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Interview BM Westerwelle mit der griechischen Tageszeitung Kathimerini

31.01.2010 - Interview

Kathimerini: Sie haben angekündigt, dass Deutschland im ersten Halbjahr 2011 die Übergabe von einzelnen Bezirken in Nordafghanistan an die lokalen Sicherheitskräften beginnen möchte. Ihre Regierung hält eine Reduzierung des derzeitigen Bundeswehrkontingents sogar ab Ende 2011 zumindest für möglich. Hat bei dieser Entscheidung das Blutbad in Kunduz eine Rolle gespielt?

BM Westerwelle: Wir sind in Afghanistan, weil wir den Menschen dort helfen und weil es wichtig ist für unsere Sicherheit in Europa. Wir wollen aber nicht ewig dort bleiben. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr beginnen, die Sicherheitsverantwortung in einigen Bezirken an die Afghanen zu übergeben. Ab 2011 kann dann unser Kontingent reduziert werden. Bis 2014 soll – so ja auch das Ziel der afghanischen Regierung – die Sicherheitsverantwortung voll in afghanische Hände übergehen.

Klar ist: Eine militärische Lösung für die Probleme Afghanistans kann es nicht geben. Gelingen kann dies nur mit Hilfe einer umfassenden politischen Strategie: Wiederaufbau, Ausbildung von Polizisten, gute Regierungsführung, Kampf gegen Korruption. Das haben die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung bei der Konferenz in London eindrucksvoll unterstrichen.

Wir müssen jetzt die Beschlüsse von London konsequent und schnell umsetzen, damit die Menschen in Afghanistan sich mit unserer Unterstützung selbst eine Zukunft erarbeiten können.

Nach vieljährigen Verhandlungen wird bald das Thema der 4 U Boote, die wegen angeblicher technischer Mängel von der griechischen Seite nicht abgenommen wurden, abgeschlossen. Im selben Zeitraum hat das deutsche Firmenkonsortium Thyssen-Krupp angekündigt dass es die Skaramangas-Werften verkaufen möchte. Die deutsch-griechische Kooperation, die so optimistisch begonnen hat, hat sich ganz anders entwickelt. Wie betrachten Sie beide Fälle?

Die Bundesregierung war ja nie Vertragspartner des U-Boot-Geschäfts. Ich kann daher zu Einzelheiten nichts sagen. Die Vertragspartner – also das griechische Verteidigungsministerium und ThyssenKrupp Marine Systems – stehen meines Wissens erneut in Verhandlungen. Ich hoffe, dass eine für beide Seiten zufrieden stellende Lösung gefunden werden kann.

Die U Boote sowie das Thema mit den Eurofighter haben die deutsch-griechischen Beziehungen belastet. Was ist da Neues zu erwarten?

Einspruch! Unsere Beziehungen sind eng und vertrauensvoll und vertragen – wenn nötig – durchaus eine offene Diskussion mit unterschiedlichen Standpunkten. Das ändert aber nichts an der deutsch-griechischen Partnerschaft und Freundschaft, für die wir sehr dankbar sind.

Was die Eurofighter betrifft: Wir drängen die griechische Regierung nicht zum Kauf. Wenn die griechische Regierung aber, zu welchem Zeitpunkt auch immer, eine Entscheidung zum Kauf von Kampfflugzeugen trifft, wollen die Eurofighter-Länder, die hier durch Deutschland vertreten werden, bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Das ist innerhalb der Europäischen Union doch völlig normal.

Neulich gab es einen Streit zwischen Ihnen und der CSU über den EU-Beitritt der Türkei. Sind Sie eigentlich für oder gegen den EU-Beitritt der Türkei? Gibt es Meinungsverschiedenheiten zu diesem Thema in der Koalition?

Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Punkt ist eindeutig, sie ist auch im Koalitionsvertrag niedergelegt. Wir führen mit der Türkei Beitrittsverhandlungen. Dazu hat sich die EU 2005 gegenüber der Türkei verpflichtet. Das ist ein Prozess mit offenem Ausgang. Niemand kann heute sagen, wie die Entscheidung, die wir am Ende des Verhandlungsprozesses zu treffen haben, ausgehen wird. Es gibt keine Garantien oder Automatismen.

Fest steht aber: Die Türkei ist für uns ein strategisch wichtiger Partner – bei unseren Beziehungen zum Nahen und Mittleren Osten, in Fragen der Energiesicherheit, auch wegen der umfassenden wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der EU und der Türkei. Wir sind zuverlässig und halten uns an Absprachen. Das ist der beste Reformmotor in der Türkei, und es liegt in unser aller Interesse, dass dieser Motor kräftig weiterläuft.

In der Zeitschrift Focus steht, dass Sie bei ihrem geplanten Besuch in Athen den Fall des Ex-Siemens Managers, Volker Jung, „zum Thema machen werden um ihm zu helfen“. Dem früheren Mitglied des Zentralvorstands von Siemens wird seit Monaten die Ausreise verweigert. Warum aber sollte Ihnen Athen dabei helfen während die deutsche Justiz die Auslieferung von Herrn Christoforakos verweigert?

In Griechenland wie in Deutschland ist die Justiz unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Die Querverbindung, die Sie zwischen diesem Fall und dem Auslieferungsersuchen im Fall Christoforakos machen, kann ich daher nicht nachvollziehen.

In Griechenland herrscht der Eindruck, dass besonders Deutschland von Griechenlands Wirtschaftspolitik enttäuscht ist (siehe „die griechische Tragödie“ im Spiegel) und das Berlin Athen für die Schwäche des Euros verantwortlich macht. Stimmt das, ist das eine offizielle Position oder stammt die Kritik nur aus einem Zeitungsartikel?

Sie dürfen Medienberichte nicht mit der Haltung der Bundesregierung verwechseln. Alle Euro-Länder haben ein wirtschaftliches Interesse an einer starken und stabilen gemeinsamen Währung. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gemeinsam die Regeln befolgen, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgibt.

Wir vertrauen darauf, dass die griechische Regierung die strukturellen Schwächen der griechischen Wirtschaft energisch angeht. Athen hat dabei die volle Unterstützung Deutschlands und aller anderen EU-Partner.

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