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Staatsminister Gernot Erler in der Evangelischen Akademie Tutzing
--Es gilt das gesprochene Wort--
Energie- und Klimapolitik sind zentrale Themen internationaler Politik. Sie werden es bleiben, bis wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen entscheidend reduziert haben. Wir sind heute Zeugen einer dritten industriellen Revolution. Ihr Ziel ist es, die Stoffe zu ersetzen, die heute noch Schmierstoff unserer Wirtschaften sind, nämlich fossile Brennstoffe. Öl und Gas werden immer knapper, können politische Krisen auslösen und schädigen darüber hinaus nachhaltig unser Klima. Eine wichtige Aufgabe aktueller und mittelfristiger Außenpolitik bleibt es, die Energiebeziehungen so zu gestalten, dass sie von Kooperation statt von Konfrontation geprägt werden. Es ist aber auch höchste Zeit, die politischen Weichen so zu stellen, dass wir langfristig weitgehend ohne sie auskommen können. Wir müssen global Entscheidungen für eine kohlenstofffreie Ära treffen.
Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise hat Öl und Gas billig gemacht. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: schon in wenigen Monaten werden die Preise wieder ansteigen, weil die globale Nachfrage deutlich zunehmen wird. Die Auswirkungen auf unser Klima sind absehbar.
Das heißt: es liegt an unserer eigenen nationalen und internationalen Energie- und Klimapolitik, wie sich vorhersehbare Knappheiten der fossilen Brennstoffe auf unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme auswirken werden. Entscheidungen, die wir heute treffen - und auch die, die wir heute nicht treffen - werden die Politikoptionen bestimmen, die uns künftig zur Verfügung stehen.
Zunächst drei grundlegende Trends zum Thema Energie:
Erster Trend:
Die Nachfrage nach Energie wird weltweit - und zwar beschleunigt - zunehmen. Bis 2050 wird sich die Nachfrage nach Energie verdoppeln. Hauptgründe sind der Anstieg der Weltbevölkerung und das rasante Wirtschaftswachstum vor allem in Asien. Schon heute können wir feststellen, dass die reine Erwartung, dass die Nachfrage nach Energie steigt oder fällt, an den internationalen Märkten erratisches und spekulatives Verhalten auslöst – sei es beim Ölpreis, oder bei anderen Rohstoffen – mit erheblichen Auswirkungen z.B. auf die Welternährungslage oder die Wirtschaftslage ganzer Regionen. Dies hat erhebliche außen- und sicherheitspolitische Relevanz.
Zweiter Trend:
Ich glaube, dass die Tage, in denen wir sehr einfach Öl und Gas gefördert haben, und in denen wir Energie insgesamt zu verträglichen Preisen bezahlen konnten – lassen wir uns wie gesagt nicht von der momentanen Krise täuschen – schon bald vorbei sind. Kosten für Energie werden in zunehmendem Maße größere Anteile der zur Verfügung stehenden Einkommen abschöpfen.
Unser Wohlstand nimmt bei hohen Energiepreisen ab und wird in die Produzentenstaaten oder an die international tätigen Öl- und Gaskonzerne transferiert.
Dazu einige Zahlen: Die Welt verbraucht zur Zeit ca. 85 Mio. Barrel Öl jeden Tag – Tendenz langfristig steigend. Bei einem Preis von angenommenen niedrigen 50 US$ pro Barrel überweisen die verbrauchenden Staaten jeden Tag 4,3 Mrd. US$ an die ölproduzierenden Staaten. Das sind im Jahr ca. 1600 Mrd. US$. Auf Basis von 50 US$/b haben alleine die sechs Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates bekannte und mit heutiger Technologie erreichbare Ölreserven im Wert von ca. 25.000 Mrd. US $. Bei einem Ölpreis von 135 US$ sind diese Reserven ca. 65.000 Mrd. US$ wert. Etwa diese Summen werden Ölverbraucher in den nächsten 20-30 Jahren an die Produzenten überweisen müssen. Der weltweite Gasverbrauch ist hier noch nicht eingerechnet.
80 % der weltweiten fossilen Brennstoffreserven liegen mittlerweile in den Händen staatlicher Konzerne, die nicht immer marktwirtschaftliche Entscheidungen treffen. Staatliche Akteure reagieren oft nicht marktgerecht auf Angebot und Nachfrage. Andererseits sind heute enorme Investitionen nötig, um neue, schwerer zu erreichende Öl- und Gasfelder zu erschließen. Dass diese Investitionen zur Zeit ausbleiben, weil kein Geld dafür da ist, ist bedenklich. Fehlende Investitionen heute bedeuten stark steigende Preise morgen.
