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Rede von Außenminister Westerwelle zur Eröffnung der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt

06.09.2010 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Verehrte Frau Kollegin,

Exzellenzen,

meine Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

liebe Gäste und Freunde des Auswärtigen Amtes,

sehr geehrte Damen und Herren,

zur diesjährigen Konferenz der Leiterinnen und Leiter deutscher Auslandsvertretungen heiße ich Sie sehr herzlich willkommen.

Ich freue mich ganz besonders, meine Kollegin Patricia Espinosa Cantellano, die Außenministerin der Vereinigten Mexikanischen Staaten, heute als Ehrengast bei uns begrüßen zu können. Viele von Ihnen kennen Sie als Botschafterin in unserem Land, als Freundin Deutschlands und der deutschen Sprache. Wir freuen uns sehr, dass Sie gekommen sind!

Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, habe ich in den letzten Monaten an Ihren Dienstorten kennen gelernt. Einige von Ihnen sehe ich heute zum ersten Mal. Ich freue mich darauf, in den nächsten Tagen mit Ihnen über die Ausrichtung und Schwerpunkte der deutschen Außenpolitik zu diskutieren.

Unsere Arbeit ist häufig bestimmt durch die aktuellen Krisen und Konflikte unserer unruhigen Welt. Umso wichtiger ist ein klarer Kompass für die langfristigen Herausforderungen. Ich will mich deshalb heute konzentrieren auf die drei großen Prioritäten, die ich für die deutsche Außenpolitik sehe und die wir in den vergangenen Monaten schon beherzt angepackt haben.

Erstens. Die Mitgestaltung der Globalisierung im Sinne einer wertegeleiteten und interessenorientierten Politik.

Zweitens. Eine deutsche Friedens- und Sicherheitspolitik, die Abrüstung und Nichtverbreitung einen zentralen Platz einräumt, in enger Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten und Partnern.

Drittens. Die Stärkung und Weiterentwicklung der europäischen Einigung als Fundament der deutschen Außenpolitik.

Wer die Globalisierung mitgestalten will, braucht gleichgesinnte Partner. Vor vier Wochen hat die Bundesregierung ein umfassendes Lateinamerika-Konzept verabschiedet. Lateinamerika ist das Schwerpunktthema dieser ersten Botschafterkonferenz meiner Amtszeit. Ich weiß sehr wohl, dass manche diese Prioritätensetzung anfangs belächelt haben. Wer die Aufbruchstimmung, die großartige Dynamik dieses Kontinents wie ich selbst erlebt hat und zugleich die Nähe, die man dort zu Europa empfindet, der wird verstehen, welche Chancen und Potentiale hier liegen.

Eine deutsche Außenpolitik, die sich gleichermaßen werteorientiert und interessengeleitet versteht, hat immer beides im Blick. Als große Handelsnation müssen wir das gesamte Panorama der globalen Dynamik im Blick haben. Deswegen bin ich in meinen ersten Amtsmonaten nach China und Russland, auch nach Afrika gefahren. In wenigen Wochen werden wir für die Bundesregierung ein neues Afrikakonzept vorstellen, mit dem wir auch gegenüber diesem Kontinent unsere Politik umfassend neu ausrichten wollen.

Noch im Oktober werde ich nach Indien reisen.

Aber ich war eben auch in Lateinamerika, weil ich in den Ländern dieses Kontinents natürliche Partner für uns sehe bei der Gestaltung der Globalisierung. Mehr als andere Regionen außerhalb des „Westens“ ist Lateinamerika von den Wertvorstellungen der europäischen Aufklärung geprägt. Wir teilen mit den meisten Ländern dieser Weltregion die Werte individueller Freiheit und der Herrschaft des Rechts.

