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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 06.08.2025

06.08.2025 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Herr Hille, war Gaza Thema im Kabinett? Wurde dazu irgendetwas beschlossen?

Hille (BReg)

Neben den Beschlüssen, die das Kabinett trifft ‑ das betrifft die TOP-1-Liste und die Gesetze, die ich Ihnen gerade skizziert habe ‑, ist die internationale Lage in jeder Kabinettssitzung ein wichtiger Bestandteil, seitdem diese Bundesregierung zusammengetreten ist. In dem Zusammenhang hat in jeder Sitzung ‑ ich war bei allen Kabinettssitzungen dabei ‑ das Thema Israel und Gaza immer eine Rolle gespielt, selbstverständlich.

Zusatzfrage

Gab es irgendwelche Beschlüsse zu dem Thema? Darüber wird ja seit Tagen spekuliert.

Hille (BReg)

Wenn es Beschlüsse gegeben hätte, hätte ich sie Ihnen schon in meinem ersten Aufschlag präsentiert. Aber Sie wissen, dass wir die Situation sehr, sehr eng begleiten. Ich kann Ihnen auch berichten ‑ das wollte ich eigentlich erst unter dem Punkt zu Gaza tun; aber das ziehen wir gern vor ‑, dass der Bundeskanzler gestern Abend wieder ein Telefonat mit dem israelischen Staatspräsidenten geführt hat. Es war, ohne dass ich zu sehr in die Details gehen werde ‑ Sie wissen, dass wir das nicht tun ‑, ein sehr langes und sehr gutes Gespräch, in dem der Bundeskanzler unsere Position noch einmal deutlich gemacht und in dem sich der israelische Staatspräsident Herzog bei den E3 aber vor allen Dingen auch bei der Bundesregierung und beim Bundeskanzler persönlich explizit für seine klare Haltung, seine klaren Worte bedankt hat, auch für seine sehr klaren Worte gegenüber der israelischen Regierung. Ich habe hier bei anderer Gelegenheit schon vom jüngsten Telefonat berichtet, das der Bundeskanzler mit dem israelischen Premierminister geführt hat, und gesagt, dass es ein sehr robustes Telefonat gewesen ist. Dafür hat sich der israelische Staatspräsident im Telefonat gestern mit dem Bundeskanzler explizit bedankt.

Frage

13 humanitäre Hilfsorganisationen fordern den Bundeskanzler zu einem Gipfeltreffen im Bundeskanzleramt auf, um über den Gazastreifen zu sprechen. Wird der Bundeskanzler das tun, oder wird er es wegen der Israelunterstützung nicht tun?

Hille (BReg)

Wie ich es gerade schon gesagt habe, sprechen der Bundeskanzler, das Bundeskabinett und das Sicherheitskabinett regelmäßig über die Lage in Gaza und begutachten, was sich dort entwickelt. Es bleibt dabei, dass die Lage im Gazastreifen weiterhin prekär und inakzeptabel ist.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sich seit gut einer Woche zumindest einiges ein wenig in eine etwas positivere Richtung entwickelt hat, was die humanitäre Hilfe angeht. Das hat unserer Überzeugung nach auch ganz entscheidend mit der unnachgiebigen Haltung Deutschlands zu tun. Das ist auch im Telefonat mit dem israelischen Staatspräsidenten deutlich geworden.

Wir hatten hier am Montag schon über die Mengen an Hilfslieferungen gesprochen, die den Gazastreifen mittlerweile erreichen. Das kann ich updaten: Vor dem vorvergangenen Wochenende sind im Schnitt maximal bis zu 40 Lkw in den Gazastreifen gelangt, eher um 30 Lkw. Seit dem vorvergangenen Wochenende kommen 250 Lkw pro Tag in den Gazastreifen. Das Ziel ist es, diese Zahl noch weiter zu erhöhen, um auf eine Größenordnung von 400 Lkw am Tag zu kommen.