Schon heute übersteigt die Nachfrage die jährlichen neuen Funde um ein Vielfaches. Wir leben von der Substanz auch wenn diese sicher noch einige Zeit vorhalten wird. Dazu noch eine kleine Illustration: Eine normale Familie, die ein durchschnittliches Monatseinkommen so schnell ausgeben würde, wie wir die Öl und Gasreserven nutzen, die die Erde in Jahrmillionen angelegt hat, wäre nach 2,5 Sekunden zu Beginn jeden Monats pleite.
Dritter Trend:
Durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wird unser Klima zunehmend beeinträchtigt. Insbesondere wenn, wie es teilweise schon geschieht, Kohle als attraktive und günstige Alternative anstelle von Öl und Gas genutzt wird, um Abhängigkeit von Öl und Gas zu verringern. CCS, also das Einfangen von Co2 im Verbrennungsprozess, ist eine wichtige Technologie, aber noch ist sie nicht da.
Der Europäische Rat vom 19. und 20. März hat noch einmal klargemacht, was Europa will: Wir wollen, dass Kopenhagen ein Erfolg wird. Wir wollen ein Klimaabkommen, das sicherstellt, dass die durchschnittliche Erdtemperatur nicht stärker als 2 Grad steigt. Der Rat hat zudem erneut das 20/20/20 Ziel bestätigt und sogar eine 30% ige CO2 Reduktion in Aussicht gestellt, wenn andere Staaten stärker mitziehen. Die EU steht auch dafür, dass der rechtliche Rahmen für marktwirtschaftliche Lösungen im Klimaschutz geschaffen wird. Ein globaler CO2 Markt, der den Clean Development Mechanism (CDM) einschließt, muss geschaffen werden.
Einige der Energieszenarien, die sich mit den zukünftigen Entwicklungen beschäftigen, zeigen, dass spätestens ab 2020 die Spannungen auf den Weltenergiemärkten deutlich zunehmen können. Dies hat unmittelbar auch sicherheitspolitische Konsequenzen. Die, die Energieressourcen haben, werden mächtiger. Und einige dieser Staaten werden unter Umständen bereit sein, ihren Einfluss strategisch einzusetzen. Die Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen ist, wie gehen wir damit außenpolitisch um und was sind unsere Optionen?
Ich möchte dazu drei grundsätzliche Thesen für eine verantwortungsvolle, internationale Energiepolitik erläutern, wie sie sich aus meiner Sicht darstellen:
Erste These:
Energiepolitische Abhängigkeiten werden zunehmen. Unser vorrangiges Ziel muss sein, dass uns dadurch keine Politikoptionen genommen werden. Wir müssen dafür sorgen, dass Energie keine Machtwährung wird, dass Energie nicht zu einem bestimmenden Faktor der internationalen Politik wird.
Zweite These:
Es gibt nicht die „eine große Lösung“. Wir werden an verschiedenen Energiefronten arbeiten müssen. Wir werden uns beschäftigen müssen mit Energieeinsparungen, mit Energieeffizienz, mit erneuerbaren Energien – und dies weltweit.
Gleichzeitig darf die kontinuierliche Verbrennung von fossilen Brennstoffen nicht irreparable Schäden an der Umwelt unseres Planeten hervorrufen. Die Konsequenzen wären in jeder Hinsicht fatal. Schon heute sind einige Inselstaaten ganz erheblich vom steigenden Meeresspiegel betroffen.
Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass weiterhin die steigende Nachfrage nach Energie befriedigt wird, um die hochkomplexen Wirtschaftskreisläufe in den Industrie- und den Schwellenländern am Laufen zu halten. Dies ist fast schon die Quadratur des Kreises, weil zusätzlich die Energiearmut in vielen Entwicklungsländern reduziert werden muss. Immer noch sind 1,5 Mrd. Menschen ohne Strom. Dies ist ebenfalls nicht akzeptabel.
Dritte These:
Es gibt keine europäische und schon gar keine nationalen Insellösungen. Wir müssen die verlässliche Energieaußenpolitik von Bundesminister Steinmeier, fortsetzen, die auf internationaler Kooperation, Vertrauen und Recht beruht.