Lateinamerika wird in den nächsten Monaten und Jahren immer stärker in den Blickpunkt rücken. Schon im November werden wir in Cancún in Mexiko einen neuen Anlauf zum internationalen Klimaschutz nehmen. Mexiko wird nach unseren französischen Nachbarn den Vorsitz der G20 übernehmen. Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und zu den Olympischen Spielen 2016 wird die Welt nach Brasilien schauen. Lateinamerika ist ein vielgestaltiger Kontinent, den wir auch bei der Suche nach Lösungen für seine drängendsten Probleme, etwa der inneren Sicherheit, unterstützen wollen. Vor allem aber geht es mir darum, die enormen Chancen und das politische und gesellschaftliche Potential engerer Beziehungen zu Lateinamerika in den Blick zu rücken.

Wir brauchen starke Partner, wie Lateinamerika, damit wir die Globalisierung der Märkte durch eine Globalisierung der Werte ergänzen können.

Für eine menschenwürdige Gestaltung der Globalisierung brauchen wir starke Vereinte Nationen, die den Realitäten des 21. Jahrhunderts entsprechen. Die gewachsene Bedeutung der Länder des Südens muss sich auch im Sicherheitsrat widerspiegeln. Wir setzen uns für eine Reform des Sicherheitsrates ein, in dem auch Afrika und Lateinamerika dauerhaft vertreten sind.

Deutschland stellt sich seiner Verantwortung in den Vereinten Nationen. Die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat ist unser politisches Ziel. Zunächst aber kandidiert Deutschland für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat für 2011 und 2012.

Mit unserer Wahlkampagne sind wir auf gutem Wege. Mit Ihrer täglichen Arbeit begründen Sie das Vertrauen, dass die Regierungen ihrer Gastländer in Deutschland setzen. Dafür danke ich Ihnen. Bleiben Sie dran, damit wir bei den Wahlen in der Generalversammlung Mitte Oktober die erforderliche Mehrheit hinter uns wissen!

Das Neue der Globalisierung ist nicht der Welthandel. Den gab es über Jahrhunderte. Neu ist der Faktor Zeit. Neu ist die ungeheure Beschleunigung. Noch im 19. Jahrhundert brauchten bedeutende Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft oft 50 Jahre. Heute sind es vielleicht 15 oder 20 Jahre, die über Abstieg oder Aufstieg von Nationen entscheiden können.

Den Reichtum einer Nation findet man nicht mehr vorrangig im Boden. Bildung wird immer wichtiger. Wissen entsteht durch Leistung und nicht durch geologischen Zufall. Dass wir uns mehr Bildung leisten, gebietet schon der Respekt vor den Generationen, die nach uns kommen. Kinder brauchen gute Schulen nicht vor allem, damit sie im Pisa-Test gut abschneiden. Sie brauchen gute Schulen, damit sie ihre Talente entfalten und ein erfülltes Leben führen können.

Es geht auch um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir brauchen gute Schulen und Hochschulen, damit wir im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe vorn liegen können. Nur wenn unsere Hochschulen attraktiv bleiben, halten wir unsere besten Köpfe in Deutschland. Nur dann begeistern wir Begabte aus anderen Ländern für eine Ausbildung bei uns.

Auch hier treffen sich Interessen und Werte. Wer nach seinem Studium in Deutschland in seine Heimat zurückkehrt, bleibt Deutschland verbunden und vermittelt dort unsere Wertvorstellungen. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärkt Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit und ist zugleich ein Beitrag zur Globalisierung von Werten.

Eine aktive Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist kein Luxus, sondern kluge, weitsichtige Politik. Partnerschulen und Goethe-Institute, Hochschulpartnerschaften und Begabtenförderung sind Elemente einer Außen- und Globalisierungspolitik im besten deutschen Interesse.

Lateinamerika gibt uns viele Beispiele für die Zusammenarbeit. Gemeinsam mit Chile und Kolumbien haben wir Exzellenzzentren eingerichtet. In São Paulo, dem größten Auslandsstandort der deutschen Wirtschaft, entsteht das deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus. In Buenos Aires werden wir ein deutsch-argentinisches Hochschulzentrum und ein Max-Planck-Partnerinstitut eröffnen. In Mexiko gibt es deutsche Lehrstühle.

