem souveränen, unabhängigen, demokratischen, zusammenhängenden und lebensfähigen palästinensischen Staat; zwei Staaten, die Seite an Seite miteinander in Frieden und Sicherheit leben. Der arabische Frühling sollte Israelis und Palästinenser dazu beflügeln, ihre Anstrengungen für den Frieden zu intensivieren.

Wir sehen stetigen Fortschritt in Afghanistan. Am 5. Dezember – dem 10. Jahrestag der Petersberger Konferenz – kehren die Afghanen und die internationale Gemeinschaft nach Bonn zurück. Nun, da die Afghanen immer mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen, wird die Bonner Konferenz wichtige Weichenstellungen vornehmen: für ein langfristiges, über 2014 hinausgehendes Engagement der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan und hin zu einer nachhaltigen und inklusiven politischen Lösung. Wir werden die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir lassen Afghanistan nicht im Stich. Von der Bonner Konferenz wird ein Signal für das große Engagement der internationalen Gemeinschaft auch nach dem Abzug unserer Kampftruppen ausgehen. Die EU wird eine langfristig angelegte Partnerschaft mit Afghanistan eingehen. Die Bonner Konferenz bietet der afghanischen Regierung und ihren internationalen Partnern die Chance, klare Visionen für einen alle einschließenden politischen Prozess zu entwickeln.

Allzu oft reagieren wir nur auf Krisen, wenn sie bereits ausgebrochen sind. Wir müssen mehr tun, die Ursachen von Instabilität zu beseitigen. Unsere beiden Länder setzen mehr denn je auf vorausschauende Konfliktprävention. Es geht darum, potentielle Sicherheitsrisiken zu erkennen und sie anzugehen, bevor sie sich zu realen Problemen auswachsen und eine Lösung dann um ein Vielfaches schwieriger wird. Der Weg dorthin führt über entschlossenes und nachhaltiges Handeln bei der Bekämpfung des Klimawandels, einer der Schlüsselfragen unserer Zeit.

Die Weizenmissernte in Russland im vergangenen Jahr, die Überschwemmungen in Pakistan und die schreckliche Dürre in Ostafrika zeigen uns auf dramatische Weise die äußerst realen Auswirkungen des Klimawandels. Klimasicherheit ist unabdingbar für globalen Wohlstand, für Nahrungsmittel-, Wasser- und Energiesicherheit, für eine offene Weltwirtschaft, für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Rechtsstaatlichkeit. Klimasicherheit ist von zentraler Bedeutung für die Werte der Europäischen Union und für die Ziele, die wir uns als Außenminister gesteckt haben. Auf unsere Initiative hat der Außenministerrat im Juli eine Einigung darüber erzielt, dass die europäische Klimaschutz-Diplomatie ausgebaut wird. In der gleichen Woche hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unter deutschem Vorsitz zum ersten Mal seit Jahren das Thema Klimasicherheit diskutiert und dabei erstmals anerkannt, dass der Klimawandel Frieden und Sicherheit beeinträchtigen kann. Es ist wichtig, dass wir diese Dynamik im Vorfeld der Klima-Konferenz in Durban im November dafür nutzen, weiter auf ein rechtlich verbindliches und universelles Übereinkommen zu drängen, das die Länder rund um den Globus verpflichtet, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Die dramatischen Umbrüche im Süden von Europa täuschen nicht über die traurige Tatsache hinweg, dass auch unser Kontinent nicht gegen den Ausbruch von gewaltsamen Konflikten gefeit ist. Für die Mehrheit der Europäer ist dauerhafter Frieden und Stabilität eine Alltagserfahrung. Die vor zwei Wochen erfolgte Tötung eines kosovarischen Polizisten in der Nähe der Grenze zu Serbien zeigt, dass dies nicht überall in Europa selbstverständlich ist. Fast 17 Jahre nach dem Ende des Konflikts, der zum Zerfall des früheren Jugoslawien führte, haben die Länder des westlichen Balkans große Schritte in Richtung Demokratie und guter Nachbarschaft gemacht. Mutmaßliche Kriegsverbrecher sind an internationale Gerichte ausgeliefert worden.

Die Einladung an Kroatien zum EU-Beitritt zeigt, was die Länder der Region erreichen können. Doch die jüngsten Ereignisse in Kosovo belegen, dass die Fortschritte der vergangenen Jahre noch immer der Gefahr ethnischer Spaltung ausgesetzt sind. Serbien und Kosovo müssen für ihre Streitigkeiten eine diplomatische Lösung finden, die die Grenzen Kosovos achtet, das Leben aller verbessert und beide Staaten auf den Weg in Richtung eines EU-Beitritts führt. Tun sie das nicht, vergeben sie eine historische Chance. Dies würde den Interessen der Menschen in beiden Staaten zuwiderlaufen. Wir stehen nachdrücklich hinter dem Dialog zwischen Belgrad und Pristina, den Lady Ashton im Namen der Europäischen Union vermittelt. Im Herbst wird die EU über ihre Beziehungen zu Serbien und Kosovo beraten. Wir werden genau hinsehen, welche Fortschritte die beiden Länder bis dahin erzielt haben.

Deutschland und Großbritannien ziehen bei allen diesen Fragen an einem Strang. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass die Hoffnungen erfüllt und die Chancen genutzt werden, die Menschen auf allen Kontinenten mit dem Wunsch nach Veränderung verbinden.

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