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Interview des Bundesaußenministers Guido Westerwelle mit „Al Ahram“

22.05.2010 - Interview

Dr. Westerwelle, das ist Ihr erster offizieller Besuch in Ägypten, werden Sie auch Präsident Mubarak treffen? Welche Themen stehen in den Gesprächen in Kairo im Vordergrund?

Unsere Sicherheit und unser Wohlstand lassen sich nicht von den Entwicklungen in der Nah- und Mittelost-Region trennen. Ägypten ist hierbei zweifellos ein Schlüsselland, von daher wird es bei meinem Antrittsbesuch in Kairo natürlich um alle klassischen Fragen des Nahost-Friedensprozesses und die regionale Entwicklung gehen. Uns verbindet zudem eine traditionell enge Partnerschaft mit Ägypten. Die wollen wir pflegen und ausbauen. Von daher freue ich mich auf intensive Gespräche mit der ägyptischen Regierung.

2008 wurde ein Lenkungsausschuss vereinbart, der den Ausbau der Kooperation beider Länder auf politischer Ebene voranbringen soll. Wie kann man alle Möglichkeiten dieses Instruments ausschöpfen?

Der jährlich stattfindende Lenkungsausschuss mit Ägypten ist ein Symbol unsererguten Beziehungen. Er ermöglicht unseren Regierungen eine enge Abstimmung in allen Bereichen von gegenseitigem Interesse. Der Ausschuss tagt kurz vor meinem Besuch in Kairo. Ich werde mich zusammen mit meinem ägyptischen Amtskollegen vor Ort über die Ergebnisse informieren.

Ägypten ist drittwichtigster Handelspartner Deutschlands in der arabischen Welt, jedoch sank der Warenverkehr letztes Jahr um 11% und die deutschen Direktinvestitionen in Ägypten belaufen sich auf nicht so hohem Niveau, was sollte man Ihrer Meinung nach besser tun?

Wir sollten diese Zahlen nicht dramatisieren. Fest steht: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern bewegen sich seit vielen Jahren auf hohem Niveau. Nicht ohne Grund gibt es deshalb seit 1951 die Deutsch-Arabische Handelskammer in Kairo. Die Richtung stimmt also, aber klar ist auch, dass der bilaterale Handel gegenüber globalen Entwicklungen nicht immun ist. Die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten hat auch Spuren beim Warenaustausch und den deutschen Direktinvestitionen in Ägypten hinterlassen.

In Kairo haben sich letzte Woche zahlreiche ägyptische Handelsvertreter, der Verein ägyptischer Exporteure und der ägyptische Industrieverband über die strengen Visabestimmungen für Geschäftsleute beschwert, was die ägyptischen Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland und der EU negativ beeinflusst. Woran liegt das und sollte man in Deutschland und der EU diese Beschwerden nicht ernster nehmen?

Ägypten gehört zu den visumpflichtigen Staaten. Deshalb müssen auch Geschäftsleute ein Visum beantragen, wenn sie nach Deutschland reisen wollen. Seien Sie jedoch versichert, dass unsere Botschaft in Kairo alles tut, um im Rahmen der geltenden Gesetze so kundenorientiert wie möglich zu entscheiden.

Herr Westerwelle, es heißt immer, dass die Stabilität Ägyptens von großer Bedeutung für die gesamte Nahostregion ist. Wie verfolgt man in Deutschland und der EU die Situation in Ägypten vor den wichtigen Parlamentswahlen in diesem Jahr und die Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr?

Wir verfolgen diese Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit. Ägypten ist durch langjährige politische Kontinuität geprägt und ein Stabilitätsanker in der Region. Deshalb hat die politische Entwicklung des Landes Ausstrahlung auf die gesamte Nachbarschaft. Ägypten steht zudem vor großen innen- und außenpolitischen Herausforderungen. Die bevorstehenden Wahlen sind deshalb sehr wichtig für das Land, aber auch für uns Europäer.

Nachdem direkte Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern scheiterten, sollen jetzt indirekte Gespräche neue Bewegung in den Nahost-Friedensprozess bringen. Da hat man sich in Ägypten skeptisch zu den Erfolgsaussichten geäußert, solange Israel seine Siedlungspolitik weiterverfolgt. Wie könnte man Ihrer Ansicht nach aus dieser festgefahrenen Lage rauskommen? Gibt es eine gemeinsame europäische Strategie?

Die jetzt begonnenen indirekten Friedensgespräche sind ein unverzichtbarer Schritt, um zwischen Israelis und Palästinensern verloren gegangenes Vertrauen aufzubauen. Die USA bemühen sich nach Kräften und auf höchster Ebene, damit diese Gespräche Erfolg haben. Es gibt zudem das israelische Siedlungsmoratorium und die Rückendeckung für Präsident Abbas durch die Arabische Liga. All das garantiert zwar noch keinen Durchbruch, weist aber in die richtige Richtung. Wir tun, was wir können, damit es zu einem Wiedereinstieg in direkte Verhandlungen kommt.

