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Interview von Außenminister Westerwelle mit dem Handelsblatt (24.01.11)

24.01.2011 - Interview

Im Interview mit dem Handelsblatt spricht sich Außenminister Westerwelle für nationale Schuldenbremsen und eine bessere wirtschaftspolitische Koordination im Euro-Raum aus.

Außenminister Westerwelle im Interview mit dem Handelsblatt über den Euro-Stabilisierungsfonds.

Erschienen am 24.01.2011

Herr Außenminister, die EU-Staaten haben angekündigt, alles tun zu wollen, um den Euro zu stabilisieren. Bedeutet dieses Versprechen, dass Deutschland mehr Geld in die Hand nehmen muss?

Wir müssen vor allem zu einer perspektivischen und strategischen Gestaltung der Zukunft des Euros kommen. Ich halte nichts von kurzatmigen und hektischen Reaktionen, die dem Vertrauen in unsere Währung schaden.

Mehr Geld, um die Schuldenkrise zu stoppen, ist also nicht erforderlich?

Im vergangenen Jahr ist es keinem in Europa leichtgefallen, den Euro-Rettungsschirm mit insgesamt 750 Milliarden Euro aufzuspannen. Und doch war es richtig. In einer angespannten Lage an den Finanzmärkten musste für Beruhigung und Vertrauen gesorgt werden. Man darf nicht vergessen, dass Deutschland selbst zur Destabilisierung der Euro-Zone beigetragen hat, als die rotgrüne Bundesregierung vor einigen Jahren an der Aufweichung des europäischen Stabilitätspakts mitwirkte. Diesen historischen Fehler müssen wir jetzt so schnell wie möglich korrigieren. Es gilt, den Druck der Krise jetzt zu nutzen, um notwendige strukturelle Veränderungen zu bewirken. Was nützt eine Debatte über den Rettungsschirm, wenn die langfristigen Ziele aus dem Auge geraten?

Was ist nötig?

Wir müssen in ganz Europa Wege zu einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik finden. Für die aktuelle Krise sind nicht nur Spekulanten verantwortlich, sondern zuerst die Länder, die unsolide gewirtschaftet haben. Die Lehre aus der Krise ist deshalb, die uferlose Verschuldungspolitik vergangener Jahre zu beenden. Zudem müssen wir durch bessere wirtschaftspolitische Koordinierung die europäische Wettbewerbsfähigkeit steigern. Der Euro kann nur so stark sein wie die Realwirtschaften seiner Mitgliedsländer.

Kann denn die Bundesregierung die Forderung von EU-Kommissionspräsident Barroso nach einer Aufstockung des Rettungsfonds schlicht ignorieren?

Wenn die These von Ludwig Erhard stimmt, dass Wirtschaft zur Hälfte Psychologie ist, dann sind solche Wortmeldungen nicht hilfreich. Ein Investor könnte dahinter ein beunruhigendes Hoheitswissen vermuten. Der Rettungsschirm ist nur zu einem geringen Teil ausgelastet. Deshalb haben die Bundeskanzlerin und ich deutlich gemacht, dass eine Aufstockung derzeit nicht infrage kommt.

Eine politische Debatte über die verschiedenen Instrumente zur Euro-Rettung werden Sie kaum unterbinden können.

Bei so wichtigen Fragen sind öffentliche Diskussionen normal. Es ist aber ein Unterschied, wenn hohe Funktionsträger quasi ex cathedra Forderungen nach einer Aufstockung des Rettungsschirms erheben.

Egal, wie der Krisenmechanismus am Ende aussieht, Deutschland dürfte einmal mehr die Zeche zahlen. Können Sie vor dem Hintergrund den Frust der Bürger verstehen?

Deutschland hat wie kein anderes Land von der Einführung des Euros profitiert. Ich bin ein absolut überzeugter Europäer. Man darf nicht vergessen, dass wir immer noch mehr Güter in die Niederlande als nach China exportieren. Ich halte die Zahlmeisterdiskussion in Deutschland für falsch.

