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Ansprache von Außenminister Frank-Walter Steinmeier anlässlich der Überreichung des Ehren-Echos für soziales Engagement an die Gruppe „Rosenstolz“

20.02.2009 - Rede

- es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe AnNa R!

Was versteht denn der Steinmeier von Rosenstolz?

Diese Frage steht einigen von Ihnen geradezu im Gesicht geschrieben. Und ich darf Sie auch gleich beruhigen, den Musik-Echo hat Rosenstolz ja schon lange und nicht nur deswegen werde ich auch nicht so tun, als ob ich Musikkritiker oder gar vom Fach wäre!

Ich halte mich da lieber an die alte Grillparzer-Weisheit: „Beschriebene Musik ist so wie ein erzähltes Mittagessen“. Und das macht bekanntermaßen weder satt noch zufrieden.

Aber eines will ich nicht verschweigen: zumindest in den letzten Jahren hat mich so manche Platte von Rosenstolz freundlich begrüßt, wenn ich nach Hause kam. Ich erinnere mich noch sehr gut, als zum ersten Mal ein kraftvolles musikalisches „Willkommen“ aus dem Zimmer meiner Tochter bis in den Garten zu hören war.

Natürlich galt das nicht mir, aber immerhin: auch bei uns zu Hause übernimmt die kommende Generation die musikalische Erziehung ihrer Eltern, und das hat doch auch etwas für sich.

Jedenfalls hat meine Tochter selten so viel Verständnis für eine berufliche Abwesenheit gezeigt wie heute. Und noch seltener hat sie sich so sehr an der Vorbereitung eines dienstlichen Termins beteiligt wie gestern Abend. Man merkte ihr förmlich die Sorge um ihren Vater an, als sie versuchte, mit den Schätzen ihres I-Pod noch schnell die schlimmsten Wissenslücken bei mir zu beheben.

Aber ich will auch gerne zugeben, dass auch mir selten die Vorbereitung auf einen Termin so sehr Freude bereitet hat. Schon allein deswegen danke ich Ihnen sehr herzlich dafür, heute hier sprechen zu dürfen!

Und ich möchte AnNa R sehr herzlich bitten, meine ganz persönlichen Genesungswünsche an Peter Plate auszurichten.

Wir alle hier und viele viele Menschen in Deutschland und anderswo wünschen ihm die Kraft, Geduld und Herzenswärme, die er jetzt braucht, um wieder auf die Beine zu kommen! Grüßen Sie ihn von uns und nehmen Sie unseren Applaus mit!

Als ich gestern Abend also noch ein bisschen Musik von Rosenstolz gehört habe, da ist mir genau das passiert, was wohl nur bei wirklich gelungener Musik und Kultur geschieht: Man fragt sich gar nicht mehr, ob und wann welches Lied entstanden oder erschienen ist. Sondern viele Songs sind so selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden, als seien sie immer schon dagewesen.

Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass die Musik von AnNa R und Peter Plate immer mit Leben, mit viel Leben zu tun hat. Das „große Leben“ eben, mit Glück, Liebe, Trauer, Hoffnung, mit Zuversicht! Und hinter Musik und Texten stehen Künstler mit ihrer ganzen Persönlichkeit.

Und diese Haltung beschränkt sich bei AnNa R und Peter Plate gerade nicht nur auf die Musik, sondern sie geht weit darüber hinaus ins wirkliche Leben hinein. Deshalb freue ich mich sehr, dass die Stiftung „Musik hilft“ Ihnen heute den Ehren-Echo für ihr soziales Engagement verleiht.

„Musik hilft“ hat sich ja in den letzten 15 Jahren zu so etwas wie dem Symbol für das gesellschaftliche Engagement der deutschen Musiker entwickelt. Und das darf man an dieser Stelle ja auch einmal sagen: Es ist ein ziemlich einzigartige Leistung der Musikbranche, diese Stiftung ins Leben gerufen zu haben. Und mit ihr von der Musiktherapie über die Arbeit an sozialen Brennpunkten bis hin zum heutigen Ehren-Echo dafür zu sorgen, dass dieses Engagement eine Plattform und Unterstützung findet.