Dabei ist entscheidend, dass wir die begonnene Arbeit an der „global governance“ im Energiebereich in bestehenden internationalen Organisationen weiterführen. Die IEA, das Internationale Energieforum (IEF), das in eher inoffiziellem Rahmen Gedankenaustausch ermöglicht und so Vertrauen zwischen den Akteuren schafft. Die OPEC, die G8 und das VN-System insgesamt, aber vor allem auch die EU müssen dafür sorgen, Spannungen auf den internationalen Energiemärkten in friedliche Bahnen zu lenken.
Deutschland hat auch deshalb die Gründung einer neuen Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien vorangetrieben: IRENA. Wir hoffen, dass diese Agentur, die neben der IAEO, die für kernenergetische Fragen zuständig ist, und der IEA, die sich v.a. mit fossilen Brennstoffen beschäftigt, sich als drittes Standbein einer globalen Energie ´governance´ etabliert. IRENA soll über ordnungspolitische Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien beraten, Technologie- und Wissenstransfer vorantreiben und innovative Finanzierungsinstrumente für mehr Erneuerbare Energieträger entwickeln.
Europa ist mit 500 Millionen zahlungskräftigen Verbrauchern der größte und damit auch attraktivste und auch einer der am weitesten entwickelten Binnenmärkte der Welt. Wir haben in unserer Nachbarschaft einen Großteil der globalen Energiereserven, vor allem bei Gas. Langfristige Lieferverträge bieten hohe Versorgungssicherheit. Entscheidend ist auch, dass wir in Europa ein überragendes technologisches Know-how besitzen, das in Zukunft den entscheidenden Beitrag zu unserer Energiesicherheit leisten wird. Entscheidend ist, dass wir uns heute für die Entwicklung neuer Technologien entscheiden – nicht morgen. Und wir brauchen dafür auch keine Technologien von gestern: dazu zähle ich den Atomstrom.
Wir werden uns die politischen und v.a. außenpolitischen Spielräume nur dann erhalten können, wenn wir unsere Stärken einsetzen, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in den nächsten Jahren weiter zu reduzieren. Nur dann können wir eine vernünftige, bezahlbare und unabhängige Politik betrieben. Die Bundesregierung hat Ende 2007 mit dem Beschluss für das Integrierte Energie und Klimapaket, in dem 29 Maßnahmen für mehr Energieeinsparung, Steigerung der Energieeffizienz, Forschungsanstrengungen und allgemein der Steuerung der Allokation von Ressourcen, beschlossen wurden, internationale Maßstäbe gesetzt. Viele entscheidende Ansätze für eine sichere Energiezukunft sind darin enthalten. Vieles wird international schon kopiert.
Wwie können wir unsere Stärken am Besten auf internationaler Ebene umsetzen und einbringen?
Auch hierzu drei zentrale Politikansätze:
Erstens
Eine europäische Energiepolitik muss, neben etablierten Energiepartnerschaften neue Liefer- und Kooperationsräume erschließen. Dazu gehören neben Nord- und Westafrika auch der Kaspische Raum und Zentralasien. Die unter deutscher EU-Präsidentschaft beschlossene EU-Zentralasien-Strategie hat das Thema Energie sehr prominent auf die Agenda gesetzt. Wir müssen nun die dort beschlossenen Schritte in sehr konkrete Projekte umzusetzen. Eines davon ist z.B. die Nabucco-Pipeline, die die Bundesregierung unterstützt.
Auch die energiepolitischen Wirtschaftsbeziehungen zu Afrika müssen ausgebaut werden. Schon heute sind die Steigerungsraten der Ölförderung im Golf von Guinea beachtlich. Hier besteht großes Potential. BM Steinmeier hat bei mehreren Reisen nach Afrika immer wieder auch das Thema Energie und entsprechende Energiepartnerschaften mit Europa prominent angesprochen. Das Auswärtige Amt hat sich zusätzlich u.a. für eine starke Energiepartnerschaft mit Nigeria eingesetzt, um dort u.a. Projekte aus dem Bereich der erneuerbaren Energien zu befördern. Eine echte Partnerschaft „auf Augenhöhe“ wurde begründet. Im Verhältnis zu unseren Partnern südlich des Mittelmeers sind wir zusammen mit Frankreich treibende Kraft des „Solarplans“ im Rahmen der Union für das Mittelmeer.
Zweitens:
Europäische Energiepolitik muss auch kontinuierlich dafür sorgen, dass bestehende Energiepartnerschaften weiter ausgebaut werden.
