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„Die UNO braucht neuen Schwung für Reformen“ Außenminister Westerwelle im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung

27.09.2010 - Interview

Herr Minister, mit welchem Eindruck kehren Sie aus New York zurück: Sind die Vereinten Nationen geschwächt durch die starke Konkurrenz der G-20-Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer?

Wenn es um Frieden und Entwicklungspartnerschaft geht, sind die Vereinten Nationen das Zentrum der Diskussion und der Entscheidungen. Es wird viel darüber spekuliert, ob neue Formate die Rolle der Vereinten Nationen reduzieren. Ich glaube das nicht. Es ist das einzige Forum, das einer Art „Weltparlament“ nahekommt.

Die Finanzkrise ist auf G-20-Ebene gemanagt worden – ein Indiz für die Handlungsunfähigkeit der UNO?

Bei den Vereinten Nationen geht es zuerst um Fragen des Friedens und der regionalen Konfliktlösung. Hinzu kommt die Bewältigung neuer Bedrohungen – beispielsweise durch den Klimawandel. All dies gefährdet nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern auch die Stabilität und Statik unserer Welt. Ich glaube, dass die Vereinten Nationen in Zukunft her noch wichtiger werden – wobei allerdings innere Reformen notwendig sind.

Deutschland bewirbt sich um einen der zehn nicht ständigen Sitze im UNO-Sicherheitsrat. Was genau wollen Sie dort erreichen?

Drei Dinge wollen wir voranbringen: Erstens Abrüstung und Nichtverbreitung nuklearer Waffen. Würden immer mehr Staaten atomar aufrüsten, wüchse auch die Gefahr, dass Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen könnten. Zweitens wollen wir den Klimaschutz ausbauen, und drittens setzen wir auf Entwicklungspartnerschaft. Ein exportabhängiges Land wie Deutschland hat nur dann eine gute Zukunft, wenn sich auch andere Weltregionen entwickeln. Wenn anderswo deutsche Produkte gekauft werden können, nützt das auch uns und den Arbeitnehmern in Deutschland.

Wie stehen die Chancen, dass Deutschland am 12.Oktober die nötigen 128 von 192 Stimmen erreicht und 2011/12 dem UNO-Sicherheitsrat angehört?

Es ist ein enges Rennen, denn wir haben mit Kanada und Portugal starke Mitbewerber. Aber wir haben auch starke Argumente. Deutschland hat einen guten Ruf als ein verlässlicher Partner in der Welt.

Und wie sieht es mit Deutschlands großem Ziel aus, ständig im UNO-Führungsgremium zu sitzen?

Wir halten unverändert daran fest, die Vereinten Nationen zu reformieren. Ein ständiger Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat wäre ein Zwischenschritt auf dem Weg zur stärkeren Repräsentanz der EU. So wie die Vereinten Nationen heute immer noch aufgestellt sind, spiegeln sie die Verhältnisse nach Ende des Zweiten Weltkrieges wider. Dass zwei Kontinente wie Lateinamerika oder Afrika überhaupt nicht ständig im Sicherheitsrat vertreten sind und auch Asien unterrepräsentiert ist, unterstreicht die dringende Notwendigkeit von Reformen. Mit den Außenministern von Brasilien, Indien und Japan habe ich in New York verabredet, dass wir den entsprechenden Bestrebungen neuen Schwung verleihen wollen.

Sie haben es schon erwähnt: Deutschland macht sich stark für die nukleare Abrüstung und hat sich dazu mit elf weiteren Staaten verbündet, von denen allerdings keiner eine Atommacht ist. Wie schlagkräftig kann eine solche Initiative sein?

Dass diese Staaten selbst auf Nuklearwaffen verzichten, erhöht ihre Glaubwürdigkeit beim Thema der nuklearen Abrüstung. Wichtig ist, dass wir alle in unseren jeweiligen Regionen unsere Einflussmöglichkeiten für die Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen nutzen: Deutschland in Europa, Chile in Südamerika, Japan in Asien. Und schauen Sie auch auf US-Präsident Barack Obama, der als Präsident einer Nuklearmacht mit der Vision einer nuklearwaffenfreien Welt vorausgegangen ist. Damit hat er Maßstäbe gesetzt.

Sie haben in New York in gut drei Tagen über 30 Unterredungen geführt. Ist Außenminister wirklich ein Traumberuf?

Ein Traumberuf ja, allerdings mit sehr wenig Schlaf und den seltsamsten Arbeitszeiten. Nach einem 19-Stunden-Tag in New York wünscht man nach Deutschland „Guten Morgen“ und bekommt ein „Gute Nacht“ zurück. Das ist schon etwas bizarr.

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