Liebe AnNa R,

Rosenstolz hat sich unaufdringlich, aber dafür um so beständiger mit persönlichem Einsatz, mit Empathie und Ehrlichkeit für den Kampf gegen Aids eingesetzt. Wir alle hier erinnern uns an Ihre große Geste vor knapp 2 Jahren, als Sie die gesamten Einnahmen eines Konzerts zur Verfügung gestellt haben.

Und jeder von uns erinnert sich an die vielen kleinen Gesten, die sich mit Ihren Konzerten und öffentlichen Auftritten verbinden. Gesten, mit denen Sie das Thema „Aids“ ansprechen, zur Hilfe auffordern und selber helfen. „Musik hilft“, das heißt bei Rosenstolz eben auch und vielleicht besonders: gesellschaftliche Sprachlosigkeit überwinden und Solidarität schaffen.

Sie leisten hier Vorbildliches und ich würde mich freuen, wenn Ihr Beispiel in unserem Land weiter Schule macht. Dabei stehe ich Ihnen gerne zur Seite!

Mit dem Dank allein ist es aber nicht getan, das weiß ich so gut wie Sie. Sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass Künstler und alle kreativ Tätigen auch weiter von ihrer Kreativität leben können.

Ich sage das als Außenminister nicht nur so dahin: Kreative und Kulturschaffende, das sind die „Botschafter unseres Landes“. Die Brücken, die sie schlagen, verbinden Kulturen und Kontinente. Sie schaffen den Rahmen, der politischen und wirtschaftlichen Austausch, aber auch gesellschaftliche Verständigung erst möglich macht.

Und ein Land, das keine natürlichen Rohstoffe wie Öl oder Erz hat, das tut erst recht gut daran, den Rohstoff der Kreativität weiter zu fördern und zu schützen.

Ich weiß, ein Thema brennt Ihnen dabei besonders unter den Nägeln. Und deswegen will ich doch auch in einer Laudatio wenigstens kurz einmal politisch werden – Rosenstolz wird es mir verzeihen.

Ich habe es in der vergangenen Woche gegenüber den Filmschaffenden bereits erwähnt und ich will es hier an dieser Stelle und an die Adresse der Musiker und der gesamten Musikbranche gerichtet noch einmal betonen:

Der Schutz des geistigen Eigentums ist die Grundlage schöpferischer Arbeit. Darin verkörpert sich Geist und Kreativität unseres Landes. Und deswegen werden wir es nicht zulassen, dass der Schutz geistiger Arbeit ausgehöhlt wird durch Internet-Diebstahl.

Wir haben alle verstanden, dass die Datennetze die Autobahnen des 21. Jahrhunderts sind. Um so mehr sollten wir klarstellen: wer sich auf Ihnen nicht an die Regeln hält, der handelt nicht nur gefährlich und verantwortungslos gegenüber allen anderen. Sondern gegen den muss man konsequent vorgehen können. Ich weiß, Sie dazu mit meiner Kollegin Zypries im Gespräch stehen. Und ich will Ihnen hier auch nur noch einmal sagen: auch ich persönlich stehe Ihnen hier zur Verfügung. Auch über mein gegenwärtiges Amt hinaus!

Lassen Sie uns gemeinsame Lösungen suchen und auf dieser Basis das Gespräch mit den Internet-Providern führen. Ich bin sicher: im Schulterschluss von Kreativen und Politik werden wir am meisten erreichen. Nicht nur in dieser Frage.

Sondern ich sage: Wir brauchen einen Kreativpakt zwischen Politik und Kultur! Einen Kreativpakt, der alle Fragen kreativer Tätigkeit umfasst. Von der Sozialversicherung über das Urheberrecht bis hin zu neuen Unternehmens- und Arbeitsformen. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Ich stehe dafür bereit!

Bevor Sie jetzt aber gleich mit Ihren Wünschen und Vorstellungen für mein politisches Engagement kommen, darf ich doch noch einmal zum Festgegenstand zurückkehren und AnNa R noch einmal alleine auf die Bühne bitten.

Liebe AnNa R,

ich freue mich, Ihnen den Ehrenecho für soziales Engagement überreichen zu dürfen und ich darf Sie noch einmal ganz herzlich bitten, Peter Plate den zweiten Echo und unsere besten Wünsche zu übermitteln!

Vielen Dank.

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