Sie sehen an dem Unterschied zwischen vorher maximal 40 und in diesen Tagen 250 Lkw pro Tag, dass sich etwas in eine positive Richtung entwickelt hat. Das hat, wie gerade schon gesagt, unserer Überzeugung nach sehr viel damit zu tun, dass die Bundesregierung so eng daran bleibt, sowohl der Bundeskanzler als auch der Bundesaußenminister, der quasi täglich mit der israelischen Seite im Kontakt steht.

Zusatzfrage

Über 200 Künstler haben die Bundesregierung und vor allem den Bundeskanzler aufgefordert, keine Waffen mehr an Israel zu schicken. Die israelische Zeitung „Maariw“ behauptet nun, dass trotzdem neue Waffen aus Deutschland ‑ darauf stehe: made in Germany ‑ im Gazastreifen benutzt worden seien. Inwieweit trifft das zu?

Hille (BReg)

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es diesen offenen Brief gibt. Aber Sie wissen, wie wir uns zu solchen Dingen üblicherweise verhalten. Wir kommentieren offene Briefe grundsätzlich nicht, und so halte ich es auch in diesem Fall.

Frage

Herr Hille ‑ eventuell auch an Frau Deschauer vom Auswärtigen Amt ‑, Sie haben die Zahl der Lkw, die momentan nach Gaza kommen, schon genannt. Es gab Angaben, wonach davon relativ wenig tatsächlich bei der Bevölkerung ankomme. Hat sich die Lage diesbezüglich in den letzten Tagen verändert? Es gab die Angabe, dass 50 Prozent bis 100 Prozent nicht ankämen.

Herr Hille, wenn ich es richtig verstanden habe, dann wurde keinerlei Beschluss über irgendwelche Druckmittel gefasst, die gegenüber Israel eingesetzt werden könnten, weil Sie Fortschritte sehen und offensichtlich den Gesprächskanal nicht zumachen wollen. Das heißt also, auch Schritte, die noch relativ niederschwellig sind wie der Vorschlag der EU-Kommission, Horizont Europa mit Blick auf Start-ups, die in bestimmten Bereichen tätig sind, auszusetzen, würde die Bundesregierung momentan nicht unterstützen. Ist das korrekt?

Hille (BReg)

Da würde ich den Anfang machen.

Es ist weiterhin zutreffend, was ich hier am Montag zum Sachverhalt berichtet habe, dass Lieferungen nicht ihr bestimmtes Ziel erreichen, weil sie auf dem Wege von der Hamas, von organisierter Kriminalität oder von anderen Gruppen abgefangen oder umgeleitet werden. Da gibt es keine Veränderung der Lage.

Die Schlussfolgerung daraus ist: Es muss mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen, daran arbeiten wir. Ich habe Ihnen die Zahlen gerade genannt: Maximal 40 Lkws waren es vor dem Wochenende, aktuell sind wir bei 250 Lkws am Tag. Wir haben das Ziel, das weiter zu steigern und 400 Lkw-Ladungen am Tag zu ermöglichen.

Parallel dazu weise ich gerne noch einmal darauf hin, dass wir uns seit dem vergangenen Wochenende an den Airdrops beteiligen und da ergänzend eine signifikante Größenordnung an Hilfsgütern in den Gazastreifen gebracht haben.

Zu Ihrem zweiten Teil der Frage kann ich immer nur darauf verweisen, dass das Ganze ein dynamischer und sich stetig entwickelnder Prozess ist, den wir engstens begleiten. Das geschieht ‑ ich habe es gerade schon gesagt ‑ etwa durch Telefonate oder Treffen des Außenministers, der nahezu täglich im Kontakt mit der israelischen Seite steht, und des Bundeskanzlers, der gestern abermals mit dem israelischen Staatspräsidenten telefoniert hat. Wir versuchen sozusagen, unsere Kraft und unsere Wirkung zu entfalten.

Die Entwicklungen der vergangenen anderthalb Wochen zeigen, dass wir damit Erfolg haben, wenn auch in einem beschränkten Umfang. Aber ich überlasse Ihnen einmal die Spekulation, ob wir heute an dem gleichen Punkt ständen, wenn sich die Bundesregierung ‑ ergänzt durch das E3-Format ‑ nicht mit diesem klaren Kurs gegenüber Israel, aber auch gegenüber der Hamas, verhalten würde.

