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Interview: Bundesminister Westerwelle in der Leipziger Volkszeitung zum deutschen Engagement im VN-Sicherheitsrat

02.09.2010 - Interview

Im Oktober wird Deutschland, wenn alles gut geht, zum nichtständigen Mitglied im UN-Sicherheitsrat gewählt. Erwacht dann für alle erkennbar auch der international tätige Außenminister oder ist das eine Aufgabe, die eher dann mit der Kanzlerin verbunden ist?

Zunächst einmal begrüße ich es, dass auch die Bundeskanzlerin in der Außenpolitik so aktiv und auch so erfolgreich in der Welt unterwegs ist. Ich freue mich übrigens auch darüber, auch wenn uns immer etwas anderes unterstellt wird, dass auch der Verteidigungsminister sehr gut auch mit mir persönlich und insgesamt bei vielen Fragen - ich denke an den Afghanistaneinsatz - zusammenarbeitet.

Auch einer Ihrer Freunde?

Da werden manchmal Konkurrenzen behauptet, die einfach nicht da sind. Wir haben eine große Aufgabe vor uns, nämlich dass wir die Vereinten Nationen auch stärker von ihren Strukturen in unsere Zeit holen, sprich sie reformieren. Die Vereinten Nationen mit ihren Strukturen sind in weiten Teilen das Ergebnis der Aufteilung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg.

Manche verengen das auf einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Was ein Fehler ist. Ich teile Ihren kritischen Einwurf. Ich halte das auch für einen Fehler. Wir bewerben uns jetzt mit sehr viel Unterstützung augenscheinlich, weil die deutsche Politik in der Welt sehr geschätzt wird, als sehr zuverlässig geschätzt wird. Wir bewerben uns jetzt als nicht-ständiges Sicherheitsratsmitglied. Wir hoffen, dass wir erfolgreich sind mit unserer Kandidatur. Gleichzeitig aber arbeiten wir auch an neuen Strukturen, also an den Reformen innerhalb der Vereinten Nationen.

Was zählt dabei?

Es ist zum Beispiel kaum erklärbar, dass der gesamte afrikanische Kontinent im Sicherheitsrat nicht vertreten ist. Es ist in keiner Weise erklärbar, dass dasselbe auch für den südamerikanischen Kontinent gilt. Wenn man sich alleine mal Südamerika ansieht, ein wirklicher Schwerpunkt meiner Außenpolitik, weil ich das Verhältnis Deutschlands zum südamerikanischen Kontinent auf eine neue qualitative Ebnen heben will. Da reden wir über Gesellschaften, die haben atemberaubende Erfolgsgeschichten hinter sich. Wer weiß denn, dass die größte deutsche Wirtschaftsgemeinde außerhalb von Europa und Nordamerika in São Paulo ist? Das ist doch beeindruckend. Ich habe den Eindruck, dass wir deswegen auch gute Verbündete in der Welt haben für eine Reform der Vereinten Nationen.

Werden Sie das noch im Amt erleben, dass nicht nur über diese Reform gesprochen wird?

(…) Es ist richtig, dass man gerade in der Außenpolitik einen langen Atem braucht. Aber wenn Sie mal daran denken, was es an Vorlauf und Vorarbeit, an jahrzehntelanger Friedenspolitik bedurfte, damit es zur Deutschen Einheit und damit auch zur europäischen Wiedervereinigung kommen konnte, dann sind die Politiker, die einen langen Atem gehabt haben, ganz augenscheinlich die besseren.

Genscher als Beispiel?

Ich denke an Hans-Dietrich Genscher, der gemeinsam mit Helmut Kohl gegen Millionen Demonstranten den Nato-Doppelbeschluss durchgefochten hat, gegen alle Meinungsumfragen. Heute sagt jeder, dass der Nato-Doppelbeschluss eine wesentliche Voraussetzung dafür gewesen ist, dass Gorbatschow mit Perestroika und Glasnost eine Chance bekommen hat. Das wiederum war eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass dieser wundervolle Friedens- und Freiheitswille der Bürgerinnen und Bürger der DDR auch politisch erfolgreich werden konnte. Und das wiederum hat dazu geführt, dass die Mauer eingedrückt worden ist, nämlich von Osten nach Westen. Also etwas langer Atem, etwas Überblick und etwas Ausdauer gehören in der Politik dazu.

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