Dennoch war es richtig, dass die Bundesregierung darauf bestanden hat, keinen Blankoscheck für Griechenland auszustellen, sondern die Hilfen an strenge Auflagen zu knüpfen. In der Krise liegt eine Chance. Wir müssen den aktuellen Problemdruck nutzen, um die strukturellen Lösungen anzugehen.

Luxemburgs Premierminister Juncker hat der FDP gerade mangelnde Solidarität in Europa und einen populistischen Kurs vorgeworfen.

Es beunruhigt mich, wie einige in Europa nach dieser Finanzkrise einfach zur Tagesordnung übergehen wollen und meinen, neue Schulden zu machen sei die Lösung des Problems. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer auf die Hilfe anderer EU-Länder angewiesen ist, muss seinen Staatshaushalt und seine Wirtschaft so schnell wie möglich wieder in Ordnung bringen. Wer Europa will, muss jetzt handeln und die Regeln anpassen. Das ist der wahre europäische Patriotismus.

Sie lehnen auch die Einführung von Euro-Bonds ab. Warum?

Eine Vergemeinschaftung der nationalen Schulden würde den Druck zur Haushaltskonsolidierung nehmen. Während disziplinierte Länder mit soliden Staatsfinanzen die Last zu tragen hätten, könnten die anderen Länder ihre Schuldenpolitik fortsetzen. Aus diesem Grund ist es wichtig, am Prinzip der nationalen Verantwortung für die Schulden festzuhalten.

Bundesfinanzminister Schäuble scheint gegenüber der Idee von Euro-Anleihen aufgeschlossener zu sein ...

Wenn Sie Fragen an den Bundesfinanzminister haben, empfehle ich ein Interview mit ihm.

Danke für den Hinweis. Aber wo ist die rote Linie für die FDP in der Diskussion um die Euro-Rettung?

Ich habe Ihnen unsere Haltung dargelegt. Im Übrigen rate ich, den Fokus der Diskussion von der Behandlung der Symptome auf die Heilung der Ursachen für die jetzige Krise zu legen. Die Bundesregierung steht uneingeschränkt zur Stabilität des Euros.

Wie stellen sich die Liberalen eine Lösung der Euro-Krise vor?

Wir müssen in Europa die strukturellen Voraussetzungen für Selbstdisziplin und solide Staatsfinanzen schaffen. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt braucht Zähne durch wirksame Sanktionierungen. Ich halte es auch für sinnvoll, in allen europäischen Länder darüber nachzudenken, eine nationale Schuldenbremse nach deutschem Vorbild einzuführen. Daneben brauchen wir eine bessere finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung in der Euro-Zone zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Da muss zum Beispiel über die Erhöhung von Investitionsquoten im Vergleich zu konsumptiven Ausgaben und andere Dinge mehr geredet werden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie die Positionen der FDP in der Koalition durchsetzen können?

Die Liberalen haben die Diskussion um die Stabilisierung des Euros in den vergangenen Monaten entscheidend geprägt. In einer Großen Koalition hätten Sozialdemokraten längst auf eine Vergemeinschaftung der Schulden gedrängt, die Grünen übrigens auch. Das haben wir verhindert. Wir werden auch weiter unsere Verantwortung für unsere Währung und vor dem Steuerzahler wahrnehmen, ebenso wie unsere Verantwortung für Europa.

Obwohl der Euro gegenüber dem US-Dollar im vergangenen Jahr kräftig an Wert verloren hat, sehen Sie keine dauerhaften Gefahren für den Euro?

Wir arbeiten dafür, dass der Euro dauerhaft stabil bleibt. Es gibt ja auch keine Krise des Euros, sondern eine Schuldenkrise einzelner Mitgliedsländer. Um den Euro zu stabilisieren, müssen wir die Ursachen dieser Krise angehen, die in zu hoher Staatsverschuldung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit liegen.

Dennoch reden Politiker in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer wieder von der Euro-Krise. In der US-Regierung würde niemand schlecht über den Dollar reden.

Da ist etwas dran. Viel wichtiger ist es aber, jetzt die Arbeiten in der Sache voranzutreiben. Ein dauerhafter Stabilitätsmechanismus sollte auch die privaten Gläubiger nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

[...]

Interview: Sven Afhüppe und Thomas Sigmund

Copyright: http://www.handelsblatt.com

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