Sie, verehrte Frau Kollegin, sind eine Kronzeugin für die Deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Ich traf Patricia Espinosa Cantellano zum ersten Mal im April. Sie hat die Deutsche Schule Mexiko besucht, spricht vorzüglich deutsch, war Botschafterin in Berlin und in Wien. Die gemeinsame Sprache, der Zugang zu einer Kultur verbinden uns und ermöglichen eine Zusammenarbeit, die unseren beiden Ländern nutzt.

Mexiko und Deutschland sind Weggefährten und Partner für eine werteorientierte Globalisierung. In den nächsten Monaten können Sie auf unsere Unterstützung zählen, damit der Klimagipfel in Cancún Ende November unter Ihrem Vorsitz, Frau Kollegin, ein Erfolg wird.

Die Bildungspolitik ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr der Einfluss unseres Landes nach Außen davon abhängt, dass wir im Inneren leistungsfähig sind. Innen- und Außenpolitik sind immer enger verzahnt. Nur ein wirtschaftlich starkes Land kann auch außenpolitisch sein Gewicht in die Waagschale werfen.

Es ist deswegen nicht nur innen-, sondern auch außenpolitisch von überragender Bedeutung, dass wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise den richtigen Kurs einschlagen. Die von der Bundesregierung beschlossene Haushaltssanierung ist schmerzhaft, auch für das Auswärtige Amt. Aber wenn wir sie vernünftig gestalten, dann wird sie mittelfristig unserem Land mehr, nicht weniger Gewicht auf der internationalen Bühne verschaffen.

Die zweite große Priorität ist eine zeitgemäße deutsche Sicherheits- und Friedenspolitik.

Lassen Sie mich aus gegebenem Anlass voranstellen, dass Deutschland sich mit ganzer Kraft für einen Erfolg der gerade begonnenen direkten Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen wird. Frieden müssen die beiden miteinander schließen. Das können wir ihnen nicht abnehmen. Aber wir werden auch in Zukunft tun, was wir können, um die Kräfte der Vernunft und des Ausgleichs zu stärken. Der erste deutsch-palästinensische Lenkungsausschuss in diesem Frühjahr in Berlin hat unsere Zusammenarbeit mit den Palästinensern auf eine neue Stufe gehoben. Diese enge Kooperation hat nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch in Israel viel Zustimmung erfahren. Das ist uns wichtig. Denn die Sicherheit und gute Zukunft Israels ist und bleibt ein Grundpfeiler deutscher Politik.

Wir waren gleich zu Beginn der Amtszeit dieser Bundesregierung gefordert, den deutschen Einsatz in Afghanistan neu zu gestalten. Wir haben eine nüchterne, ehrliche Bestandsaufnahme vorgenommen.

Dazu gehörte auch die völkerrechtliche Neubewertung des Einsatzes als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts. Wir haben auf dieser Grundlage ein Konzept entworfen, das erstens unsere Ziele realistisch definiert, zweitens unseren militärischen und zivilen Mitteleinsatz an diese Ziele anpasst, und drittens die Notwendigkeit einer politischen Lösung klar in den Vordergrund stellt.

Der Einsatz in Afghanistan ist alles andere als populär. Aber er ist unverändert notwendig und in unserem ureigensten Sicherheitsinteresse. Beim Blick auf das Land bietet sich auch heute ein gemischtes Bild mit Licht und Schatten. Aber wir haben in den letzten Monaten manches erreicht und wollen auf diesem Weg konsequent weitergehen.

Wir haben unsere Strategie auf der Londoner Konferenz im Januar eng im Bündnis und der internationalen Gemeinschaft abgestimmt.

