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„Bildung als Element gesellschaftlichen Aufbaus in Afghanistan“ - von Staatsministerin Cornelia Pieper
erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 06.05.2011
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„In die Köpfe der Menschen zu investieren, ist die beste Demokratisierungs- und Menschenrechtspolitik und zugleich der wirksamste Kampf gegen den Terrorismus“. Bei dieser Aussage bleibe ich und möchte den Raum zur Entgegnung auf einen an dieser Stelle erschienenen Artikel von Tom Koenigs nutzen. Herr Koenigs hatte im Anschluss an seine Reise nach Afghanistan das deutsche Engagement für die Bildungsentwicklung in Afghanistan kritisiert.
Vorab: Unser Engagement für die Bildungsentwicklung Afghanistans ist eines der zentralen Elemente der deutschen Afghanistan-Strategie. Erfolge im Bildungsbereich werden wir allerdings nur erzielen, wenn das Umfeld stabilisiert ist und die Kämpfer reintegriert sind.
Die traditionelle Unterstützung des afghanischen Sekundarschulwesens durch Deutschland ist auch heute ein wichtiger Pfeiler beim Aufbau des afghanischen Bildungsbereichs. Es ist richtig, die drei traditionell von uns unterstützten Sekundarschulen in Kabul weiter zu begleiten. Die Förderung dieser Schulen hat sich in den letzten Jahren auf knapp eine Million Euro jährlich eingependelt.
Wir setzen in der Zusammenarbeit mit unseren afghanischen Partnern auf das Prinzip der „Afghan ownership“. So befinden sich alle drei von uns unterstützten Schulen in afghanischer Trägerschaft. Heute noch zählen diese Schulen zu den besten Afghanistans. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, auch weiterhin verstärkten Deutschunterricht an diesen Schulen anzubieten. Dafür sind seit 2002 unverändert sieben Lehrerinnen und Lehrer sowie ein Fachberater der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) vor Ort und leisten hervorragende Arbeit. Sie bilden zusätzlich afghanische Lehrerinnen und Lehrer aus 17 staatlichen Schulen verschiedener Landesteile fort. Neben der Förderung der afghanischen Bildungselite wird dadurch ein weiterer Fokus auf die Verbesserung der Breitenbildung in den afghanischen Provinzen gelegt.
Die deutsch-afghanischen Hochschulbeziehungen werden seit 2002 maßgeblich vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) entwickelt. Ein DAAD-Koordinator in Kabul arbeitet, unter nicht immer einfachen Bedingungen, als Schnittstelle zwischen den deutschen und afghanischen Universitäten. Durch die erfolgreiche Beratungstätigkeit des DAAD-Koordinierungsbüros konnten seit der Wiederaufnahme des DAAD-Engagements 2002 knapp 1000 Stipendien an afghanische Studierende und Absolventen zur Weiterqualifizierung vergeben werden.
Wir konzentrieren uns in der akademischen Aufbauarbeit auf die Schwerpunkte Informationstechnologie, „Good Governance in Afghanistan“ und Wirtschaftswissenschaften. Für die Fortführung dieser Programme stehen dem DAAD in diesem Jahr 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Darüber hinaus wird eine für Afghanistan enorm wichtige Verwaltungshochschule aufgebaut. An ihr werden afghanische Führungskräfte für Verwaltungsaufgaben ausgebildet, nicht zuletzt auch im Bereich der Menschenrechte. Indem wir einen für afghanische Juristen konzipierten Masterstudiengang des Max-Planck-Instituts fördern, gewichten wir unser Engagement für Menschenrechtsbildung stark.
Man kann immer noch mehr tun. Wir setzen jedoch auf die tatsächliche Absorptionsfähigkeit der afghanischen Gesellschaft und auf „Afghan ownership“. Wir wollen, dass unsere afghanischen Partner aktive Teilhaber an den Bildungsprozessen sind und die angeschobenen Projekte demnächst selbst weiterführen.
Als renommierter Partner im Kultur- und Bildungsbereich leistet das Goethe-Institut in Kabul wichtige Bildungsarbeit. Die deutsche Sprache wird in Sprachkursen landesweit gefördert. Von den sieben Millionen afghanischen Schülerinnen und Schülern lernen insgesamt 8.800 Deutsch, eine beachtliche Zahl.
Unser Engagement für den afghanischen Bildungssektor ist vielfältig und bedarfsorientiert. Es kann sich sehen lassen, auch weil es neben dem Bau von Primarschulen, der Sekundar- und Hochschulförderung großen Wert auf die Integration von Ausbildungskomponenten in die durchgeführten Projekte legt. Komplettiert wird der deutsche Beitrag für den afghanischen Bildungssektor durch die Maßnahmen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) für den Grundschul- und den Berufsbildungsbereich. Das internationale Engagement für die Bildungsentwicklung in Afghanistan, an dem Deutschland maßgeblich beteiligt ist, gibt guten Grund zur Hoffnung, dass der Trend anhält: 2001 besuchten eine Millionen Jungen afghanische Schulen, zehn Jahre später sind es über sieben Millionen Mädchen und Jungen, die in afghanischen Schulen lernen.
Die Bundesregierung hat ein klares Bekenntnis abgelegt, den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan zu stärken. Dazu gehört insbesondere auch der Bildungsbereich. Rückschläge werden dabei nicht ausbleiben, aber langfristig werden sich unsere Anstrengungen für die afghanische Gesellschaft und die deutsch-afghanischen Beziehungen bezahlt machen.