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'Gemeinsam gegen das weißrussische Regime' - von William Hague und Guido Westerwelle

28.01.2011 - Interview

Gemeinsamer Beitrag des britischen Außenministers William Hague und Bundesaußenminister Guido Westerwelles in der Süddeutschen Zeitung vom 28.01.2011

Mit wachsendem Entsetzen hat die Welt in den vergangenen sechs Wochen verfolgt, wie das Regime in Weißrussland systematisch und rücksichtslos versucht hat, die Zivilgesellschaft und die junge Opposition im Land zu zerschlagen.

Die Gewalt in der Nacht nach den Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember war schockierend. Auch wenn andere Ereignisse zwischenzeitlich die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich gezogen haben, dauern die Repressionen in Weißrussland an. Noch immer sind vier Präsidentschaftskandidaten und zahlreiche Aktivisten aus Politik und Zivilgesellschaft in Haft. Es gibt keine unabhängigen Informationen über ihren Zustand. Vielen von ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen. Ihnen wird vorgeworfen, Krawalle organisiert zu haben - dabei gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die Gewalt in der Wahlnacht durch weißrussische Behörden inszeniert war. Unterdessen verbreiten staatliche weißrussische Medien merkwürdig gewundene Dementis verhafteter Oppositioneller. Es bleibt der Spekulation überlassen, was sie zu diesem Sinneswandel über Nacht bewogen haben mag.

Das Regime verfolgt auch andere Wege zur Verfolgung derjenigen Weißrussinnen und Weißrussen, die ihre unabhängige Stimme zu erheben gewagt haben. Täglich werden Wohnungen und Büros in ganz Weißrussland durchsucht und verwüstet. Über 200 Personen hat der belarussische Geheimdienst verhört, insgesamt 700 Menschen wurden in der Nacht des 19. Dezember verhaftet. Uns liegen Informationen vor, dass Anwälten ihre Berufsausübung verboten wurde, nachdem sie öffentlich zu den Misshandlungen ihrer Mandanten Stellung bezogen haben. Bald schon werden wir erleben, wie Studierende wegen ihrer Teilnahme an den Protesten - wie bereits nach der letzten Präsidentschaftswahl 2006 - massenweise der Universitäten verwiesen werden.

Es gibt eine ernste Krise in Europas Nachbarschaft. Wir müssen handeln. Beim Rat für Außenbeziehungen in Brüssel werden wir kommende Woche weitere scharfe Sanktionen der Europäischen Union gegen Weißrussland sowie weitere Schritte gegen das Regime Lukaschenko fordern. Wir dürfen vor den derzeitigen Geschehnissen in einem europäischen Nachbarland nicht die Augen verschließen. Lukaschenko hat seine Wahl getroffen; uns bleibt keine andere Wahl, als darauf entsprechend zu reagieren.

Wenn Weißrussland der Welt den Rücken kehrt, wird das verheerende Folgen für das Land haben. Investoren werden ihr Vertrauen in das Land verlieren und Belarus wird sich auf Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt begeben, der Freiheit und Gerechtigkeit als unumstößliche Grundwerte hochhält.

Wie konnte es so weit kommen?

Noch vor einem Monat hatte man den Eindruck, Weißrussland bewege sich in die richtige Richtung - wenngleich mit kleinen Schritten. Mehrere Kandidaten wurden zu den Präsidentschaftswahlen zugelassen, in begrenztem Rahmen sogar begleitet von Medienberichterstattung. Politische Gefangene wurden freigelassen. Es gab zaghafte Annäherungsversuche zwischen Weißrussland und der Europäischen Union zum Ziel vertiefter Wirtschaftsbeziehungen. Trotz einer gewissen Skepsis waren wir uns innerhalb der Europäischen Union einig: Größeres Engagement ist möglich, wenn das Land weitere Fortschritte zur Annäherung an internationale Standards unternimmt. Im November verlängerten wir zwar die EU-Sanktionen gegen Weißrussland, beschlossen aber zugleich deren Aussetzung abhängig vom Verlauf der Wahlen im Dezember. Mit den Ereignissen des 19. Dezember und der darauf folgenden Tage und Wochen zeigte Lukaschenko sein wahres Gesicht.

Wir sind entschlossen, gemeinsam gegen das weißrussische Regime vorzugehen. Gleichzeitig dürfen wir die Menschen in Weißrussland nicht im Stich lassen. Wir wollen die weißrussische Zivilgesellschaft weiter unterstützen und unser Engagement verstärken. Das weißrussische Volk soll wissen, dass seine europäischen Nachbarn es unterstützen. Und wenn Weißrussland entscheidet, sich der europäischen Völkergemeinschaft wieder anzuschließen, werden wir bereitstehen und Weißrussland willkommen heißen.

Erschienen in der Süddeutschen Zeitung , 28.01.2011

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