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Gastbeitrag von Guido Westerwelle und Katsuya Okada in der ZEIT
2011 feiern Japan und Deutschland den 150. Jahrestag der Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Heute gehören unsere beiden Länder zu den Vorreitern in den internationalen Bemühungen um nukleare Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung. Gleichzeitig unterstreichen wir gemeinsam das Recht auf die friedliche Nutzung der Kernenergie.
Unser Engagement für Abrüstungsfragen leitet sich aus unseren historischen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und der Epoche des Kalten Krieges ab: Hiroshima und Nagasaki mahnen uns für immer an die verheerende Wirkung der Atombombe, während Deutschland und die Mitte Europas jahrzehntelang mit der Gefahr eines nuklearen Schlagabtauschs leben mussten. Vor diesem Hintergrund wurden Deutschland und Japan zu besonders engagierten Fürsprechern des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Nuclear Non-Proliferation Treaty, kurz: NPT) – gemeinsam setzen wir uns für die Stärkung aller drei Pfeiler des NPT ein.
Das NPT-Regelwerk steht vor ernsten Herausforderungen. Wir rufen Nordkorea nachdrücklich dazu auf, umgehend die Sechs-Parteien-Gespräche wiederaufzunehmen und konstruktive, konkrete Schritte zur Erfüllung seiner nuklearen Abrüstungsverpflichtungen – wie in der gemeinsamen Erklärung vom September 2005 vorgesehen – zu unternehmen. Uns eint die ernste Besorgnis hinsichtlich der iranischen Nuklearfrage.
Wir rufen Iran auf, die einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats einzuhalten und die in den Resolutionen des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA enthaltenen Anforderungen zu erfüllen. Auf der derzeit stattfindenden NPT-Überprüfungskonferenz muss die gegenseitige Verpflichtung neu belebt werden, das heißt der Interessenausgleich zwischen Kernwaffenstaaten und Nichtkernwaffenstaaten: Die Nichtkernwaffenstaaten verzichten auf den Besitz von Kernwaffen, dafür verpflichten sich die Kernwaffenstaaten, nuklear abzurüsten und auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie mit den Nichtkernwaffenstaaten zusammenzuarbeiten. Ferner muss durch Stärkung des Bekenntnisses zum Vertrag das künftige internationale System der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung gestärkt werden.
In diesem Zusammenhang müssen Japan und Deutschland dafür sorgen, dass der nuklearen Abrüstung auf der NPT-Überprüfungskonferenz höchste Priorität zukommt. Im vergangenen Jahrzehnt hatte sich die internationale Gemeinschaft infolge der Anschläge vom 11. September auf die Nichtverbreitung konzentriert. In seiner richtungsweisenden Prager Rede vom April 2009 hat sich Präsident Obama nicht nur für das Ziel einer Welt ohne Kernwaffen ausgesprochen, sondern auch unterstrichen, dass angemessenen Schritten in diese Richtung große Bedeutung zukommt.
Deutschland und Japan begrüßen die Unterzeichnung des neuen Start-Vertrags durch die Präsidenten der Vereinigten Staaten und Russlands als ersten wichtigen Schritt in diese Richtung. Der neue Vertrag belegt eindrucksvoll, dass konkrete Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung im Sinne des Artikels VI des NPT getroffen werden können. Unsere gemeinsame Auffassung ist nunmehr, dass auf der Grundlage des neuen Start-Vertrags künftig darauf zu achten ist, die Reduzierung strategischer Waffen stärker auch im multilateralen Rahmen zu praktizieren – künftige Abrüstungsverhandlungen sollten daher China als wichtigen Akteur einbeziehen.
Wir begrüßen ferner die kürzlich von den Vereinigten Staaten angekündigte überarbeitete Nuklearstrategie. Sie ist für uns ein wichtiger Schritt hin zu einer Welt ohne Kernwaffen, da durch sie die Zahl und Rolle der Kernwaffen verringert und die Bereitschaft der Vereinigten Staaten demonstriert wird, stärkere negative Sicherheitsgarantien gegenüber Nichtkernwaffenstaaten abzugeben, die den Vertrag einhalten, während gleichzeitig die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten gewährleistet wird. Alle Staaten, die Kernwaffen besitzen, rufen wir dazu auf, die überarbeitete Nuklearstrategie und den neuen Start-Vertrag zum Anlass zu nehmen, sich auf der NPT-Überprüfungskonferenz auf der Grundlage der Unumkehrbarkeit, Überprüfbarkeit und Transparenz zu konkreten nuklearen Abrüstungsmaßnahmen zu verpflichten.
Japan und Deutschland teilen die Auffassung, dass auf weitere Fortschritte im Bereich der nuklearen Abrüstung auch fortgesetzte Bemühungen zum Abbau nichtstrategischer Kernwaffen folgen müssen. Nichtstrategische Kernwaffen haben ein enormes Zerstörungs- und politisches Destabilisierungspotenzial – auch dadurch, dass sie in die falschen Hände, etwa die von Terroristen, fallen können.
Ein ebenso wichtiger Schritt zur Abschaffung der Kernwaffen ist die Rückstufung ihrer Bedeutung in den jeweiligen strategischen Doktrinen aller Kernwaffenstaaten. Es wäre außerordentlich wichtig, diese Fragen intensiver zu erörtern, wobei schrittweise vorgegangen und Partner in die Arbeit eingebunden werden sollten. Das Ziel, das wir gemeinsam anstreben und für das wir uns bei der Überprüfungskonferenz einsetzen wollen, ist eine Verpflichtung seitens aller Staaten, die Kernwaffen besitzen, die Bedeutung der Kernwaffen in ihren nationalen Sicherheitsstrategien herunterzustufen.
Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Abschaffung der Kernwaffen ist es, die Entwicklung neuer Nuklearsprengköpfe zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist das Inkrafttreten des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) von entscheidender Bedeutung. Dieser Vertrag – der schon vor fast 15 Jahren von der großen Mehrheit der Völkergemeinschaft unterzeichnet wurde – bedarf zu seinem Inkrafttreten immer noch der Ratifikation durch neun Staaten sowie der Unterzeichnung und Ratifikation durch drei weitere, die sich bislang sperren. Wir rufen diese Staaten auf, den CTBT umgehend zu unterzeichnen bzw. zu ratifizieren. Japan und Deutschland werden auf der NVV-Überprüfungskonferenz die Gespräche über diese Frage intensivieren und sich aktiv dafür einsetzen, dass der CTBT bald in Kraft treten kann.
Letztlich kann nur eine kernwaffenfreie Welt die Garantie dafür bieten, dass diese Waffen mit ihren schrecklichen und zutiefst unmenschlichen Wirkungen niemals zum Einsatz kommen. Bis dahin liegt natürlich noch ein langer und schwieriger Weg vor uns, aber wir sind überzeugt, dass das Ziel erreicht werden kann.
Auf der Überprüfungskonferenz werden sich Japan und Deutschland gemeinsam dafür stark machen, dass die internationale Gemeinschaft politische Handlungsfähigkeit beweist und sich nach besten Kräften bemüht, auf der Grundlage eines wahrhaft multilateralen Ansatzes zu einer Einigung zu kommen. Auch über die Konferenz hinaus werden wir unsere Zusammenarbeit im Dienst einer Welt des Friedens und der politischen Stabilität fortsetzen.