Ich möchte an der Stelle noch einmal deutlich machen ‑ darüber haben wir am Montag auch schon gesprochen ‑, dass wir unseren Blick sehr auf Israel fokussieren. Ich möchte dafür appellieren, sich immer wieder klarzumachen, wo der Ausgangspunkt für diese Situation ist. Der Aggressor ist die Hamas mit dem Überfall auf Israel am 7. Oktober. Die Hamas hat es in der Hand, diesen Konflikt zu beenden, indem sie die Geiseln, die immer noch in der Hand der Hamas sind, freilässt. Wir gehen von rund 50 Geiseln aus; man weiß nicht, wie viele von ihnen noch am Leben sind. Die Hamas muss die Geiseln freilassen, und die Hamas muss die Waffen niederlegen. Das wäre die Grundlage dafür, zu einem Ende dieses Konfliktes zu kommen. Bisher hat die Hamas alle Angebote abgelehnt. Israel wäre zu Schritten bereit gewesen, die Hamas nicht.

Frage

Ich habe auch noch eine Frage zu dem Thema an das Auswärtige Amt oder den Regierungssprecher. Benjamin Netanjahu soll laut übereinstimmenden Medienberichten eine vollständige militärische Übernahme des Gazastreifens erwägen. Wäre das für die Bundesregierung eine rote Linie?

Hille (BReg)

Sie haben es in Ihrer Frage selber schon sozusagen genannt, indem Sie das Wort „soll“ verwendet haben. Das Ganze basiert auf Medienberichterstattung, die ich und die Bundesregierung natürlich kennen.

Sie wissen, wie wir uns zu hypothetischen Dingen oder zu Dingen, die noch nicht entschieden sind, verhalten. Ich werde jetzt also nicht über die Frage spekulieren „was wäre, wenn“, sondern wir bleiben dabei: Wir begleiten diesen Prozess sehr, sehr eng und machen unsere Entscheidungen dann von den Entwicklungen abhängig, aber nicht antizipativ.

Zusatzfrage

Also könnten Sie auch nicht grob skizzieren oder erörtern, was für die Bundesregierung rote Linien wären?

Hille (BReg)

Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Ich werde mich hier jetzt nicht in Spekulationen oder Antizipationen von möglichen Dingen ergehen.

Frage

Ich habe eine Frage zu den Kindern aus Gaza. Seit dem 7. Oktober 2023 sollen nur zwei Kinder in Deutschland medizinisch versorgt worden sein. In anderen EU-Ländern sind das deutlich mehr. Könnten Sie erklären ‑ die Frage richtet sich wahrscheinlich an das Bundesinnenministerium oder an das Außenministerium ‑, woran das liegt?

Harmsen (BMI)

Ich habe das hier am Montag schon einmal gesagt ‑ ich kann das gerne wiederholen ‑: Die Umsetzbarkeit von solchen Initiativen, also verletzte Kinder aus Gaza nach Deutschland zu bringen, hängt entscheidend von der Sicherheitslage, von der Möglichkeit der Ausreise und von weiteren Faktoren ab. Konkrete Vorhaben werden zurzeit mit den verantwortlichen Partnern geprüft. Dabei steht für uns die Ausweitung der medizinischen Hilfe vor Ort und in regionaler Nähe im Hauptfokus. An diesem Stand hat sich seit Montag auch nichts verändert.

Zusatzfrage

Sie sagten, es gehe um die Ausreise. Da geht es wahrscheinlich um die Begleitung. Werden grundsätzlich Personen aus Gaza, die begleitet werden, als erhöhtes Risiko gesehen? Was sind das für Probleme?

Harmsen (BMI)

Es gibt da verschiedene Überlegungen. Natürlich sehen wir mögliche begleitende Personen nicht grundsätzlich als sicherheitsrelevant oder dergleichen an. Das ist einer der Aspekte, den man im Rahmen solcher möglichen Initiativen prüfen muss.