Ich verhehle nicht: der Russisch-Ukrainische Gasstreit im Januar war ein Schock. Manche mögen sagen ein heilsamer Schock. Dieser hat Südosteuropa im Besonderen betroffen, vor allem Bosnien-Herzegovina und Serbien, wo Menschen frieren mussten und die industrielle Produktion gedrosselt wurde. Ich freue mich, dass Hilfslieferungen deutscher Energieunternehmen hier für etwas Linderung sorgen konnten. Die Frage ist, wie wir mit der Gaskrise umgehen, welche Konsequenzen wir ziehen und welche Politikoptionen am vernünftigsten sind. Der Europäische Rat vom 19. und 20. März hat hier die richtigen Zeichen gesetzt:
- Wir müssen kurzfristig und sehr schnell bessere Krisenmechanismen etablieren. Die eingesetzten Monitore haben sich bewährt. Wir sollten über weitergehende Maßnahmen in diesem Bereich sprechen.
- Wir müssen mittelfristig unsere europäischen Hausaufgaben erledigen und die ost- und südosteuropäischen Staaten auch von Westen her besser versorgen können. Ich selbst habe im Januar, auf dem Höhepunkt der Gaskrise mit dem serbischen Außenminister telefoniert und mir ein sehr gutes Bild davon machen können, wie notwendig West-Ost-Verbindungen sind.
- Und wir müssen mittel- bis langfristig eine Energieeffizienzrevolution in Europa und darüber hinaus durchführen, die eine größere Selbstversorgung mit weniger fossilen Brennstoffen ermöglicht.
Noch ein Wort zu Russland: Russland ist im Kern genauso abhängig von Öl und Gasexporten nach Europa wie wir vom russischen Gas. Ich sehe uns sogar in der besseren Position. Strom und Wärme aus Gas kann bei uns zur Not substituiert werden. Ein so wichtiges anderes Exportprodukt wie Gas hat Russland nicht. Ich bin deshalb nach wie vor überzeugt, dass es in unserem aber auch im russischen Interesse ist, die europäisch-russische Energiepartnerschaft zu pflegen und weiterzuentwickeln. Sie ist wichtig – für beide Seiten. Wir sollten nach der Krise mit dem notwendigen Realismus mit Russland aber vor allem auch mit der Ukraine sprechen. Beide Länder haben Ihren Teil zur Krise beigetragen, die, so wie es sehe, nach wie vor schwelt. Über die Motivationslage beider Seiten könnte man eine eigene Veranstaltung in Tutzing abhalten. Sie wäre sicher sehr interessant.
Dennoch: bei allen schwierigen Diskussionen - und die gibt es im Zusammenhang mit Russland zur Genüge – müssen wir darauf achten, die im Kern bewährte Partnerschaft nicht von uns aus zu beschädigen. Die schnelle, ideologische Schlagzeile hilft niemandem.
Drittens bedeutet Energiesicherheit Sicherheit für Konsumenten, für Produzenten und Transitstaaten gleichermaßen. Sicherheit, die am ehesten durch einen kooperativen und einem auf Recht basierenden Ansatz erreicht werden kann. Auch dies ist ein europäisches Markenzeichen. Die von der Europäischen Union initiierte Energiegemeinschaft, die in Südosteuropa für eine Angleichung der Rechtsnormen und technischen Standards an EU-Recht im Energiebereich eintritt, zeigt, was das ganz konkret heißen kann. Sie verbessert Rechtssicherheit für Energieinvestitionen und erleichtert damit auch große Infrastrukturvorhaben etwa beim Pipelinebau oder bei der Errichtung transnationaler Stromnetze. Solche sehr konkreten Projekte sind auch Bestandteil der von mir vorhin geforderten ´global governance´ im Energiebereich.
Und damit bin ich schon mitten im Konferenzthema angelangt, zu dem sich viele ausgewiesene Experten äußern werden: Energiesicherheit und Klimaschutz als doppelte Herausforderungen für Südosteuropa.
Natürlich müssen in Südosteuropa die Gasverbindungsleitungen zwischen den Staaten ausgebaut und die Energielieferanten diversifiziert werden, um die Energiesicherheit zu erhöhen. Hier will ich nur das projektierte LNG-Terminal auf der kroatischen Insel Krk oder die geplante Gasverbindung von Kroatien nach Bosnien-Herzegovina nennen. Südosteuropa würde sicherlich auch von der Realisierung der großen Gastransitpipeline von Griechenland nach Italien, von der South Stream Pipeline oder Nabucco profitieren. Und es ist richtig, dass die Energiegemeinschaft nun eine Koordinierungsgruppe zur Versorgungssicherheit einrichtet.