Wir haben unsere Präsenz in Afghanistan auf allen Ebenen deutlich verstärkt. Ich möchte den Diplomaten, Soldaten, Polizisten und Aufbauhelfern meinen großen Respekt und Dank aussprechen für die Arbeit, die sie dort unter sehr schwierigen Bedingungen für unser Land leisten.

Wir haben in Kabul vor einigen Wochen den weiteren Fahrplan abgesteckt. Am 18. September finden Parlamentswahlen statt, die erstmals von den Afghanen selbst organisiert und verantwortet werden. Beim NATO-Gipfel in Lissabon im November werden wir über die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in einigen Regionen des Landes entscheiden.

Bis 2014 wollen wir, wie von Präsident Karzai als Ziel vorgegeben, die Sicherheitsverantwortung die ganz Afghanistan an die afghanische Regierung übergeben.

Mit diesem Kurs schaffen wir eine klare Abzugsperspektive für unsere Soldatinnen und Soldaten und für ein Afghanistan, in dem die Afghaninnen und Afghanen ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen. Dabei bleibt unser Maßstab, dass von Afghanistan keine Bedrohung der internationalen Sicherheit mehr ausgehen darf.

Das Nachbarland Pakistan ist für die Stabilisierung der gesamten Region unerlässlich. Die Flut der letzten Wochen hat dort unvorstellbare Zerstörungen und menschliches Leid verursacht.

Wir haben schnell und effektiv geholfen und werden uns auch über die humanitäre Hilfe der ersten Wochen hinaus bei Wiederaufbau und politischen Reformen weiter engagieren. Pakistan verdient unsere ganz besondere Aufmerksamkeit, menschlich wie politisch.

Über diesen unmittelbaren Krisen dürfen wir nicht die langfristigen Herausforderungen an unsere Sicherheits- und Friedenspolitik aus dem Auge verlieren. Am Sonntag jährt sich die Unterzeichnung des 2+4-Vertrags, diesem außenpolitischen Meisterstück auf dem Weg zur Deutschen Einheit, zum zwanzigsten Mal. Das ist wahrhaft Anlass genug, unseren Partner und Verbündeten in der transatlantischen Gemeinschaft für ihren Beitrag zu Deutschlands Einheit in Freiheit zu danken.

Das Bündnis bleibt das Fundament unserer Sicherheit. Aber die Welt hat sich seitdem grundlegend verändert. Die nuklearen Gefahren sind seit dem Ende des Kalten Krieges durch die Verbreitung von Waffen- und Raketentechnologien deutlich gestiegen. Die unkontrollierte Weiterverbreitung von atomaren Waffen ist eine der größten Bedrohungen unserer Sicherheit. Diese Gefahr einzudämmen, ist eine Überlebensfrage. Abrüstung ist deshalb kein Thema aus den 80er Jahren, auch kein weltfremder Traum, sondern unter den Bedingungen der Globalisierung eine Notwendigkeit.

Das neue START-Abkommen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten war ein ermutigender Beginn für ein Jahrzehnt, das ein Jahrzehnt der Abrüstung werden muss.

Dass die Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag in New York im Mai erstmals auch taktische Nuklearwaffen in den Abrüstungsauftrag einbezogen hat, ist ein Erfolg für die Position dieser Bundesregierung und des Deutschen Bundestages.

Wir wollen einerseits die Weiterverbreitung der Atomwaffenfähigkeit verhindern, und andererseits die vorhandenen Arsenale dieser Waffen verringern. Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb ist die Kontroverse um das iranische Nuklearprogramm weit über die regionalen Implikationen hinaus eine Frage von globaler Bedeutung.

Wir setzen uns dafür ein, dass auch im Neuen Strategischen Konzept der NATO, das im November in Lissabon beschlossen werden soll, Abrüstung und Rüstungskontrolle einen zentralen Platz einnehmen. Dann haben wir die Chance zu einer wirklich kooperativen Sicherheitsarchitektur in ganz Europa, ausdrücklich unter Einschluss Russlands. Diesem Ziel diente auch meine Initiative beim NATO-Außenminister-Treffen in Tallinn im April gemeinsam mit den Außenministern der Benelux-Staaten und Norwegens zur Bedeutung von Nuklearwaffen innerhalb der NATO.