Frage

Herr Hille, der Bundeskanzler hat in der vergangenen Woche nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts ausdrücklich selbst gesagt, dass im Rahmen des Kabinetts voraussichtlich über weitere Schritte beraten werde. Deshalb hätte ich schon noch einmal die Frage, worüber im Kabinett gesprochen worden ist, was Druckmittel angeht.

Aus der SPD-Fraktion wurde die Forderung erhoben, zumindest Einreisesperren gegen die rechtsextremen Minister Ben-Gvir und Smotrich zu verhängen. Ist darüber konkret gesprochen worden? Wird das gemacht und, wenn nein, warum nicht?

Hille (BReg)

Wie gerade schon erläutert, ist die Lage in Israel und Gaza regelmäßig Thema in der regulären Kabinettssitzung. Wir hatten jetzt zwei Sitzungen des Sicherheitskabinetts, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Von daher ist das, was Sie gerade dem Bundeskanzler zugeschrieben haben, dass man im Kabinett darüber sprechen wird, regelmäßig der Fall. Das war auch heute der Fall. Es war eine gute, geschlossene Aussprache im Kabinett, in der es keine unterschiedlichen Sichtweisen und Schwerpunktsetzungen gegeben hat, sondern die Bundesregierung steht hinter diesem Kurs, den ich gerade schon mehrfach geschildert habe.

Ich sage es gern noch einmal: Das Wichtigste für die Bundesregierung ist ein umfassender Waffenstillstand. Die Geiseln müssen freikommen, die Hamas muss die Waffen niederlegen. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiterhin prekär und inakzeptabel. Deshalb arbeiten wir stetig daran, diese Situation zu verbessern. Die Zahlen habe ich Ihnen gerade genannt ‑ aus meiner Sicht sprechen die eine recht eindeutige Sprache, dass es sich lohnt, diesen Weg zu beschreiten und weiter daran zu arbeiten ‑: Wir wollen die Größenordnung von 400 Lkws am Tag erreichen.

Der dritte Punkt unserer Haltung ist, dass eine tragfähige politische Perspektive für Gaza notwendig ist. Dazu gehört natürlich auch: keine weiteren Schritte hin zu Annexionen im Westjordanland.

Frage

Die Frage geht an das Auswärtige Amt. Heute wird das Planungskabinett der israelischen Regierung die Durchsetzung des E1-Siedlungsplanes auf der Westbank beschließen. Was wird die Bundesregierung dagegen tun? Denn dieser E1-Siedlungsplan beinhaltet die Annexion von Teilen der Westbank durch Israel. Er bedeutet die Trennung der Westbank, der Palästinensergebiete, und er bedeutet den Aufbau von getrennten Straßenzügen für Israelis und für Palästinenser, was manche als “apartheid road” bezeichnen. Wie reagiert die Bundesregierung auf diesen drastischen Eingriff, der eine Zweistaatenlösung so gut wie unmöglich macht?

Deschauer (AA)

Ich würde mich jetzt nicht allen Aspekten Ihrer Ausführungen anschließen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir als Bundesregierung das Siedlungsprojekt E1 entschieden ablehnen.

Zusatzfrage

Sie haben in der Vergangenheit auch entsprechende Maßnahmen abgelehnt, die aber niedrigschwelliger waren. Die Frage ist jetzt, wenn nun Nägel mit Köpfen gemacht werden ‑ Großbritannien und Frankreich haben drastische Maßnahmen angekündigt ‑: Was wird die Bundesregierung über die verbale Ablehnung hinaus tun, um dieses Projekt möglichst zu stoppen, das eben die Zweistaatenlösung verunmöglicht?

