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Interview: Staatsminister Werner Hoyer zum ungarischen Mediengesetz und zur beginnenden ungarischen EU-Ratspräsidentschaft (Frankfurter Rundschau)

30.12.2010 - Interview

Herr Hoyer, am Samstag übernimmt Ungarn turnusmäßig für die nächsten sechs Monate den EU-Vorsitz. Die Regierung in Budapest schickt sich gerade an, auf nationaler Ebene die Medien an die Leine zu legen und die Meinungsfreiheit einzuschränken. Dürfen die europäischen Partner ihr das durchgehen lassen?

Wir müssen sehr genau darauf achten, dass in der Europäischen Union die Wahrnehmung der Grundrechte ohne jeden Zweifel gewährleistet ist. Zu diesen elementaren Rechten gehört die Pressefreiheit. Wenn da Fragezeichen aufkommen, müssen sie beseitigt werden. Auch wenn ich den genauen Wortlaut des neuen Mediengesetzes noch nicht kenne, gibt es hier Fragen. Ich gehe davon aus, dass die ungarische Regierung dazu das letzte Wort noch nicht gesprochen hat. Es wäre sehr gut, wenn dieses Thema rasch aus der Welt geräumt wird.

Die Europäische Kommission „prüft“ derzeit, ob Budapest gegen europäisches Recht verstößt. Gibt es denn da überhaupt etwas zu prüfen?

Ich verlasse mich auf die Analyse des Juristischen Dienstes der Kommission. Das werden wir auch einfordern. Traditionell ist die Kommission über Weihnachten und zwischen den Jahren allerdings nicht besonders handlungsfähig; daneben mussten in Brüssel wohl auch erst mal die Zuständigkeiten geklärt werden… .

...will heißen?

Zunächst hielt man EU-Medien-Kommissarin Neelie Kroes für federführend. Sie ist bestimmt mit zuständig, aber eine zentrale Rolle müsste ja wohl Justiz-Kommissarin Viviane Reding spielen. Frau Reding meldet sich ja auch sonst gerne mal zu Wort und sollte sich auch jetzt äußern.

Ein Blick in die EU-Grundrechtecharta würde doch genügen; da heißt es ziemlich unmissverständlich: „behördliche Eingriffe“ in die Arbeit der Presse darf es nicht geben.

Damit ist das Ziel unmissverständlich definiert. Zu klären ist dann aber, wie die Gemeinschaft mit möglichen Verstößen umgeht. Für eher technische Vorgänge, wie zum Beispiel eine verspätete Umsetzung von EU-Richtlinien, ist das Anstrengen von Vertragsverletzungsverfahren der ganz normale Weg. Ähnliches müsste auch möglich sein, wenn ein so grundlegendes Recht wie die Pressefreiheit verletzt werden sollte. Das gilt es jetzt von der Kommission zu prüfen.

Ihr FDP-Parteifreund, der Europa-Abgeordnete Alexander Alvaro, hält den Verstoß gegen die Grundrechte-Charta bereits für gegeben. Überdies zieht er in Zweifel, ob Ungarn überhaupt in die Europäische Union gehöre, geschweige denn in wenigen Tagen deren Vorsitz übernehmen dürfe…

Da schießt der Kollege weit über das Ziel hinaus. Wo er aber Recht hat: Es ist problematisch, wenn die Europäische Union potenziellen Beitrittsanwärtern oder Partnerländern Vorträge über die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit hält, während in ihren eigenen Reihen dazu Fragezeichen bestehen. Gerade der EU-Vorsitz ist ganz besonders gefordert, sich an alle Regeln zu halten.

Wie bewerten Sie denn die jüngsten, durchaus robusten Reaktionen von Ungarns konservativem Premierminister Viktor Orbán? In Kurzform: Ich lasse mir von euch Westeuropäern nichts vorschreiben, und an unserem Mediengesetz wird nichts mehr geändert.

Man sollte in dieser Situation nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen und einer Wagenburg-Mentalität in Budapest Vorschub leisten. Die Bundesregierung hat enge Drähte nach Budapest. Daher gehe ich – noch einmal – davon aus, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Eines muss aber klar sein: Es kommt in einem Rechtstaat darauf an, was genau in dem Gesetz steht. Zu sagen: Wir schauen uns in der praktischen Anwendung mal an, wie das Gesetz so wirkt – das geht nicht!

Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy weilte just am Tag der Verabschiedung des umstrittenen Mediengesetzes in Budapest. Er erklärte vor seinem Heimflug, er nehme einen „ausgezeichneten Eindruck“ von Ungarns Regierung mit nach Brüssel. Waren das angemessene Worte?

Ich gehe davon aus, dass sich Herrn Van Rompuys positiver Eindruck auf die in der Tat exzellente Vorbereitung der Ungarn auf ihren ersten Ratsvorsitz in der Europäischen Union bezog.

Interview: Michael Bergius

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