Wir sehen uns langfristig der von Präsident Obama formulierten Vision von „Global Zero“, einer Welt ohne Atomwaffen, verpflichtet. Der Weg dahin ist weit. Aber wir werden das Ziel bei unserer Politik nicht aus den Augen verlieren.

Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sind schon für sich genommen große Gefahren für uns alle. Wir müssen alles dafür tun, damit sie sich nicht eine unheilvolle Verbindung eingehen und zum Fluch der Globalisierung werden.

Die wohl größte Herausforderung, aber auch die lohnendste Aufgabe deutscher Außenpolitik ist die Arbeit an der Zukunft der Europäischen Einigung.

Das geeinte Europa ist das Fundament, auf dem die deutsche Außenpolitik fußt. Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts.

Wir mussten im Mai gleich zweimal sehr schwierige Entscheidungen treffen, um den Euro zu schützen und Europa vor einer schweren Krise zu bewahren. Diese schwierigen Wochen haben uns allen klargemacht, dass die europäische Einigung stets neu errungen werden muss. Sie ist uns nicht für immer gegeben. Sie ist auch nicht „unumkehrbar“. Die Umfragen des Eurobarometer weisen aus, dass Europa in Deutschland dramatisch an Zustimmung verloren hat. Das erfüllt mich mit tiefer Sorge, aber auch mit großer Entschlossenheit, für die Stärkung des Einigungsprojektes zu arbeiten und zu werben. Ich möchte Sie alle ausdrücklich bitten, das gleiche zu tun.

Dieses geeinte Europa ist für uns Deutsche kein Luxus, auf den wir notfalls auch verzichten könnten. Es ist die Garantie unseres Wohlstands, unseres Friedens, unserer Freiheit.

Damit das auch in Zukunft so ist, müssen wir in Europa den Schuldenabbau voranbringen und strenge Regeln für Neuverschuldung aufstellen. Nur so wird Europa zu gesundem Wachstum zurückkehren. Schon im eigenen Interesse müssten alle Euro-Staaten für einen gesunden Euro einstehen. Die Stabilität des Euros geht alle an. Wenn sich jemand außerhalb der Verantwortungsgemeinschaft stellt, die Europa trägt, dann muss das automatisch Folgen haben in Form von entsprechenden Sanktionen.

Wer sich nicht an die Regeln hält, darf auch kein Geld mehr aus den EU-Strukturfonds erhalten. Diese Sanktionen müssen für jeden gelten, gleich wie groß und mächtig ein Land in Europa auch sein mag. Wir wollen eine Europäische Union der Verantwortung und wir wollen keine Transferunion, in der man sich den Folgen des eigenen Fehlverhaltens entziehen kann, in dem man auf andere baut und auf andere hofft. Das sind unsere Ziele in den laufenden Verhandlungen der van Rompuy-Gruppe.

Mir liegt die Stärkung des inneren Zusammenhalts der Union besonders am Herzen. Für ein starkes und einiges Europa wollen wir die Beziehungen zu unseren Partnern im Osten ebenso stark ausbauen wie die Beziehungen zu unseren Partnern im Westen, die über Jahrzehnte gewachsen sind. Mein erster Antrittsbesuch als Außenminister führte mich nach Warschau. Die Beziehungen Deutschlands zu Frankreich und zu Polen sind beide erstrangig. Das ist keine Frage nach „Entweder-Oder“, es ist immer ein „Und“.

Das Weimarer Dreieck haben wir erfolgreich wiederbelebt. Es entwickelt sich zu einem Impulsgeber der europäischen Politik.

Ich habe die europäischen Mitgliedsstaaten in meinem ersten Amtsjahr unabhängig von ihrer Bevölkerungszahl bereist, denn das europäische Projekt braucht keine Trennung in wichtige oder unwichtige Länder, sondern das Zusammenstehen aller Mitgliedstaaten.