Deschauer (AA)

Uns geht es darum, dass eine Zweistaatenlösung perspektivisch möglich ist. Das haben wir hier verschiedentlich erläutert, und deswegen lehnen wir auch dieses Projekt E1 entschieden ab. Neben einem klaren Verstoß gegen das Völkerrecht gefährdet es auch die Grundlagen der Möglichkeit einer Zweistaatenlösung. Unsere Aufgabe ist es doch ‑ das hat der stellvertretende Regierungssprecher erläutert, das mache auch ich gerne noch einmal ‑, in sehr engen Kontakten und Gesprächen darauf hinzuwirken, dass eine Zweistaatenlösung nicht buchstäblich verbaut wird. Unser Ansatz ist, im engen Gespräch zu bleiben, dabei aber auch sehr klar die Haltung der Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen, dass dieses Siedlungsprojekt E1 unsere klare Ablehnung findet.

Frage

Ich habe eine Anschlussfrage an die Frage der Kollegin der Deutschen Welle. Es geht noch einmal um die Kinder. Frau Güler, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, hat sich ablehnend zu der Initiative der Großstädte geäußert, Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Frau Deschauer, äußert sich Frau Güler im Namen des Bundesministers, oder ist das ihre parteipolitische eigene Meinung?

Deschauer (AA)

Ich äußere mich hier im Namen des Bundesministers. Ich kann mich den Ausführungen des Kollegen des BMI anschließen, dass es der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen ist, zivilgesellschaftliche Akteure bei der medizinischen Behandlung von minderjährigen Kindern aus Gaza zu unterstützen. Welche Prüfungen da notwendig sind und wie das möglicherweise vonstattengehen kann, ob regional oder gegebenenfalls andernorts, das ist Gegenstand von Prüfungen ‑ und das ist die Haltung der Bundesregierung.

Zusatzfrage

Der Aussage von Frau Güler, das Ganze sei nett für den Wahlkampf, schließt sich der Bundesminister demzufolge nicht an?

Deschauer (AA)

Ich nehme hier jetzt auch keine Wahlkampfäußerungen vor, sondern ich spreche erkennbar für die Bundesregierung, das Auswärtige Amt und den Außenminister ‑ und da haben Sie gerade die Position gehört.

[…]

Vorsitzende Welty

Wenn wir Fragen zu Gaza noch einmal sammeln, dann geht es vielleicht schneller.

Hille (BReg)

Wenn es sich um einzelne handelt und nicht um ‑ ‑ ‑

Frage

Das Gute bei meinen Fragen ist ja immer, dass sie konkret sind! - Sie haben gerade von einer geschlossenen, einmütigen Diskussion im Kabinett berichtet. Sind denn von einzelnen Ministern zumindest Vorschläge gemacht worden, wie man weiter vorgehen kann? Ein denkbarer Vorschlag wäre ja zum Beispiel die Ausweitung der Luftabwürfe von Lebensmitteln über dem Gazastreifen als ein weiteres Symbol. Haben einzelne Minister Vorschläge gemacht?

Dann habe ich eine Frage an Frau Deschauer oder sogar zwei. Was ist eigentlich aus der angekündigten Reise von Herrn Wadephul zusammen mit seinem französischen und britischen Kollegen geworden? Was ist aus der Idee geworden, und warum findet das nicht statt?

Die zweite Frage: Der EAD stellt ja heute eigentlich parallel zu der Darstellung, dass die Bemühungen sehr erfolgreich sind, was den Ausbau der humanitären Hilfe angeht ‑ ‑ ‑

Vorsitzende Welty

Entschuldigung, das sind jetzt vier Fragen auf einmal!

Zusatzfrage

Ich wollte nur fragen: Liegt der Bundesregierung der Statusbericht des EAD über die Fortschritte bei der humanitären Hilfe vor, und wie sieht er aus?

Hille (BReg)

Jetzt haben Sie so viele Fragen gestellt, dass ich die erste schon wieder vergessen habe. Können Sie die noch einmal wiederholen?

Zusatzfrage

(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Hille (BReg)

Ach so, genau. - Sie werden sich nicht darüber wundern, dass ich bewusst allgemein über das gesprochen habe, was im Kabinett stattgefunden hat. Weiter ins Detail ‑ das werden Sie mir nachsehen ‑, gehen wir bei derartigen Gesprächen im Kabinett nicht. Ich habe Ihnen gesagt, dass sich die gesamte Bundesregierung hinter der Linie versammelt, die ich und auch Frau Deschauer hier jetzt verschiedentlich aufgeführt haben, und das ist das, was ich zu dem Thema zu sagen habe.