Meines Erachtens muss in der Region aber vor allem das Potential erneuerbarer Energien und von Energieeffizienz noch viel deutlicher erkannt werden. Die Anstrengungen zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz sollten mit aller Kraft erhöht werden, um der doppelten Herausforderung aus Klimawandel und Energiesicherheit gewachsen zu sein. Erneuerbare Energien verursachen keinen CO2-Ausstoß und können fossile Energieträger ersetzen, die ansonsten importiert werden müssten. Der Nutzen von Energieeffizienz ist offensichtlich.
Aktuell liegt die Energieintensität in Südosteuropa im Schnitt zweieinhalb Mal höher als in der OECD. Die hohen Energieverluste hängen selbstverständlich zum einen mit den wirtschaftlichen Folgen des Zerfalls Jugoslawiens zusammen, zum anderen besteht hier aber auch noch ein Bewusstseinsproblem. Daher sollten die Arbeiten in der Arbeitsgruppe zur Energieeffizienz in der Energiegemeinschaft intensiviert werden, um wie geplant zur nächsten Ministerkonferenz im Juni in Sarajevo möglichst konkrete Vorschläge vorlegen zu können. Auch in der EU arbeiten wir an einem Maßnahmenbündel, um die Energieeffizienz weiter zu steigern. Um hier nur drei Beispiele zu nennen: Die Anforderungen an die Gebäudeisolierung neuer Bauten sollen erhöht, klassische Glühbirnen sollen bis 2012 abgelöst und die Auszeichnung von Haushaltsgeräten ausgeweitet und präziser werden.
Einige Länder in Südosteuropa weisen bereits ansehnliche Anteile erneuerbarer Energien an der Produktion von Strom aus, vor allem aus Wasserkraft. Die Potentiale sind dennoch groß und unerschlossen, vor allem bei Solarenergie und Biomasse, zum Teil auch bei Wind und kleiner Wasserkraft. Hier ergeben sich durch die neue Richtlinie zur Förderung erneuerbarer Energien sogar erleichterte Exportchancen für die südosteuropäischen Länder in die EU. Italien hat hier beispielsweise ein konkretes Interesse und treibt den Ausbau von Stromverbindungen nach Montenegro, Kroatien und Albanien voran. Ich freue mich, dass die Ministerkonferenz der Energiegemeinschaft im Juni über das Potential erneuerbarer Energien debattieren will. In der Zusammenarbeit mit internationalen Geber- und Durchführungsorganisationen stehen erneuerbare Energien bereits vielfach im Vordergrund. Ich möchte aber hier betonen, dass die erneuerbaren Energien zunehmend auch wettbewerbsfähig werden. Den Ländern in Südosteuropa rate ich, bereits heute die Weichen für diese Zukunftsinvestition zu stellen. Auf unsere Initiative für die neue Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) habe ich bereits hingewiesen – in diesem Kontext möchte ich die Hoffnung ausdrücken, dass diejenigen Länder, die dieser Organisation noch nicht beigetreten sind, diesen Schritt sehr bald vollziehen werden !
Neben unseren berechtigten Energiebedürfnissen, die wir auch immer wieder in die Diskussion einbringen, stellen wir fest, dass das Interesse an deutscher Energietechnologie, aber auch an deutschen energiepolitischen Konzepten enorm ist.
Es liegt in unserem strategischen Interesse, hier verstärkt Angebote zur Zusammenarbeit zu machen. Es gilt, intelligente Politikkonzepte mit der Erschließung neuer Lieferräume und der dazugehörenden Hochtechnologie zu verbinden, um langfristig die Energiesicherheit für Deutschland und Europa zu stabilisieren.
Ich glaube, wir können mit einer Energieaußenpolitik, wie ich sie versucht habe zu skizzieren, zeigen, dass der europäische Weg der Zusammenarbeit und des friedlichen Interessenausgleichs zukunftsweisend ist. Dass wir bei internationalen Energiebeziehungen auf faire Partnerschaften und Nachhaltigkeit setzen. Und dass wir angesichts verstärkter Energie- und Rohstoffkonkurrenz auf die Stärke des Rechts und nicht auf das Recht des Stärkeren setzen.
Vielen Dank!