Die OECD hat Israel als neues Mitglied aufgenommen. Angesichts der Vorbehalte gegenüber Israel, wegen des schwierigen Verhältnisses zu den Palästinensern, den Menschenrechtsverletzungen und der Situation in den besetzten Gebieten ist es für viele in der arabischen Welt ein falsches Signal. Ihre Meinung dazu.

Alle Fachausschüsse der OECD haben Israel Beitrittsfähigkeit attestiert. Israel hat damit alle Beitrittskriterien erfüllt. Wir haben deshalb dem OECD-Beitritt zugestimmt. Dies auch deshalb,weil wir der festen Überzeugung sind, dass durch eine enge Einbindung Israels in die internationale Gemeinschaft das Ziel eines Friedens im Nahen Osten besser erreichbar ist.

Die EU wie auch die USA stufen die Hamas als terroristische Organisation ein und akzeptieren sie nicht als Verhandlungspartner. Kann es einen Palästinenserstaat ohne Hamas überhaupt geben?

Die Kriterien des Nahost-Quartetts zum Umgang mit Hamas sind bekannt, an ihnen hat sich nichts geändert: Wir verlangen Gewaltverzicht, eine Anerkennung des Existenzrechts Israels und der bisherigen Ergebnisse im Friedensprozess. Das wird auch künftig Grundlage für unsere Entscheidungen gegenüber dieser Organisation sein.

Unterstützt Deutschland die für Anfang Juni geplante Gipfelkonferenz der „Mittelmeerunion“ in Barcelona oder bestehen die deutschen Vorbehalte gegenüber dieser Initiative immer noch?

Um falschen Eindrücken vorzubeugen: Wir haben keinerlei Vorbehalte gegen die Union für das Mittelmeer, sondern wir treten im Gegenteil dafür ein, dass die Union als regionales Dialogforum funktioniert. Deshalb hoffen wir auch auf ein erfolgreiches Gipfeltreffen in Barcelona.

Herr Westerwelle unterstützen Sie das Vorhaben Ägyptens und anderer Länder den Nahen Osten zu einer nuklearfreien Zone zu machen? Aus dem Auswärtigen Amt gab es den Vorschlag eine EU-Konferenz zu organisieren, die alle betroffenen Parteien an einen Tisch bringen soll. Stimmt das? Und wie wollen Sie Israel dazu bringen, an dieser Konferenz über ihr nukleares Arsenal offen zu reden?

Stabilität und Sicherheit in der Nah- und Mittelost-Region waren und sind ein Kernanliegen unserer Außenpolitik. Wir setzen uns deshalb mit unseren EU-Partnern für einen nuklearwaffenfreien Nahen und Mittleren Osten ein. Dazu gibt es das Mandat der Resolution der NVV-Überprüfungskonferenz von 1995. Das müssen wir nun schrittweise umsetzen und mit Leben erfüllen. Erste Schritte könnten aus unserer Sicht vertrauensbildende Maßnahmen sein, die für alle Beteiligten einen Sicherheitsgewinn darstellen würden. Denkbar wäre beispielsweise ein von der EU organisiertes Expertentreffen, das baldmöglichst alle betroffenen Parteien an einen Tisch bringen soll.

Deutschland scheint entschlossen zu sein, schärfere Sanktionen gegen Iran durchzusetzen. Erwarten Sie jetzt, dass Russland und China eine neue Resolution im Sicherheitsrat zustimmen?

Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo im Sicherheitsrat über eine Resolution abgestimmt wird. Aber wir sind bei den E3+3-Beratungen in einer entscheidenden Phase. Auch Russland und China teilen unsere Sorge über das iranische Atomprogramm. Beide Länder haben bisher alle sanktionsbewehrten Iran-Resolutionen des Sicherheitsrates mitgetragen, ebenso die Resolutionen der IAEO.

Zum Schluss noch ein Thema, das die Ägypter mit Interesse verfolgen: Sie würden gerne einmal die wunderschöne Büste der Königin Nofretete in Ägypten bewundern, auch wenn nur für kurze Zeit. Angesichts der immer wiederkehrenden Debatte wäre es vielleicht nicht verkehrt, wenn die Politik sich ausnahmsweise einmischt, um eine Leihgabe der Nofretete an Ägypten zu ermöglichen. Das wäre bestimmt im Sinne der guten Beziehungen beider Völker oder was meinen Sie?

Ich kann den Wunsch nach einer Ausstellung der fürwahr wunderschönen Nofretete-Büste in Ägypten sehr gut nachvollziehen. Dem steht jedoch die Aussage der Experten entgegen, dass die Büste nicht transportfähig ist. Da sind ausnahmsweise sogar der Politik die Hände gebunden...

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