Frage

Herr Hille, Sie hatten ja gesagt, es habe Diskussionen zu Gaza gegeben, aber keine unterschiedlichen Sichtweisen. Ist das nicht irgendwie ein Widerspruch in sich?

Hille (BReg)

Da haben Sie recht. Der Begriff „Diskussionen“ war nicht ganz trennscharf, wenn wir es semantisch angehen. Es war weniger eine Diskussion als eher die übliche Aussprache. Da bitte ich meine begriffliche Ungenauigkeit zu entschuldigen.

[…]

Deschauer (AA)

Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Kollegen oder ich hier eine Reise angekündigt hätten. Das machen wir ja immer direkt im Vorfeld. Insofern können Sie sich sicher sein, dass Gespräche und Abstimmungen sehr eng sind, aber ich auch heute nichts anzukündigen habe.

[…]

Dann versuche ich mich zu erinnern. Das Sammeln von Fragen hat Vor- und Nachteile. Ich erinnere mich jetzt gerade an noch eine Frage, die Herr Gebauer gestellt hatte, glaube ich. - Ich habe jetzt gerade den Bericht nicht vorliegen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass die sehr, sehr, sehr guten Kollegen im Auswärtigen Amt dabei sind, das zu analysieren, was ihnen vorgelegt wird. Sollte sich dann die Gelegenheit ergeben, können wir uns hierüber zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich noch einmal austauschen.

Das war, glaube ich, das, was an mich adressiert war.

Abschaffung des Postens des Beauftragten für Beziehungen zu Deutschland der polnischen Regierung

Frage

Herr Hille, die polnische Regierung hat heute angekündigt, den Deutschlandbeauftragten abzuschaffen. Wie bewerten Sie das, und was folgt für Sie daraus?

Hille (BReg)

Sie wissen, dass die deutsch-polnischen Beziehungen für uns von großer Bedeutung sind. Sie wissen aber auch, dass wir das Verhalten anderer Regierungen in der Form nicht beurteilen wollen. Mir bleibt herauszustreichen, dass das deutsch-polnische Verhältnis für uns von besonderer Bedeutung ist.

Frage

Frau Deschauer oder Herr Hille, waren Sie darüber informiert, dass diese Funktion sofort abgeschafft wird?

Deschauer (AA)

Ich will einmal ganz grundsätzlich unterstreichen: Polen ist nicht nur Nachbar Deutschlands, sondern einer der engsten und wichtigsten Partner im Herzen Europas. Wir haben sicherlich gemeinsam eine große Verantwortung für ein stabiles Europa und für eine stabile Sicherheitslage in Europa, die wir gemeinsam vorantreiben und ‑tragen möchten. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind eng, fundiert und gut. Wir werden alles dafür tun, dass dies so fortgeführt wird. Der enge Austausch auf deutsch-polnischer Seite, sowohl aufseiten der Staats- und Regierungschefs als auch des Auswärtigen Amts, ist uns ein Kernanliegen. Insofern wäre das erst einmal der Ansatz, den wir verfolgen würden, sollten sich etwaige Veränderungen materialisieren. Unbenommen der Tatsache ist uns an sehr engen Beziehungen gelegen.

Zusatzfrage

Für Sie ist das auch eine Überraschung?

Bleibt der deutsche Koordinator?

Deschauer (AA)

Sie erkennen ja, dass ich mich dazu nicht geäußert habe, sondern ich habe Ihnen gesagt, was die Haltung der Bundesregierung in Sachen deutsch-polnischer Beziehungen ist und wie wir diese konstruktiv fortführen möchten und das auch tun. Insofern belasse ich es einmal dabei.