Nur auf der Basis dieses inneren Zusammenhalts können wir das enorme Gewicht Europas in der Welt in unserem Sinne einsetzen und nutzen. Über die Beziehungen Europas zu strategischen Partner wie China und Indien werden wir in den kommenden Tagen in Brüssel eine intensive Diskussion führen.

Wie attraktiv das europäische Friedens- und Wohlstandsprojekt unverändert ist, habe ich gerade erst bei meinen Reisen in die Türkei und die Länder des westlichen Balkan erfahren. In diesen Ländern ist die europäische Perspektive der wohl stärkste Reformmotor.

Bei alledem aber müssen wir unsere Bürgerinnen und Bürger auf unserer Seite wissen. Europa ist nur stark, wenn Europas Bürgerinnen und Bürger für das Projekt der Einigung einstehen und seinen wahrhaft unschätzbaren Wert für unser Land erkennen.

Bevor ich meine Kollegin aus Mexiko um ihren Beitrag bitte, möchte ich noch ein Thema ansprechen, das viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus beschäftigt, die Zukunft unseres diplomatischen Dienstes.

Die Welt verändert sich ohne Rücksicht auf unsere Sparzwänge. Die Gewichte um den Globus verschieben sich. Der Einsatz unserer Ressourcen muss überprüft und angepasst werden. Zugleich bauen wir in der Europäischen Union gerade einen gemeinsamen Auswärtigen Dienst auf.

Jetzt zuckt der eine oder andere zusammen und sagt, bei mir ist alles schon auf Kante genäht, da gibt es nichts zu ändern oder sparen. Darauf antworte ich, begreifen Sie diese Situation als Chance.

Ständige Veränderungen gehören zu den wenigen Konstanten des Diplomatenlebens. Ebenso wie Sie persönlich, muss das Auswärtige Amt als Institution eine Kultur der Veränderung entwickeln. Wer wüsste besser als Sie selbst, was sich ändern muss? Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, die zu der produktiven Diskussion im Zukunftsforum im Intranet beigetragen haben, von der Ortskraft bis zum Botschafter.

Die Ergebnisse werden wir während dieser Botschafterkonferenz diskutieren, aber nicht nur hier. Das Projekt „AA 2020“ geht weiter, damit das Auswärtige Amt auch künftig in der Lage ist, die Richtung der deutschen Außenpolitik vorzugeben.

Im Geschäft der Diplomatie muss man sich immer auf das Unvorhersehbare vorbereiten. Krisen, ob Naturkatastrophen oder von Menschen angerichtet, halten sich an keinen Fahrplan.

Wir brauchen Strukturen, die auf Veränderungen schnell reagieren können. Wir brauchen aber vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ungewohnten Situationen die richtige Lösung finden. Ich habe mich in den zehn Monaten meiner bisherigen Amtszeit immer wieder in meiner Überzeugung bestätigt gesehen, dass die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes großartige Arbeit leisten und die Interessen unseres Landes im Ausland gut vertreten. Ich weiß, dass diese Arbeit auch im Deutschen Bundestag großen Respekt genießt.

Bitte nehmen Sie meinen Dank mit zurück an Ihre Vertretungen und übermitteln Sie ihn an alle Ihre Kolleginnen und Kollegen und ausdrücklich auch an die Familien, Partnerinnen und Partner.

Deutsche haben über Jahrhunderte hinweg in Lateinamerika eine neue Heimat gefunden, Chancen genutzt, ihr Glück gemacht. Heute sind wir Partner in der Globalisierung. Ich freue mich über die engen und vertrauensvollen Beziehungen, die uns seit langem mit Mexiko verbinden und darf jetzt die die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Mexiko auf die Bühne bitten.

Verehrte Frau Kollegin, liebe Patricia, Sie haben das Wort.

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