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Außenminister Guido Westerwelle im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt

15.10.2010 - Interview

Herr Minister, Deutschland hat einen Platz im Weltsicherheitsrat für 2011 und 2012 errungen. Warum müssen wir in diesem Gremium sitzen, wenn wir nicht einmal ein Vetorecht haben?

Deutschland gehört in den Sicherheitsrat, weil es kein anderes Gremium gibt, in dem so viel für Frieden und Konfliktlösung in der Welt getan werden kann.

Weil wir als drittgrößter Beitragszahler und mit unserem weltweiten Engagement schon jetzt viel Verantwortung tragen, wollen wir auch an den politischen Entscheidungen mitwirken. Diese Arbeit ist auch im Interesse unserer Bürger. Auf jedem regionalen Konfliktfeld können Fundamentalismus, Extremismus und oft genug Terrorismus gedeihen. Es dient der Sicherheit unseres Landes, wenn wir im Sicherheitsrat an diesen Konfliktlösungen mitarbeiten.

Fünf ständige Mitglieder, zehn nichtständige Mitglieder - welche Struktur wäre Ihnen lieber?

Die heutige Struktur der Uno spiegelt die Lage der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg wieder. Aber die Gewichte haben sich verändert. Kontinente wie Lateinamerika und Afrika haben an wirtschaftlichem, kulturellem und politischem Gewicht gewonnen und müssen besser vertreten sein. Auch Asien ist noch wichtiger geworden. Wir streben langfristig einen Sitz der EU im Weltsicherheitsrat an. Bis dahin ist Deutschland bereit, auch als ständiges Sicherheitsratsmitglied mehr Verantwortung zu übernehmen.

Ist das schon die deutsche Agenda für die kommenden zwei Jahre?

Nein, das ist unser langfristiges Engagement. In den kommenden zwei Jahren geht es uns vor allem um die Lösung von Konflikten wie in Afghanistan, im Nahen Osten oder in Afrika, um Klimaschutz und Entwicklung, um Abrüstung und nuklearer Nichtverbreitung. Wir wollen im Sicherheitsrat eine werteorientierte Außenpolitik vertreten.

Wirtschaftsminister Brüderle fürchtet einen Krieg der Märkte, wenn Länder wie China weiterhin ihre Währungen unterbewerten. Teilen Sie die Furcht?

Der Bundeswirtschaftsminister hat zu Recht auf diese wichtige Frage der Weltwirtschaft hingewiesen. Die künstliche Unterbewertung einer Währung verschafft einem Land Exportvorteile gegenüber anderen Ländern. Darunter kann auch die Exportnation Deutschland leiden.

Die USA kündigen bereits Strafzölle gegen chinesische Waren an.

Ich bin kein Anhänger von Protektionismus. Auch ich habe mit der chinesischen Regierung vor Kurzem das Problem der Währungsbewertung besprochen. Wir werden das Thema weiter beharrlich verfolgen.

Wir jubeln an einem Tag über den Friedensnobelpreis für einen inhaftierten chinesischen Bürgerrechtler, am anderen Tag bejubeln wir den Absatzboom von VW in China. Ist das deutsche Doppelmoral?

Gerade Handel und Austausch sind ein Instrument, um andere Länder bei inneren Reformen voranzubringen. Wir haben es nicht nur mit einer Globalisierung der Wirtschaft zu tun, sondern auch mit einer Globalisierung von Ansichten und Haltungen, von Werten und rechtstaatlichen Grundsätzen. Wandel kann man auch durch Handel bewirken. Ohne diesen Grundsatz hätten wir Deutsche unsere Wiedervereinigung 1990 vermutlich nicht feiern können.

Sie vermuten also, dass sich in einem Riesenreich wie China durch Handelsbeziehungen auch Rechtsordnungen ändern können. Mit Verlaub: Sind Sie naiv?

Internationale Beziehungen sind sehr kompliziert. Aber wir haben in Europa bewiesen, dass es so funktionieren kann. Die Ostpolitik nach 1969 hat gezeigt, dass man mit intensivem Dialog und Handelsaustausch sehr wohl auch nach innen einen Reformprozess in Gang setzen kann. Aus wirtschaftlichem Austausch erwächst auch Horizonterweiterung. Einsichten vermitteln sich besser. Unsere interessengeleitete und zugleich werteorientierte Politik sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich gut.

Soll Liu Xiaobo seinen Nobelpreis in Oslo entgegennehmen dürfen?

Wir setzen uns für Liu Xiaobos Freilassung ein. Und wir würden es begrüßen, wenn er seinen Preis in Oslo persönlich entgegennehmen kann. Diese Auffassung ist auch der chinesischen Regierung bekannt.

[…]

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