Bitte geben Sie mir kurz noch die Gelegenheit, etwas zu sagen. Das fällt zwar nicht in meine Zuständigkeit, aber ich würde jetzt, glaube ich, die Aussage des Kollegen in seiner Fragestellung ‑ vielleicht sage ich dann „sogenannten Fragestellung“ ‑ zur „sogenannten Wiedervereinigung“ hier nicht für eines der Ressorts der Bundesregierung so stehen lassen. Ich glaube, ich spreche da für uns alle. Wir können uns glücklich schätzen, in einem wiedervereinten Deutschland zu leben, und das möchte ich, glaube ich, hier einfach nur noch einmal sagen, gerade weil wir auch über einen Nachbarstaat gesprochen haben, Polen, mit dem wir im Herzen Europas eine wichtige Verantwortung für Stabilität in Europa haben.

Frage

Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, ist das für Sie jetzt auch noch relativ frisch, aber relativ frisch im Amt ist ja auch erst der neue deutsche Polenbeauftragte. Der ist ja auch erst vor wenigen Wochen ernannt worden, wenn ich das richtig verstanden habe. Gibt es aus deutscher Sicht irgendeinen Grund, noch einmal über den Sinn und Zweck der Funktion dieses Beauftragten nachzudenken, wo man doch momentan viele andere Beauftragte prüft?

Deschauer (AA)

Ich glaube, meine Herleitung der Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen für diese Bundesregierung ‑ aber auch für eine gesamteuropäische Sicherheit und Stabilität ‑ beantwortet Ihre Frage eigentlich schon. Es ist eine Kernfunktion der deutschen Außenpolitik auf der Ebene des Auswärtigen Amtes, aber auch auf anderen Ebenen, enge, freundschaftliche, gut nachbarschaftliche Beziehungen mit Polen zu pflegen. Wie wir das umsetzen, das gestalten wir mit sehr engen Kontakten auf allen Regierungsebenen, aber natürlich seit langer Zeit auch mit herausgehobenen Beziehungen auf dieser Ebene.

Zusatzfrage

Ich würde es gerne noch einmal verstehen. Der polnische Deutschlandbeauftragte, Herr Ruchniewicz, ist ja jetzt offenkundig quasi auch vor dem Hintergrund von Spekulationen über mögliche Rückgaben deutscher Kulturgüter aus Polen nach Deutschland abgeschafft worden, was ja ein starkes Thema im polnischen Präsidentschaftswahlkampf war. Ich würde gerne verstehen: Wie betrachten Sie denn die deutsch-polnischen Beziehungen in dieser Hinsicht? Wie man mit Kulturgütern umgeht, ist ja nämlich einer der klassischen Streitpunkte. Ich weiß gar nicht, ob das in Frau Deschauers Zuständigkeit fällt. Bei der Kultur könnte auch Herr Hille schon wieder ins Spiel kommen.

Hille (BReg)

Wenn ich dafür gefragt bin, dann würde ich Ihnen etwas nachliefern, Herr Steiner, weil ich da im Moment nicht im Film bin.

Frage

Herr Hille, dann würde ich gerne noch einmal grundsätzlicher fragen. Der Bundeskanzler ist ja gleich nach seinem Amtsantritt nach Warschau gereist. Die deutsch-polnischen Beziehungen lagen ihm am Herzen. Nun haben sich diese Beziehungen im Laufe seiner Kanzlerschaft rapide verschlechtert. Ist er deshalb alarmiert? Was gedenkt der Bundeskanzler zu unternehmen, um in diesen Beziehungen wieder positiv voranzukommen?

Spielt in dem Zusammenhang die Frage der Grenzkontrollen eine Rolle, die ja auch zu einer Verschlechterung der Beziehungen geführt hat?

Hille (BReg)

Die Bedeutung, die das Verhältnis zu unseren Nachbarn sowohl im Westen als im Osten hat, wird dadurch deutlich ‑ Sie haben es gerade schon angesprochen ‑, dass der Bundeskanzler ganz bewusst am ersten Tag seiner Amtszeit an einem Tag nach Frankreich und nach Polen gereist ist, um sich dort mit Regierungschef Tusk zu treffen. Ansonsten, glaube ich, haben sowohl ich als auch Frau Deschauer gerade zur Bedeutung der deutsch-polnischen Beziehungen insgesamt alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind für uns von großer Bedeutung.

Sie haben die Grenzkontrollen angesprochen. Die Beziehungen sind so gut, dass sie auch solche Dinge aushalten und dass das in beidseitiger enger Abstimmung geschieht, in dem Wissen, dass es einem wichtigen Ziel folgt, nämlich die Migration nach Europa, nach Polen und nach Deutschland zu reduzieren. Aber insgesamt ist für uns ‑ der Bundesregierung, dem Bundeskanzler, und da können wir für alle Ressorts sprechen ‑ das deutsch-polnische Verhältnis von ganz großer Bedeutung.

Medienbericht über eine angebliche Einschüchterungs­kampagne gegen den Chefermittler des Internationalen Strafgerichtshofs

Frage

Laut einer aktuellen Recherche von « Le Monde » war neben den USA, Israel und Großbritannien auch Deutschland ab Mai 2024 an der Einschüchterungskampagne gegen den Chefermittler des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Ahmad Khan, beteiligt, um ihn von der Ausstellung von Haftbefehlen gegen Netanjahu und Galant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Gaza abzuhalten. Da würde mich interessieren: Kann die Bundesregierung denn diese versuchte Einflussnahme durch staatliche deutsche Akteure auf den Chefermittler des ICC so bestätigen?

Deschauer (AA)

[…]

Dann zu Ihrer Frage zum Thema der Berichterstattung (von « Le Monde »): Ich habe diesen Medienbericht jetzt nicht direkt vorliegen und würde ihn auch, wenn er hier vorliegen würde, nicht kommentieren. Aber Ihnen muss doch völlig klar sein, dass Deutschland, und das haben wir hier oft erläutert, einer der größten Unterstützer des internationalen Völkerrechts und auch des Völkerstrafrechts ist und ich deswegen, ehrlich gesagt, solche Formulierungen von Ihnen hier in keiner Weise bestätigen würde. Im Gegenteil: Wir sind einer der größten Unterstützer des Völkerrechts, und das ist und bleibt so. Alles Weitere bleibt Ihrer eigenen Wahrnehmung überlassen.

[…]

Zusatzfrage

Ich hätte noch eine Nachfrage. Frau Deschauer, namentlich genannt wird in der Recherche von « Le Monde » Baerbocks Staatssekretärin im AA, Susanne Baumann. Diese soll Anfang Mai 2024 im Zusammenspiel mit dem damaligen US-Außenminister Blinken und dem US-Sicherheitsberater Sullivan in wechselnden Anrufen und Videokonferenzen versucht haben, Khan einzuschüchtern und ‑ « Le Monde » spricht auch tatsächlich von « intimider » ‑ unter Druck zu setzen. Frau Baumann soll ihn konkret unter anderem damit unter Druck gesetzt haben, dass sie gesagt habe, wenn er diese Haftbefehle ausstelle, würde er das Leben von israelischen Geiseln in Gaza sowie die bis dato gar nicht existenten Friedensverhandlungen gefährden. Da würde mich wieder die Darstellung des Auswärtigen Amtes interessieren. Gab es die von « Le Monde » geschilderten Telefonate und Videocalls der entsprechenden Staatssekretärin mit dem Chefermittler des ICC? Wenn ja, geschah das auf Anordnung der damaligen Bundesaußenministerin und baldigen Präsidentin der UNGA?

Deschauer (AA)

Ich habe Ihre Frage ja schon so beantwortet, dass ich diesen Medienbericht, auf den Sie sich beziehen, hier nicht vorliegen habe und ich ihn jetzt auch nicht weiter kommentieren würde. Ich habe unsere Grundsatzhaltung geäußert, dass es im Grundsatz institutionelle Kontakte zwischen einem Auswärtigen Amt, der Bundesregierung und relevanten Stellen gibt. Ich glaube, das müsste auch Ihnen eingängig sein. Das bezieht sich aber nicht auf Ihren hier zitierten « Le Monde »-Bericht.

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